Christian Hué klettert eine Leiter hoch und betritt das Dach einer Industriehalle in Bad Kreuznach. Der Betriebsleiter der Reinigungsfirma PBR will beweisen, dass sich die Reinigung einer Solaranlage tatsächlich lohnt. Für sein Experiment hat er sich eine zwei Jahre alte Aufdachanlage ausgesucht, die heute das erste Mal geputzt wird. „Mal sehen, wie viel Unterschied wir nach der Reinigung beim Ertrag haben“, sagt er.
Seine Mitarbeiter sind ausgerüstet mit einer flexiblen Kunstfaserstange, an der eine weiche Bürste mit Wasserdüsen montiert ist. Die Stange kann bis auf 20 Meter verlängert werden und erreicht somit auch die entlegensten Module. Von unten wird das Wasser durch Schläuche rauf aufs Dach in das Stangensystem gepumpt. Es dauert einen Moment, bis das Wasser durch den Bürstenkopf wieder hinausdringt – die Reinigung kann losgehen.
An der obersten Solarmodulreihe will Hué den Unterschied demonstrieren. Sie ist am gleichen Wechselrichter angeschlossen, jedoch in zwei Stränge aufgeteilt. „Den einen Strang werden wir putzen, den anderen nicht. Danach vergleichen wir die erzeugte Stromstärke“, erklärt Hué das Experiment. Deutlich erkennt man die Staubschicht auf den ungeputzten Solarmodulen, dünne Moosstreifen wachsen am Modulrahmen entlang. Die gereinigten Module erscheinen dagegen glasklar, wie frisch aus der Fabrik. Als die Sonne frei von Wolken ist, startet Hué die Messung mit einem Strommessgerät direkt auf dem Dach. Rechts erzielen die verstaubten Module rund fünf Ampere. Die sauberen Module links erreichen an diesem Tag um die 5,25 Ampere. „Das macht einen Unterschied von fünf Prozent“, sagt Hué. Eine Reinigung lohne sich eben doch, entgegen aller Kritik, ist er überzeugt.
Doch diese Messung lässt sich nicht verallgemeinern, denn nicht jede Anlage gleicht der anderen. Wie stark und wie schnell eine Solaranlage verschmutzt, liegt vor allem an ihrem Standort. Eine Eisenbahnlinie führt am Haus vorbei, Industrie ist in der Nähe, Tauben nisten unterm Dach: All das kann zum Minderertrag führen – muss aber nicht.
Heinrich Häberlin, Professor für Elektrotechnik an der Fachhochschule Bern, untersuchte über Jahre hinweg Solaranlagen in Burgdorf in der Schweiz. „Selbst innerhalb eines Ortes gibt es lokalklimatische Unterschiede“, stellte er fest. Nicht jede Anlage in Burgdorf war gleich stark verdreckt. In seinen Messungen schnitten jedoch zwei Anlagen besonders schlecht ab: Eine befindet sich auf dem Dach eines McDonald‘s-Restaurants und ist belegt mit fettigen Küchendünsten. In unmittelbarer Nähe befinden sich zudem ein Sägewerk, eine Nebenbahnlinie und ein stark befahrener Verkehrskreisel. Hier wurde ein Leistungsabfall von etwa 30 Prozent gemessen. Die andere Anlage steht 50 Meter von einem stark befahrenen Bahngleis entfernt und ist dem Bremsstaub der Züge ausgesetzt. Diese Anlage wird jeweils nach vier Jahren geputzt. Danach steigt die Leistung um knapp zehn Prozent. Im Laufe der Zeit nimmt die Leistung wieder ab, denn die Module beginnen sofort wieder zu verschmutzen.
Staub, Vogelkot, Moos
Doch nicht alle Anlagen sind solche Extremfälle, bei denen sich Verschmutzungen bereits mit dem bloßen Auge erkennen lassen. Bei der Anlage in Bad Kreuznach ließ sich der Unterschied erst im direkten Vergleich von ungeputzten und gereinigten Modulen sehen. „Am besten wäre es, die Anlagenbesitzer kommen mit rauf aufs Dach. Denn erst aus der Nähe sieht man die Staubschicht, den Vogelkot und die Moosflechten, die sich auf den Modulen abgelagert haben“, sagt Hué. Und es ist schwierig, eine Verschmutzung allein an den Ertragszahlen auszumachen. Wenn einem Anlagenbesitzer am Ende des Jahres beispielsweise fünf Prozent Ertrag fehlen, so muss er auch in Betracht ziehen, dass es an Moduldefekten, Verschattungen oder fehlenden Sonnentagen liegen könnte. Erst wenn das alles ausgeschlossen werden kann, bleibt eine Verschmutzung als Ursache übrig.
Regen richtig nutzen
Entscheidend für die Stärke der Verschmutzung ist auch die Neigung der Module. Häberlins Tests ergaben, dass ein Neigungswinkel im Bereich von 45 Grad und eine Hochkantmontage der Module – dabei wird die kurze Modulseite horizontal ausgerichtet – am besten vor Verschmutzung schützt. Denn dann sei die Regenempfangsfläche groß genug, damit ausreichend Regen auf das Modul trifft, um den Schmutz zu lösen. Gleichzeitig seien die Module schräg genug, damit das Wasser oder abrutschender Schnee durch das Gefälle den Schmutz herunterreibt. Je flacher das Modul aufgestellt ist, desto geringer ist diese Reinigungswirkung, und ein Teil des Schmutzwassers bleibt insbesondere an den Unterkanten gerahmter Module liegen und trocknet wieder ein. Sind die Module jedoch steiler aufgestellt, zum Beispiel 65 Grad, trifft zu wenig Regen auf die Oberfläche, und die Reinigungswirkung sinkt wieder.
An den Staukanten am Modulrahmen können Moose und Flechten entstehen, die im Jahr einige Millimeter wachsen können. Das klingt nicht viel, aber bei manchen Solarmodulen reichen aus Effizienzgründen die Zellen fast bis zum Rahmen des Moduls. Viel Platz bleibt da nicht, einige Modelle haben einen knappen Rand von nur ein bis drei Millimetern. „Der geringere Abstand zwischen Zellen und Modulrahmen erhöht zwar den Modulwirkungsgrad auf dem Papier, in der Praxis kann durch die Verschmutzung die Leistung aber wieder sinken“, hat Häberlin festgestellt. Denn die Moosschichten am Rahmen wirken wie eine permanente Verschattung und reduzieren durch die Reihenschaltung die Leistung des gesamten Strangs. Mittlerweile haben darauf auch die Modulhersteller reagiert. Conergy bietet zum Beispiel ein Solarmodul an, dessen Rahmen zum Glas hin abgeschrägt ist und den Ablagerungen weniger Halt gibt. In dieser Hinsicht fährt man mit Dünnschichtmodulen besser, die meist keinen Rahmen haben. Somit ist die Oberfläche durchgängig glatt und das Schmutzwasser kann ungehindert abfließen.
Der Neigungswinkel für eine perfekte Regenwäsche steht jedoch im Gegensatz zum optimalen Einstrahlungswinkel von 30 Grad. „Es ist Aufgabe des Planers, das Verschmutzungsrisiko einzuschätzen. Ist in der Nähe eine stark befahrene Straße, stelle ich die Module steiler und lasse den Regen die Arbeit machen“, rät Björn Hemmann von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Regen und Schnee können also durchaus reichen – je nach Standort und Neigung der Module. Doch eine pauschale Empfehlung lässt sich nicht geben. Und die Reinigungsfirmen argumentieren dagegen: Man müsse nur mal die Fensterscheiben seines Autos oder Wintergartens nach einem Regenschauer ansehen, wirklich sauber seien die dann nicht.
Wie verschieden die Bedingungen sind, sieht man vor allem im internationalen Vergleich. Das Unternehmen Conergy errichtet weltweit Großanlagen und berichtet von lehmigem Boden, der in Spanien und Italien auf die Module geweht wird. In Wüstengebieten sind es Sandablagerungen, die regelmäßig runtergewaschen werden müssen. Literaturangaben zufolge kann es in den trockenen Gebieten Afrikas zu so massiven Verstaubungen kommen, dass die Anlagenleistung um bis zu 80 Prozent reduziert wird. In tropischen Gebieten hingegen gibt es häufig kräftige Regenschauer, die auf ganz natürlichem Weg für Sauberkeit sorgen. Hier muss so gut wie nie geputzt werden.
Sonderfall Landwirtschaft
Anders sieht es im landwirtschaftlichen Bereich aus, egal ob in Europa oder Amerika, hier muss einmal im Jahr gereinigt werden – da sind sich alle einig. Denn Futter- und Getreidestaub sorgen für eine permanente Verschmutzung auf den Modulen. Große Mastställe geben zudem Ammoniakgase in die Luft ab, wenn sich die Exkremente der Tiere zersetzen. Die Ammoniakdämpfe legen sich als öliger Film auf die Module und halten den Schmutz wie eine Klebeschicht fest. „Auf landwirtschaftlichen Gebäuden sollte man regelmäßig putzen. Besonders bei Puten-, Hühner- und Schweineställen. Die machen am meisten Dreck“, sagt Anlagenreiniger Wenzel Präger aus Bayern.
Auch er benutzt das Stangensystem mit der Bürste und schafft es als einzelne Person, eine 30-Kilowatt-Anlage in sechs Stunden zu säubern. Kostenpunkt bei einer Anlage dieser Größe: etwa 1,50 Euro pro Quadratmeter, also rund 360 Euro für die gesamte Anlage. Dazu kommt noch das verbrauchte Wasser, denn das wird aus der eigenen Leitung genommen. An die 500 Liter werden benötigt, um die komplette Stallanlage zu reinigen. Doch das fällt preislich nicht weiter ins Gewicht: In München zum Beispiel kostet ein halber Kubikmeter Wasser – also 500 Liter – inklusive Abwasser etwa 1,55 Euro.
Eine Rechnung, die für den Anlagenbesitzer auf jeden Fall aufgeht. Denn wenn durch die verschmutzten Module der Ertrag um nur drei Prozent sinkt, produziert die 30-Kilowatt-Anlage statt der 30.000 Kilowattstunden bei angenommenen 1.000 Kilowattstunden Ertrag pro installiertem Kilowattpeak nur noch 29.100 Kilowattstunden im Jahr. Bei einer vier Jahre alten Aufdachanlage, die noch zu den Preisen von 2006 (49,28 Euro-Cent je Kilowattstunde) einspeist, würde sich dadurch ein finanzieller Verlust von 443 Euro ergeben. Bei einer 60-Kilowatt-Anlage wären es dann schon 887 Euro Verlust im Jahr. Bei einer 100-Kilowatt-Anlage mit den damaligen 48,74 Euro-Cent Vergütung wären es um die 1.462 Euro. Ein weiterer Vorteil: Präger schaut bei der Reinigung auch gleich immer mit nach Schäden an der Anlage. Und so manches defekte Modul wäre ohne seinen jährlichen Dachaufstieg unentdeckt geblieben, sagt er.
Bevor das Leitungswasser auf die Module kommt, wird es in einer Osmoseanlage entkalkt. Sie ist in etwa so groß wie ein Reisekoffer und lässt sich mit ihren zwei Rädern an jeden Einsatzort bringen. In ihr steckt ein Ionenaustauscher, der dem einfließenden Wasser sämtliche Mineralien entzieht, damit nach der Reinigung keine Kalkflecken auf den Modulen zurückbleiben. „Im Prinzip ist es wie das destillierte Wasser fürs Bügeleisen“, sagt Präger. Denn wenn er die Module putzt, ist die Anlage weiterhin in Betrieb, und die Module können bis zu 60 Grad Celsius heiß
sein. Ein Teil des Wasser verdampft dadurch und würde im ungefilterten Zustand Kalkränder hinterlassen. Dann wären die Module zwar ohne Schmutz, dafür aber mit einer Kalkschicht überzogen. Mal eben schnell mit dem Gartenschlauch über die eigene Dachanlage zu spritzen ist also keine gute Idee. Schon gar nicht an heißen Tagen. Denn dann könnten die Module einen thermischen Schock erleiden, wenn das kalte Leitungswasser auf sie niederprasselt. Auch Wasser aus der Regentonne eignet sich nicht. Da ist zwar kein Kalk drin, dafür aber Sand und Schwebeteilchen. Andere Putzmittel verwendet Präger nicht. Auch Christian Hué ist überzeugt vom sogenannten Osmosewasser: „Bisher ist alles damit runtergegangen“.
Garantiebedingungen beachten
Jeder Anlagenbesitzer sollte möglichst auf andere Reinigungsmittel verzichten, es sei denn, sie sind vom Modulhersteller freigegeben, andernfalls könnte man die Modulgarantie verlieren. So weist der Modulhersteller Sovello in seinem Betriebshandbuch darauf hin, dass die beschichtete Glasoberfläche keinesfalls mit Scheuermitteln oder Chemikalien behandelt werden darf. Stattdessen wird Wasser empfohlen, und bei hartnäckigen Verschmutzungen könne ein Mikrofasertuch und Ethanol oder ein handelsüblicher Glasreiniger Abhilfe schaffen. Und der Solarbetreiber Phoenix Solar warnt davor, dass aggressive Putzmittel zudem die Moduldichtungen und Haltegummis schädigen könnten.
Am besten ist eine Reinigung, wenn es leicht regnet, sagen die Profis. Dann ist der Schmutz schon eingeweicht, und die Module sind wegen des bedeckten Himmels nicht so stark aufgeheizt, was einen thermischen Schock verhindert. Viele empfehlen zudem eine Reinigung im Mai, damit in den einstrahlungsstarken Sommermonaten keinerlei Verluste entstehen. Ob sich der Aufwand lohnt, kommt auf die Größe der Anlage an.
„Für die private Anlage auf dem Hausdach wäre eine Reinigung unwirtschaftlich“, sagt Hemmann von der DGS. Jetzt wo die Einspeisevergütung gesunken sei, seien die Kosten zu hoch, selbst wenn der Mehrertrag bei fünf Prozent liege. Eine Fünf-Kilowatt-Anlage, die im Oktober 2010 zu den neuen Einspeisevergütungen in Betrieb geht, erzeugt bei fünf Prozent Verlust beispielsweise noch 4.750 Kilowattstunden im Jahr statt 5.000 Kilowattstunden. Bei einer Einspeisevergütung von 33,03 Euro-Cent ergibt sich ein Verlust von rund 83 Euro im Jahr. Eine Reinigung würde in diesem Fall mehr kosten, als man gewinnt.
Photovoltaikreiniger Christian Hué verweist jedoch auf Großanlagen ab 30 Kilowatt. Ab diesem Bereich fange es an, sich zu lohnen. Und je größer die Anlage sei, desto günstiger könne er auch die Reinigung anbieten. Zum Schluss ist also die Frage, ob man putzen sollte oder nicht, vor allem ein Rechenspiel. In Bad Kreuznach hat sich der Anlagenbesitzer dafür entschieden. Nach zwei Stunden ist die Reinigung der 50-Kilowatt-Anlage abgeschlossen, und Hué steigt zufrieden die Leiter hinab.