Michael Schilcher, Bad Heilbrunn: Angenommen, ein Ziegeldach wurde von einem Handwerker fertiggestellt und auch abgenommen, die Schlussrechnung gestellt und auch bezahlt. Der Bauherr beschließt nach einiger Zeit, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu montieren. Die Montage erfolgt vorbildlich auf Blechplatten durch den Elektriker, der Dachdecker weiß von allem nichts. Nach zwei bis drei Jahren sind ein oder zwei Ziegel dummerweise unter der Anlage defekt. Keiner weiß, warum – ist es bei der Montage der Anlage passiert, bei der Dacheindeckung, oder handelt es sich um eine Materialermüdung? Wer übernimmt hier die Kosten für Gerüst sowie Demontage und erneute Montage der Anlage? Und wer kommt für den Ausfall der Einnahmen des Bauherrn auf?
Dazu die Einschätzung des photovoltaik-Experten Rainer Doemen:
Für die fachgerechte Eindeckung eines Daches mit neuen Ziegeln trifft den Dachdeckerbetrieb grundsätzlich eine erfolgsbezogene Verpflichtung. Die dafür im Geschäftsverkehr üblichen Verträge sind rechtlich als Werkverträge (Paragraf 635 BGB) zu qualifizieren. Mit der Abnahme des neuen Ziegeldaches gibt der Auftraggeber – hier der Hauseigentümer und später gleichzeitig der Anlagenbetreiber – zu erkennen, dass er das hergestellte Werk, die Dacheindeckung, als vertragsmäßig anerkennt. Erstellung der Schlussrechnung und Bezahlung sind hierfür unmaßgeblich. Mit der Abnahme des Werkes (Paragraf 640 Absatz 1 BGB) beginnt die fünfjährige Gewährleistungsfrist (Paragraf 634a Absatz 1 Nr. 2 BGB). Somit haftet der Dachdecker für die mangelhafte Eindeckung des Daches. Dies ist aber nur die rein gesetzliche Regelung. Berücksichtigt werden muss immer die individuelle Vertragsgestaltung, zum Beispiel die wirksame Einbeziehung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB). Die juristische Beurteilung ist immer abhängig vom jeweiligen Einzelfall vorzunehmen.
Tipp: Als Dachdecker kann man gegebenenfalls im Vorfeld rechtlichen Rat einholen, ob im Fall der nachträglichen Montage einer Photovoltaikanlage ein Gewährleistungsausschluss mittels Vertrag oder allgemeiner Geschäftsbedingungen vereinbart werden sollte. Dies sollte ein Dachdecker aber nicht nur aus Haftungs- und finanzieller
Sicht betrachten, sondern auch aus der Sicht der Kundenbindung und -zufriedenheit. Vielleicht sollte man auch die zuständige Handwerkskammer bitten, sich mit der Problematik zu beschäftigen.
Montiert nun ein anderer Handwerker nachträglich auf dem Dach des Hauses eine Photovoltaikanlage, sollte er auch neue Ziegeldächer genau auf die Tauglichkeit der Ziegel untersuchen und gegebenenfalls schadhafte Ziegel bemängeln. Die Montage einer Photovoltaikanlage ist ebenfalls eine Werkleistung (Paragraf 635 BGB), die der zuvor dargestellten Verjährungsfrist unterliegt. Auch hierfür muss eine Abnahme erfolgen.
Tipp: Bei der Abnahme einer Photovoltaikanlage sollte auch auf die Ziegel geachtet werden, um eine vorliegende Beschädigung auszuschließen. Gerade Ziegel im Bereich der Befestigungen des Montagegestells können aufgrund von Spannungen reißen. Auch der Handwerker, der die Montage der Photovoltaikanlage ausgeführt hat, sollte sich aus den vorgenannten Gründen der Kundenbindung und -zufriedenheit Gedanken zu seinem Verhalten bei einem solchen Schaden machen.
Schadenersatz: Das Recht auf Schadenersatz umfasst nicht nur den Ziegelschaden, sondern auch alle Mangelfolgeschäden, und damit auch den entgangenen Einnahmeausfall. Sollte sich nicht beweisen lassen, wer der Verursacher des Ziegelschadens ist, wird sich der Dachdecker wohl auf die mängelfreie Abnahme des (neuen) Ziegeldaches berufen und die Verantwortlichkeit auf den nachfolgenden Handwerker schieben. In diesem Fall könnte ein Rechtsstreit nebst Beweissicherungsverfahren Klärung bringen, in welchem auch dem nachfolgenden Handwerker der Streit bekannt zu geben wäre. Maßgeblich sind dabei aber immer die Umstände des Einzelfalls, sodass eine generelle Antwort im Hinblick auf die Verantwortlichkeit nicht möglich ist.