Die gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV) fristet seit Jahren ein Nischendasein im Verhältnis zu den mit Standardmodulen gebauten Photovoltaikanlagen. Es gibt keine Übersicht, wie viele der über eine Million in Deutschland installierten Solaranlagen als BIPV zu charakterisieren sind.
Es dürfte sich aber um eine Zahl im untersten Promillebereich handeln: Ein Kataster der BIPV-Anlagen existiert nicht. Tendenziell stellt sich unserer subjektiven Marktbeobachtung nach die Zahl der realisierten BIPV-Projekte pro Jahr speziell in Deutschland als stark rückläufig dar.
Im Gegensatz zu den 2000er-Jahren hat sich sowohl die Anzahl der Anfragen als auch die der verwirklichten Projekte in den 2010er-Jahren deutlich verringert.
Ökoschmuck für die Fassade
Ein wichtiger Grund scheint dabei zu sein, dass nun der Reiz des Neuen bei der BIPV – insbesondere für die Architekten – verschwunden ist. Es sind bereits so viele Projekte gebaut worden, dass sich eine ästhetische Neuschöpfung nur schwer verwirklichen lässt.
Viele dieser Projekte wurden als architektonische Highlights entworfen, bei denen die optische Erscheinung einer Solarfassade in den Vordergrund gestellt wurde, um ein umweltbewusstes Ausrufezeichen zu setzen. Der Betrieb der Anlage oder die über die Stromerzeugung verwirklichten Einnahmen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Teilweise werden die Anlagen nicht gewartet und bei Ausfall der Wechselrichter sogar stillgelegt. BIPV als reiner Fassadenschmuck!
Ein Opfer der Kostenschere
Daneben lassen auch die Baukosten vielerorts eine individuelle Lösung mit Solarmodulen nicht zu. BIPV wird – wenn überhaupt – als Option geplant und fällt dann schnell in der Vorphase des Projektes der Kostenschere zum Opfer.
Die wenigen verwirklichten Projekte deuten darauf hin, dass Unternehmer oder auch die öffentliche Hand aufgrund von persönlichen Interessen Einzelner die Verwirklichung des Gebäudes mit BIPV forcieren. Große Bauträger, die Objekte für Investoren verwirklichen, die dann an Unternehmen vermietet werden, sind an kostentreibenden Maßnahmen wie BIPV nicht interessiert.
BIPV-Projekte kosteten je nach Ausführung ein Vielfaches einer leistungsmäßig vergleichbaren Anlage mit Standardmodulen und erwiesen sich in einer Kosten-Nutzen-Rechnung auf Basis der Einspeisevergütung nach EEG kalkulatorisch als Verlustbringer.
Dabei wurden und werden die glasspezifischen Zusatznutzen für die Gebäudehülle wie Klimaschutz, Verschattung oder Sicherheit gar nicht oder nur in geringem Umfang in die Kostenbetrachtung einbezogen. Bei größeren Anlagen ist eine Amortisation des Mehraufwandes für BIPV – bei Zugrundelegung des Eigenverbrauches – in 15 Jahren durchaus als realistisch anzusehen.
Individuell gestaltete Module
Wir betrachten hier die BIPV im engeren Sinne, bei der für jedes Gebäude beziehungsweise bei jedem Projekt individuell gestaltete Module zum Einsatz kommen. Daneben gibt es auch den Markt der Standard-BIPV-Produkte wie Solardachziegel, integrierte In-Roof-Systeme, Leichtbausysteme oder Glas-Glas-Standardmodule für die Überkopfmontage.
Gerade in diesem Sektor wird aber noch schärfer auf die Kosten geschaut, da hier der Wettbewerb mit Standard-Solaranlagen sehr viel augenscheinlicher wird. Die Kostendifferenz zwischen der BIPV-Lösung und dem Ansatz „Dachhaut oder Ziegel mit Standard-PV-Modulen“ kann schnell den Faktor 5 erreichen.
Keines der hier betrachteten Systeme kommt – wenn überhaupt – auf Produktionsmengen von mehr als einem Megawatt pro Jahr. Auch dieser Bereich ist nur als Nische zu betrachten. Hier und da finden sich Liebhaber, die den notwendigen Mehrpreis zu zahlen bereit sind. Das belegen die verschiedenen Auszeichnungen für solche Projekte.
Ein Hoffnungsschimmer für die BIPV scheint für die Zukunft die Anwendung der EnEV 2021 zu sein, nach der alle in Europa neu errichteten Gebäude im Büro- oder Verwaltungsbereich einen 100-prozentigen energetischen Autarkiegrad nachweisen müssen. Neben den Dächern bieten sich bei großen Verwaltungs- und Wohngebäuden die Fassaden als Energieproduzenten an.
Als Beispiel für ein Nullenergiegebäude stellen wir das neue Technische Rathaus in Freiburg an der Fehrenbachallee vor.
Es handelt sich um ein energieautarkes Gebäude, bei dem die Photovoltaik einen erheblichen Beitrag zur Gesamtenergiebilanz beitragen soll. Geheizt und gekühlt wird mit Grundwasser in Kombination mit einer Wärmepumpe.
Um den Null- beziehungsweise Plusenergiestandard zu erreichen, wurden auf dem Dach sowie in der Fassade Photovoltaikanlagen integriert. Mit ihrer Stromproduktion erzeugen sie mehr Energie über das gesamte Jahr, als das Gebäude primärenergetisch benötigt – und dies bei vom Auftraggeber als wirtschaftlich erachteten Amortisationszeiten.
Verschattung der Büros
Das Gebäudedach erhielt eine Solaranlage (rund 500 Kilowatt) mit Standardmodulen, wobei zur Flächenausnutzung Module mit einer Effizienz von mehr als 20 Prozent verbaut wurden. Bei den von A2-Solar gebauten Fassadenmodulen mussten Abstriche gemacht werden. Hier konnten die Kriterien für Standardmodule keine Anwendung finden.
Sowohl aus statischen als auch aus ästhetischen Gründen wurden die Elemente als Glas-Glas-Module festgelegt. Die von A2-Solar mit konzipierten, 3,5 Meter langen und 0,7 Meter breiten Module dienen zudem als Verschattungselemente für die Büroräume.
Die Module sind fest in Stahlrahmen montiert und können nicht der Sonne nachgeführt werden. Eine entsprechende Lösung mit Nachstellmotoren wäre wirtschaftlich nicht darstellbar gewesen. Die Mehrkosten für diese Investition hätten sich über den möglichen Mehrertrag an Strom nicht gerechnet. Die Befestigung der Rahmenelemente wird durch an die Fassade montierte Stahlschwerter ermöglicht.
880 Glas-Glas-Module
Die Module werden auf dem ringförmigen Gebäudekörper in einer Ausrichtung von Nordost über Süd bis Nordwest platziert, wobei jeweils fünf Module in gleicher Ausrichtung in Geschosshöhe übereinanderstehen.
Der Fassaden-Anlagenteil umfasst insgesamt 880 Glas-Glas-Module mit einer Gesamtleistung von 215,6 Kilowatt. Weitere 100 Elemente an der Nordfassade wurden vom Fassadenbauer HW Würfel als reine Holzplattenelemente ausgeführt.
In den Rahmen mit den Solarmodulen wurde als Rückseite eine Holzplatte verbaut. Bedingt durch einen Abstand der Solarzellen von sieben Millimetern und den aus Verschattungsgründen nicht belegten oberen Modulteil findet sich das Holzdesign nicht nur nach innen hin zu den Büroräumen wieder, sondern auch – durch die transparenten Glas-Glas-Module hindurch – in der Außenansicht.
Simulation der Einstrahlung
So wurde vom Architekturbüro Ingenhoven ein Konzept verwirklicht, um einen natürlichen Baustoff wie Holz auch in einer Stahl-Glas-Alu-Fassade zur Geltung kommen zu lassen
Im Vorfeld der Entwicklung wurde durch das Planungsbüro DS-Plan Stuttgart eine Strahlungssimulation für das Gebäude durchgeführt. Unter Berücksichtigung der umliegenden Gebäude und des Baumbestandes ergeben sich für die verschiedenen Stockwerke und die jeweiligen Ausrichtungen der Fassadensegmente unterschiedliche Einstrahlungswerte. Die Simulation der Einstrahlung für das Gebäude hat ergeben, dass die horizontale Stringverschaltung, die bei Fassadenanlagen sonst üblich ist, einen Ertragsverlust von bis zu 50 Prozent verursachen kann. Ebenfalls kann keine Verschaltung der Elemente in senkrechter Richtung über die untereinanderstehenden Elemente erfolgen.
Sowohl durch die Baumbeschattung als auch durch im Tagesverlauf unterschiedliche Einstrahlungswerte auf die Module (sogenannte Horizontlinie) konnte diese Lösung für eine Verschaltung nicht verwirklicht werden.
Das Prinzip der Stringverschaltung geht davon aus, dass das Element mit der schwächsten Einstrahlung die Leistung für den String vorgibt, also alle anderen Module auf dieses niedrige Ertragsniveau heruntergezogen werden. Deshalb sind Solarmodule nur dann zu einem String verschaltet, wenn gleiche Ausrichtung und Verschattung gewährleistet ist.
Aus diesem Grund wurde jedes Modul mit einem Leistungsoptimierer ausgerüstet, um der jeweiligen Ausrichtung zum Sonnenstand hin gerecht zu werden und die jeweilige Position in der Gebäudehöhe zu berücksichtigen. Jedes Modul liefert individuell den zum jeweiligen Zeitpunkt maximal möglichen Energieertrag. Durch diese Maßnahme lassen sich die simulierten Werte für den Energieertrag auch in der Realität verwirklichen.
Mehr Farbe im Spiel
Allerdings wird dieses Gebäude eigentlich nicht einem KfW-Standard gerecht. Dieser verlangt, dass nur der selbst im Monatsrhythmus erzeugte und gleichzeitig im Gebäude verbrauchte Stromanteil gegengerechnet wird. Überschüsse im Sommer können nicht mit dem erhöhten Bedarf im Winter (bei gleichzeitig niedrigeren Solarerträgen) verrechnet werden. Hier müsste der Gesetzgeber in Zukunft eine praxisgerechte Lösung einführen, um 100 Prozent der Energieerträge durch Photovoltaik beziehungsweise BIPV in Anrechnung zu bringen.
Eine Tendenz der letzten Jahre scheint darin zu bestehen, dass die Solarzellen möglichst nicht als solche erkannt werden sollen. Bis 2010 wurden Projekte häufig mit polykristallinen Zellen – auch in verschiedenen Farben – realisiert. In den letzten Jahren scheinen mehr die dunklen Töne der monokristallinen Zellen zu dominieren.
Es geht teilweise sogar so weit, dass sowohl Zell- als auch Querverbinder nicht mehr sichtbar sein sollen. Denn die glänzende Reflexion wird als störend empfunden. Aus diesem Grund werden die Verbinder abgedeckt, unter anderem mit einem Siebdruck auf Seite 2 der Glasscheibe, durch eingelegte Tedlar-Streifen oder direkt beschichtete Kupferbänder.
Daneben finden auch verschiedene Produkte der Glasindustrie Anwendung. Die Farbbeschichtung der Firma Kromatix verspricht eine nur rund zehnprozentige Ertragseinbuße im Vergleich zu transparentem Glas.
Aufgebracht mit Digitalprint
Farben und Muster lassen sich auch durch Digitalprint-Verfahren auftragen. Nur 20 bis 30 Prozent der Oberfläche sind mit kleinen Farbpunkten belegt. Dennoch lässt sich aus einem Abstand heraus betrachtet eine homogene Wahrnehmung des BIPV-Elementes als Fassadenplatte verwirklichen.
Allerdings erhöhen diese Verfahren den Modulpreis signifikant. Die Mehrkosten liegen zwischen 50 und 100 Euro pro Quadratmeter bei einem gleichzeitigen Minderertrag von 20 bis 30 Prozent.
Überlegungen, für Fassaden eine Art „Standard-BIPV-Modul“ zu konzipieren, scheitern zurzeit an den Gegebenheiten des Fassadenbaus. Alle in diesem Bereich verwendeten Materialien wie Glas, Faserplatten, Bleche, Steinplatten oder Verbundsysteme lassen sich zu günstigen Kosten individuell in jeder Abmessung herstellen. Der Planer kann hier mit Quadratmeterpreisen rechnen.
Bei den Glas-Glas-Elementen mit BIPV muss für jedes Gebäude ein Individualmodul gefunden werden, das in das vorgegebene Rastermaß passt. Je nach Ausführung kommen mehrere Varianten in den Abmessungen zum Einsatz, wodurch sich die Fertigung nur in einer Manufaktur durchführen lässt.
E-Mobilität, Terrassen und Balkone
Auch in der E-Mobilität lassen sich BIPV-Anwendungen finden. So hat die Firma Porsche ein eigenes Design für Carports entwickelt, die in Zukunft bei den Vertragshändlern aufgebaut werden. Die Module kommen von A2-Solar. Im Jahr 2016 wurde bereits der Solar-Pylon am neuen Autohaus in Berlin mit Modulen von A2-Solar errichtet.
Viele Autohersteller werden in den kommenden Jahren die E-Mobilität mit Photovoltaik verbinden. Als signifikante Möglichkeit zur Corporate Identity bieten sich individuelle Designs bei Autohäusern und Carports geradezu an. Eine weitere Anwendung der BIPV findet sich bei den Überdachungen von Terrassen und an Balkonen.
Wachsende Beliebtheit
Diese Kleinanlagen wurden im Laufe der letzten Jahre bei Privatleuten immer beliebter. Hier gehen Transparenz, Verschattung und Stromproduktion eine Symbiose ein. Vor allem bei Renovierungen lassen sich die Hauseigentümer gerne auf eine individuelle BIPV-Lösung ein, als Ergänzung zur bereits auf dem Dach vorhandenen Photovoltaikanlage.
Zusammenfassend kann man sagen: Bei bisherigen Projekten der BIPV stand vor allem der ästhetische Aspekt im Vordergrund. Die Stromerträge wurden als ein nützlicher Zusatzeffekt betrachtet, standen aber seitens der Architekten und Planer nicht im Fokus der Projektumsetzung.
Beim NVZ in Freiburg wurde aufgrund der Anforderung zum Nullenergiehaus die Fassadenanlage schon in der Konzeptionsphase in Zusammenarbeit mit A2-Solar berücksichtigt. Hierdurch wurde ein reibungsloser Projektablauf gewährleistet. Sowohl die Energieerzeugung als auch die ästhetischen Ansprüche des Architekten fanden Berücksichtigung.
Diese Ansprüche werden verstärkt durch die Möglichkeit, farbige BIPV-Module herzustellen. Zum heutigen Zeitpunkt können sie beim Energieertrag und bei der Kostensituation noch keinen Mehrwert für das Gebäude liefern. Kleinere Anwendungen im Privatbereich finden immer mehr Zuspruch. In der Zukunft müssen Architekten, Planer und Metallbauer die verschiedenen Aspekte beim Einsatz von Photovoltaik in der Gebäudehülle zu einem sehr frühen Zeitpunkt berücksichtigen.
Das Kriterium der Energieeffizienz wird sich als Handlungsfaden für alle Gebäude wiederfinden. Dann werden vermehrt BIPV-Elemente – aufgrund des Bedarfes auch in Standardausführungen – in der Fassade zum Einsatz kommen.
Der Autor
Torsten Röder
ist Vertriebsleiter für BIPV-Produkte bei A2-Solar in Erfurt. Nach dem Studium des Maschinenbaus in Aachen war er bei Saint-Gobain, Interpane, Schüco und Energiebau tätig.
A2-Solar/Porsche
Solares Structural Glazing entwickelt
Seit Neuestem überragt ein Solar-Pylon die neue Niederlassung der Porsche AG in Berlin. Mit einer Gesamtoberfläche von rund 270 Quadratmetern auf 25 Metern Höhe erzeugt der Pylon unter idealen Bedingungen bis zu 30.000 Kilowattstunden Solarstrom pro Jahr.
Die 172 Glas-Glas-Solarmodule von A2-Solar wurden mit der Structural-Glazing-Technologie an einer Stahlsäule befestigt. Die Doppelglasmodule wurden rahmenlos konzipiert, zwei Gläser mit je sechs Millimetern Stärke. Die spezielle Anschlusstechnik auf der Rückseite entstand in enger Zusammenarbeit mit Porsche, dem Architektenbüro CIP Architekten Ingenieure und dem Fassadenbauer Glas Wagener.
Mit eigens dafür entwickelten Halteprofilen auf der Rückseite der Module zur Befestigung an der Tragekonstruktion sind die Solarmodule nur durch dünne Fugen voneinander getrennt. So bietet sich dem Betrachter eine homogene Glasfläche ohne ästhetisch störende Halteprofile – eine gelungene Synthese aus Design und Funktion.