Idealerweise hat der Strom, der durch die elektrischen Leitungen Europas fließt, eine sinusförmige Wechselspannung mit einer annähernd gleichbleibenden Frequenz von 50 Hertz. Ermöglicht wird diese Stabilität bisher durch die physikalischen Eigenschaften von Synchrongeneratoren großer Kraftwerke. Diese bringen über rotierende Masse Trägheit und damit die sogenannte Momentanreserve ins System. Etwaige Erzeugungsdefizite können sie über die gespeicherte kinetische Energie kurzfristig ausgleichen und so die Zeit überbrücken, bis weitere Schutzmaßnahmen wie die Bereitstellung von Regelreserven aktiviert werden.
So kommt es auch in kritischen Situationen, wie beispielsweise dem ungeplanten Ausfall großer Erzeugungsleistungen oder dem Zerfall des Netzes in Netzteile, dem sogenannten System Split, nicht zu flächendeckenden Stromausfällen. Im Zuge der Energiewende gehen in den nächsten Jahren verstärkt große Kern- und Kohlekraftwerke vom Netz. Ökostromanlagen sollen die Versorgung übernehmen. Ein Team der Abteilung Leistungselektronik und Netzintegration am Fraunhofer ISE. arbeitet an netzbildenden Wechselrichtern, die künftig die Netzstabilität erhalten sollen.
Wechselrichter müssen neu programmiert werden
Wechselrichter sind leistungselektronische Geräte, deren primäre Aufgabe die Umwandlung von Gleichstrom in Wechselstrom ist. Ihr elektrisches Verhalten ist nicht physikalisch definiert, sondern wird über bestimmte Algorithmen entsprechend definiert. Heutzutage sind Wechselrichter in der Regel so programmiert, dass sie eine gewünschte Leistung in ein starr angenommenes Stromnetz einspeisen, das von starken Großkraftwerken bereitgestellt wird.
Netzbildende Wechselrichter werden so programmiert, dass sie sich wie eine Spannungsquelle verhalten. Vergleichbar mit dem Verhalten von konventionellen Kraftwerken reagieren netzbildende Wechselrichter damit kurzfristig auf den Bedarf des Netzes und stellen Momentanreserven bereit. „Wichtig ist beispielsweise, dass die Geräte in Spezialfällen wie Überlastsituationen, defekten Leitungen oder System Splits reflexartig richtig reagieren und das Netz stabil halten«, sagt Roland Singer, Gruppenleiter Stromrichterbasierte Netze am ISE. Hierzu forscht das Team zusammen mit Hersteller Kaco New Energy an einer Entwicklung von Geräten und Algorithmen.
Projekt Verbundnetz Stabil zeigt Erfolge
Dass netzbildende Wechselrichter für einen großen Anteil der Anlagen, die neu ans Netz gehen, nötig werden, sei unter den Übertragungsnetzbetreibern inzwischen Konsens, erklärt Sönke Rogalla vom ISE. Im Projekt Verbundnetz Stabil sei es nun gelungen, die genauen Anforderungen an netzbildende Wechselrichter im größeren Maßstab und ganzheitlich zu betrachten, sagt Rogalla. „Unsere Untersuchungen zeigen noch einmal deutlich, dass eine Umstellung von Synchrongeneratoren auf netzbildende Wechselrichter funktioniert und auch immer dringender wird“, betont Singer. (nhp)
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