Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Aufgeben gibt's nicht

Wie viele kleinere Hersteller in Deutschland musste auch Algatec sich neu positionieren. Neben Standardmodulen werden heute im Werk in Prösen auch Ersatzmodule in Kleinserien und AC-Module für die Steckdose hergestellt.

Es gibt Orte, die entziehen sich einer einfachen geografischen Beschreibung, zumal sie selten im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Elsterwerda ist so ein Ort. Am südlichsten Zipfel von Brandenburg gelegen, die Landesgrenze zu Sachsen ganz nah. Vielleicht für manche eine Orientierungshilfe: Die Schwarze ­Elster fließt durch die Stadt und half bei der Namensfindung. Das gut ausgebaute Radwegenetz lockt immer mehr Radler in die Region, die ansonsten seit der Wende außer der Braunkohle­verstromung fast all ihre Industriestandorte verloren hat.

Unweit von Elsterwerda hat Algatec seinen Firmensitz. Seit 2006 laufen in Prösen Solarmodule vom Band, der Modulhersteller ist einer der Pioniere der Branche. Die beiden Geschäftsführer Rainer Ruschke und Ullrich Jank haben die Anfänge der Industrie, ihren Boom und den Niedergang der letzten zwei Jahre hautnah miterlebt. Und produzieren nach wie vor Module. Algatec hat eine eigene, gar nicht so typische Geschichte als Modulhersteller. Obwohl in den letzten Jahren über eine Million Module die Produktion verlassen haben, ist die Marke selbst wenig bekannt. Das liegt daran, das Algatec in den Anfangsjahren vor allem für Q-Cells und Bosch gefertigt hat. Und nicht nur das. Vor allem mit Q-Cells bestand eine enge Partnerschaft. Technologien und Qualitätsstandards wurden gemeinsam entwickelt. Zusammen wurde getüftelt und probiert, fast alle vorhandenen Materialien getestet. Als Komax die ersten Stringer baute, wurde ein Prototyp zu Algatec geliefert. Und auch der Maschinenbauer profitierte von den gesammelten Erfahrungen und der Experimentierfreude der beiden Gründer. Aus der Entwicklungspartnerschaft mit ­Q-Cells ging auch das erste quer verstringte Modul hervor, das 2010 auf den Markt kam.

Investoren waren skeptisch
Aber die Module, die vom Band liefen, hatten das Label von Q-Cells und später auch von anderen namhaften Herstellern. Heute sagt Ruschke rückblickend: „Dass wir keine eigene Marke aufgebaut haben, war ein Fehler. Denn dass wir Qualitätsprodukte herzustellen wissen, mussten  wir in den letzten beiden Jahren teilweise mühsam beweisen.“
Ein weiteres Merkmal ist untypisch. Algatec kam aus dem Metallbau. Der Name stand ursprünglich für Aluminium-Glas-Technologie. Das Unternehmen fertigte Elemente für den Fassadenbau. Wintergärten, Shoppingcenter und Flughafengebäude wurden realisiert. Als der Metallbau wegen der guten Marktlage nach Dubai umgesiedelt wurde, wollten die Gründer ihr Werk in Prösen umfunktionieren in eine Modulfabrik. Doch sie kamen nicht wie andere Gleichgesinnte aus der Siliziumproduktion oder der Forschung. Sie waren Metallbauer, und Investoren waren skeptisch. Ein Finanzierungsversuch über die Investitionsbank des Landes Brandenburg scheiterte. Ein privater Investor hatte schließlich genug Vertrauen, um den Aufbau der ersten Fertigungslinie zu ermöglichen. Warum gerade Photovoltaik, mag man sich fragen. Ruschke und Jank glaubten damals daran, dass sich die gebäudeintegrierte Photovoltaik schneller entwickeln würde, und wollten die Erfahrungen aus ihrem bisherigen Geschäft nutzen, um in diesem neuen Markt mitzumischen.

Lieferantenkredite zur Finanzierung
Wer heute nach Prösen kommt, trifft zwei alte Hasen mit Enthusiasmus und Sinn für Realitäten. Das alte Werk, das in den Boomjahren nicht ausreichte, um die Nachfrage zu decken, ist ein unprätentiöser Flachbau. Ein paar Büros und eine Tür vom Flur, die direkt in die Versandhalle und die angrenzende Produktionshalle führt. Heute werden hier Standardmodule der Marke Algatec gefertigt. Das zweite Standbein sind Module mit bestimmten Leistungsmerkmalen und Maßen, die als Ersatz für defekte Module nicht mehr existenter Originalhersteller nachgebaut werden. Auch Kompaktmodule, die ausgestattet mit einem Mikroinverter Strom direkt in die Steckdose einspeisen, gehören seit neuestem zum Sortiment.
23 Mitarbeiter arbeiten heute für Algatec. So viele wie vor dem großen Boom. 2010 hatte Algatec im nahe gelegenen Großräschen eine zusätzliche moderne Fertigung errichtet, eine der ersten vollautomatischen Fertigungen mit Linear­robotern und Matrixfertigung in Deutschland. Innerhalb kürzester Zeit wurden aus 25 Beschäftigten 250. Auch dieser Teil der Firmengeschichte ein kleines Abenteuer. Um die neue Anlage zu bauen, brauchte man Geld. Als die einschlägigen Quellen kein Interesse zeigten, schalteten Jank und Ruschke eine Anzeige in der New York Times und wurden schon kurze Zeit später von einem Konsortium eingeladen. Der Börsengang wurde vorbereitet und die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft vollzogen. Allein das Geld blieb aus, die Pleite von Lehman ­Brothers hagelte genau in die Roadshow. Die Maschinen waren quasi schon bestellt, zumindest die Aufträge bereits im Detail verhandelt. Daraufhin sprangen die Maschinenbauer ein und räumten Algatec Lieferantenkredite ein. So wurde die Finanzierung des neuen Werkes gestemmt. Trotz der Kapazität von 120 Megawatt pro Jahr, die heute in etwa 150 Megawatt entsprechen würden, weil die Module höhere Leistungswerte haben, mussten Aufträge abgelehnt werden.

Kein Ruhmesblatt der deutschen Politik
2012 begann dann wie für viele andere Hersteller ein harter Überlebenskampf. Ein Teil der Kunden kaufte jetzt in Asien oder produzierte inzwischen selbst. Und auch die Politik legte den Rückwärtsgang ein. Massive Einschnitte und die Deckelung des Zubaus standen im Raum. „Die Politik hat an diesem Punkt komplett versagt. Die zögerlichen Entscheidungen und die Ankündigungen von immer neuen Einschränkungen hatten fatale Folgen für den Markt und sind kein Ruhmesblatt der deutschen Politik. Sie haben für Unsicherheit und letztlich die massiven Verwerfungen bei den deutschen Herstellern gesorgt.“ Der sonst im Gespräch so entspannte und freundliche Ullrich Jank ist sichtlich verärgert. „Unsere Industrie war noch jung, hatte weder eine Lobby noch die nötigen 10 bis 15 Jahre Erfahrung, die notwendig sind, um einen neuen Industriezweig zu etablieren.“ Für Algatec bedeutete der Umsatzrückgang in letzter Konsequenz wie für viele andere Hersteller die Insolvenz. Erschwerend kam hinzu, dass, bedingt durch die in der Startphase noch herrschende Materialknappheit, Einkaufsverträge mit Lieferanten existierten, die nicht bedient, aber auch nicht aufgelöst werden konnten. 2013 versuchte Algatec, über ein Konsolidierungsdarlehen bei der ILB den Geschäftsbetrieb fortzuführen. Trotz positiver Beurteilungen durch die eingesetzten externen Berater kam es zu keinem Kurzfristdarlehen. Im September 2013 meldete Algatec Solar AG beim Amtsgericht Insolvenz an. (Petra Franke)

Wie es nach der Insolvenz weiterging, lesen Sie im vollständigen Artikelin der Maiausgabe der photovoltaik.