Zunächst ein paar einführende Hinweise zur Rückseitenfolie. Ein Solarmodul mit kristallinen Solarzellen hat hinter der Frontglasscheibe zunächst eine EVA-Folie, sie gehört zum Laminat der Solarzellen. Auf der Rückseite der Zellen kommt nochmals eine EVA-Schicht und die Rückseitenfolie, die ebenfalls aus mehreren Schichten bestehen kann. Ich spreche hier von sogenannten Glas-Folie-Modulen. Bei Glas-Glas-Modulen folgt auf die hintere EVA-Schicht eine zweite Scheibe.
Isolation durch rückseitige Folie
Die rückseitige Folie des Solarmoduls hat in erster Linie die Aufgabe, die Solarzellen vor Umwelteinflüssen zu schützen. Es soll möglichst kein Wasserdampf ins Laminat diffundieren, da Feuchtigkeit zur Korrosion der Kontakte zwischen den Zellen führen kann. Außerdem muss gewährleistet sein, dass die rückseitigen Folien für eine hohe elektrische Isolation der eingebetteten Zellen sorgen.
Immerhin arbeiten moderne Photovoltaikanlagen mit Systemspannungen von bis zu 1.500 Volt. Bedenkt man, dass heute nahezu ausschließlich trafolose Wechselrichter zum Einsatz kommen, kann die Berührung einer schadhaften Rückseitenfolie während des Betriebes lebensgefährlich sein.
Hohe Spannungen bis 1.500 Volt
Es ist daher unbedingt notwendig, dass die Isolationsfähigkeit der Rückseitenfolien dauerhaft erhalten bleibt. Um diese Bedingung während der langen Lebenszeit einer Anlage zu gewährleisten, machen die Wechselrichter jeden Morgen vor der Zuschaltung zum Netz eine sogenannte Isolationsprüfung. Zu diesem Zweck werden in aller Regel Prüfspannungen von 1.000 Volt oder 1.500 Volt auf den kurzgeschlossenen Solargenerator gegen Erde angelegt.
Die Messung des fließenden Stromes führt über das Ohm’sche Gesetz zur Ermittlung des Isolationswiderstandes. Nach der international gültigen Norm DIN EN 62446-1 darf der Isolationswert eines Modulstranges niemals unter einem Megaohm liegen.
Wechselrichter schalten nicht zu
Nun beobachten wir seit einiger Zeit einen Serienfehler an Solarmodulen, der mit dem Versagen der Rückseitenfolien einhergeht. Die Folge der Fehler in betroffenen Photovoltaikanlagen sind zunehmende Ausfallzeiten, da die Wechselrichter bei zu niedrigen Isolationswerten die Anlage morgens nicht ans Netz nehmen. Im Endstadium des Fehlers kommt es oft zum vollständigen Versagen der Rückseitenfolien und zur Zerstörung der Module.
Drei typische Fehler
Bevor ich beschreibe, wie man den verwendeten Folientyp eines Solarmoduls bestimmen kann, möchte ich die drei Ausprägungen des beobachteten Problems zeigen:
Fehlertyp 1: Risse zwischen den Zellen
Im ersten Fall sieht man Risse in der Einbettungsfolie immer in den Zellzwischenräumen. Die Zellverbinder werden in der Folge dieses Fehlers so stark geschädigt, dass es zu extremer Hitzeentwicklung kommen muss, die wiederum die Glasscheiben zerstört. In der Folge fallen ganze Zellreihen aus den Modulen heraus. Das Phänomen wurde zuerst in Südeuropa beobachtet.
Fehlertyp 2: Nur die innere Lage betroffen
Im zweiten Fall ist vom rückseitigen Foliensandwich nur die innere Lage betroffen. Das Problem ist auf den ersten Blick leider nicht erkennbar. Leuchtet man jedoch mit einer Taschenlampe durch die Zellzwischenräume, so kann man sehr schön winzige Risse in der Rückseitenfolie erkennen.
Fehlertyp 3: Auskreidung der Folie
Im dritten Fall erkennt man über den rückseitigen Zellkontakten Risse in der Folie. In diesem Fall war in den von uns überprüften Anlagen immer auch eine sogenannte Auskreidung (Chalking) festzustellen.
Kann man den Folientyp identifizieren?
Der Betreiber einer betroffenen Anlage hat uns mit der Frage konfrontiert, ob es möglich sei, die Folientypen, die das Problem verursachen, zu identifizieren, um frühzeitig reagieren zu können. Hintergrund war eine weitere Anlage dieses Betreibers, bei der das Problem optisch noch nicht in Erscheinung getreten war.
Es sollte geklärt werden, ob auch in dem zweiten Park mit einem Versagen der Folien gerechnet werden muss. Da ich mich mit Einbettungsfolien bisher nie näher beschäftigt hatte, war das Thema für mich Neuland. Zunächst musste ich mir einen Überblick verschaffen, welche Untersuchungsmethoden möglich sind.
Die Recherche ergab, dass das Labor des ZSW in Stuttgart in der Lage ist, die Rückseitenfolien der Solarmodule zu bestimmen. Zu diesem Zweck mussten Module demontiert und ins Labor gebracht werden. Die Untersuchungen sind nicht zerstörungsfrei.
Zum Zwecke der Untersuchung werden Teile aus dem Modul geschnitten, um sie anschließend mit der sogenannten FTIR-Methode zu analysieren. FTIR steht für Fourier-Transform-Infrared-Spectroscopy. Vereinfacht beschrieben wird dabei die Wechselwirkung von Nahinfrarotstrahlung mit den Molekülen der Einbettungsfolien genutzt, um sie zu identifizieren.
Im Ergebnis konnte in unserem Fall festgestellt werden, dass die Folien aus dem zweiten Park eine andere Materialzusammensetzung aufwiesen als die fehlerhaften Folien. Somit war nicht zu erwarten, dass diese ebenfalls zur Rissbildung neigen würden.
Angeregt durch eine sogenannte Low-Cost-IR-Spektroskopie, auf die ich vor einigen Jahren aufmerksam wurde, kam mir die Idee zur weiteren Recherche nach tragbaren Lösungen, die man eventuell im Solarpark einsetzen könnte. Das würde den Ausbau der Module ersparen.
Muss man immer ins Labor?
Letztlich geht es nicht darum, die Folienmaterialien mit hoher Genauigkeit zu bestimmen. Sondern vielmehr darum, fehlerhafte Folien zu erkennen und von fehlerfreien Folien zu unterscheiden. Hätte man eine mobile, zerstörungsfreie Analysemethode, könnte man im Laufe der Zeit eine Datenbank aufbauen.
Angeregt durch diesen Gedanken haben wir schließlich Kontakt zu Analyticon aufgenommen, einer Firma, die mobile Infrarotspektroskopiegeräte vertreibt. Ein Mitarbeiter hat uns besucht. An zahlreichen Solarmodulen, die sich in unserem Labor mittlerweile angesammelt haben, wurde untersucht, ob sich die gewonnenen Spektren der Einbettungsfolien unterscheiden ließen. Im Ergebnis erwies sich dieser Ansatz als zu teuer
und aufwendig.
Der nächste Versuch
Ein paar Wochen später kamen zwei junge Männer einer anderen Firma zu uns zu Besuch, von der Firma Trinamix aus Ludwigshafen. Trinamix ist eine Ausgründung der BASF. Die beiden Herren hatten lediglich ein kleines Gerät dabei, nahmen nur wenige Proben der Solarmodule.
Das kleine Handgerät wurde an die Rückseite der Module gehalten. Auf Knopfdruck lieferte die App auf dem Handy das Messergebnis. Mittlerweile wurde eine spezielle Applikation für die Solarbranche entwickelt. Die Präsentation bei uns in Rüsselsheim hat mich beeindruckt.
Die Experten von Trinamix haben sich mittlerweile mit dem Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technologie (OFI) und dem Polymer Competence Center Leoben GmbH (PCCL) ausgetauscht. Gemeinsam erstellten sie eine Datenbank der typischerweise in der Solarbranche eingesetzten Rückseitenfolien.
Das kleine, tragbare Gerät funktioniert nach dem Prinzip der Transflektrometrie. Das Gerät sendet eine Strahlung im Bereich zwischen 1.400 Nanometern und 2.400 Nanometern, also im unsichtbaren Infrarotbereich, durch die Rückseitenfolie der Solarmodule.
Ein kleines, tragbares Gerät
Die Strahlung wird von den Solarzellen reflektiert und vom Gerät empfangen. Die reflektierte Strahlung wird spektral aufgelöst und mit der ursprünglichen Strahlung verglichen. Daraus lässt sich feststellen, welche Wellenlängen des Spektrums vom Material der Rückseitenfolien absorbiert wurden.
Diese Wellenlängen sind materialspezifisch und geben einen eindeutigen Fingerabdruck des verwendeten Materials. Die Daten werden vom Gerät anschließend zu einer Internetdatenbank gesendet und dort mit bekannten Materialproben abgeglichen.
Über diese Zuordnung werden bekannte Materialien eindeutig identifiziert und in einer Smartphone-App unmittelbar nach der Messung angezeigt. Ohne aufwendige Labortests hat man damit sofort eine Aussage über das verwendete Material der untersuchten Rückseitenfolie. Als Zusatzinformation ermittelt das Messverfahren das Einbettungsmaterial, welches in den meisten Fällen EVA sein dürfte.
Erfolgreicher Praxistest im Modulfeld
Wir haben das Gerät mittlerweile in unseren Werkzeugkasten zur Untersuchung von Photovoltaikanlagen integriert und erste Praxistests durchgeführt. Vom Handling her ist es gut zu bedienen. Man misst jedes Modul in zwei Stufen: zuerst die Vorderseite, danach die Rückseite. Anschließend wird unmittelbar das Messergebnis angezeigt.
Auf Wunsch kann man vor der Messung den Modultyp und sonstige Informationen eingeben, die automatisch in die Datenbank mit den Messergebnissen wandern. Bei der anschließenden Auswertung im Büro kann man die Messdaten am PC verarbeiten und sich bei Bedarf alle Spektren in Form einer Excel-Datei herunterladen. Wer sich mit der Chemie der Folien gut auskennt, kann aus diesen Rohdaten weitere wertvolle Informationen gewinnen.
Bislang 25 Modultypen ausgemessen
Ich habe mittlerweile rund 25 verschiedene Modultypen damit gemessen. Nur in wenigen Ausnahmen lieferte das Gerät bisher kein Ergebnis. Diese Ausnahmen waren zwei schwarze Solarmodule und ein uraltes Minimodul von Kyocera. Bei den schwarzen Modulen wurde mir erklärt, dass der Ruß, der den Folien zur Schwarzfärbung beigegeben wurde, im IR-Spektrum
intransparent ist. Deshalb funktioniert die Spektroskopiemethode hier prinzipiell nicht. Bei dem uralten Modul wurde offenbar ein Folientyp verwendet, der bisher nicht in der Datenbank steht. Bei modernen Glas-Glas-Modulen wird übrigens nur der Typ des Einbettungsmaterials (EVA) angezeigt. Da die Datenbasis ständig erweitert wird, kann man davon ausgehen, dass die meisten gängigen Folientypen vom System erkannt werden.
Folien prüfen als Routine
Von zwei schadhaften Modulen aus dem Labor konnten wir den Folientyp zuordnen. Es handelt sich um Polyamide und um Polyethylenterephthalat (PET) mit Fluorine-Coating. Wir werden in Zukunft immer, wenn wir an eine Anlage kommen, routinemäßig den Typ der Rückseitenfolien aufnehmen und in einer Datenbank ablegen.
Photovoltaikbüro
Expertenblog seit August 2008 am Start
Tina Ternus und Matthias Diehl veröffentlichen seit 2008 regelmäßig Fachbeiträge rund um die Photovoltaik. Tina Ternus beschäftigt sich vor allem mit politischen Themen und dem EEG, Matthias Diehl schreibt in erster Linie über technische Sachverhalte.
Seit Anfang 2013 ist er öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Photovoltaik und photovoltaische Anlagentechnik. Sein Schwerpunkt ist die Fehlersuche, um Probleme mit möglichst geringem Aufwand zu erkennen. Dazu hat er spezielle Messtechnik entwickelt (PV-Serve, PV-Tector und PV-Vision) und bietet regelmäßig Seminare und Webinare zur effizienten Fehlersuche an.