Moderne Wechselrichter und Steuerungen für Solargeneratoren nutzen die Stromnetze viel besser aus, als konventionelle Kraftwerke. Auf diese Weise sparen sie Milliarden Euro beim Umbau der Infrastruktur.
Keine sechs Monate alt, und schon Makulatur: Der Netzausbauplan der Bundesregierung sieht vor, bundesweit 2.800 Kilometer neue Stromtrassen zu bauen. Rund 1.900 Kilometer bestehender Leitungen sollen ertüchtigt werden. Die Kosten belaufen sich auf rund zehn Milliarden Euro. Makulatur ist der Plan deshalb, weil er das alte System der Netzregelung fortschreibt. Intelligente Leistungselektronik in den Wechselrichtern oder der sinnvolle Einsatz von Stromspeichern kommen darin nicht vor. Zehn Milliarden Euro werden in Projekte gesteckt, die wahrscheinlich niemand braucht.
Denn tausende dezentrale Wechselrichter in Photovoltaikanlagen und Windrotoren können weitgehend autonom agieren. Sie sind in der Lage, in der Niederspannung und in der Mittelspannung zusätzliche Netzkapazitäten frei zu machen. Große Solarparks speisen mit sehr hohen Spannungen ein, sie können sogar im Übertragungsnetz aushelfen. Netzstabilisierende Funktionen nennt man Systemdienstleistungen. Dazu gehören Blindleistung, Überbrückung von kurzzeitigen Netzausfällen sowie die Stabilisierung der Spannung und Frequenz im Netz. „Solche Systemdienstleistungen eröffnen in Europa große Möglichkeiten“, urteilt Marco Trova, Chef des technischen Vertriebs bei Power One. Der Hersteller von Wechselrichtern ist auf allen Märkten unterwegs. Mit dem Aurora Ultra bietet Power One einen Großwechselrichter mit 1,4 Megawatt Leistung an, der alle Systemdienstleistungen bereitstellen kann. „Leider werden die großen Solarparks aus der Förderung genommen“, klagt der Italiener. „Eigentlich besteht ein hoher Bedarf für Netzsteuerung durch die Wechselrichter.“
Netze entlasten durch Solarparks
Nach seiner Auffassung ist es möglich, Solarparks gezielt dort aufzubauen, wo man Kosten für teuren Netzumbau sparen möchte. „Dazu müssen wir die Netzbetreiber involvieren, beispielsweise um Blindleistung einzuspeisen“, meint er. „Auch Speicher können die Netze entlasten. Wir können durchaus berechnen, welche Kosten die Wechselrichter und Speicher verursachen, und welche Kosten sie sparen.“ Blindleistung lässt sich messen, die Einspeisung ins Netz wäre kein Problem. Viel schwieriger ist ihre Integration in den Strommarkt: „Wenn der Netzbetreiber mehr Blindleistung abfordert, könnte es nötig sein, die Wirkleistung zu reduzieren“, erläutert Trova. „Dafür braucht man einen finanziellen Ausgleich. Aber es ist schwierig, einen Preis daraus zu machen. Für Blindleistung sollte eine Kompensation eingeführt werden.“ Angesichts der enormen Kosten für den Netzumbau sollte es sich lohnen, diese Einsparungspotenziale zu nutzen. „Die Wechselrichter können etwa Blindleistung bereitstellen, auch nachts, wenn keine Sonne scheint“, bestätigt Peter Bruhns, Produktmanager für die großen Solarwechselrichter, die AEG Power Systems anbietet. „Das ist mittlerweile technischer Standard, keine Vision mehr.“
Ideen für neue Geräte
Nach Auffassung von Torsten Schlaaf werden die technischen Möglichkeiten zur Steuerung der Solarkraftwerke längst nicht ausgenutzt. Schlaaf ist Experte für Netze und Steuerungen bei Skytron Energy in Berlin. „Die Betreiber der Netze und der Anlagen suchen verstärkt nach solchen Möglichkeiten“, bestätigt er. „Beispielsweise, indem sie eine Drosselspule als statische Kompensationsanlage einbauen, die sie bei Bedarf zu- oder abschalten.“ Dadurch werden die Wechselrichter bei der Bereitstellung von Blindleistung unterstützt. Ist es der Wechselrichter, der die Blindleistung einspeist, reduzieren sich die Wirkleistung und die Einspeisevergütung. „Mit statischen oder dynamischen Kompensationsanlagen geht das einfach und ohne Verluste in der Wirkleistung“, empfiehlt Schlaaf. „Der Kraftwerksregler kann dies automatisch steuern.“
Die Regelungstechnik ist mittlerweile so intelligent, dass die Kraftwerksregler neben Solarparks auch Windparks mit ansteuern können. Dann wirken beide Generatoren am Netzverknüpfungspunkt wie ein einheitliches Kraftwerk. Auch Torsten Schlaaf sieht die Probleme weniger in der Technik, sondern in den Spielregeln des EEG: „Aktuell wird nur die eingespeiste Wirkleistung vergütet. Wenn wir die Dienstleistungen der Wechselrichter und Kraftwerkssteuerungen für die Netzstabilität vergüten würden, könnten wir beim Leitungsausbau viel Geld sparen.“ (Heiko Schwarzburger)
Den vollständigen Report lesen Sie im Dezemberheft der Fachzeitschrift photovoltaik, die am 5. Dezember 2013 erscheint.