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Tatort Baunatal

Funktionalität, Ästhetik und Energieeffizienz, diese drei Eigenschaften waren die Vorgabe für das neue Polizeirevier im hessischen Baunatal. Das Architektenbüro AMB Architektur in Kassel hat die Aufgabe gelöst. Zunächst setzten die Architekten auf eine sachliche Formensprache. Das kubische Gebäude hat einen hohen Wiedererkennungswert. Die Gebäudeform besteht aus zwei Riegeln. Der Längsriegel markiert eine Ost-West-Achse und misst 52 Meter in der Länge und 12,5 Meter in der Breite. Er wird von einem zwölf Meter breiten und 34 Meter langen Querriegel durchstoßen.

Dabei bilden die Gebäuderiegel einen Winkel, der sich zum Hof öffnet. Von hier betreten die Beamten und die Besucher das Grundstück und erreichen den Haupteingang des Polizeireviers. Mit der klaren Sachlichkeit erfüllten die Architekten schon einmal die Vorgaben, die für solche Verwaltungsgebäude allerorts gelten: Sie sollen durch und durch funktional sein. Doch die Architekten haben auch die Kür geschafft und ein innovatives Energiekonzept umgesetzt. Der von der OFB Projektentwicklung, einem Tochterunternehmen der Landesbank Hessen-Thuringen, als Generalubernehmer realisierte und von den Planern des Büros AMB Architektur entworfene Neubau erfüllt nicht nur die geforderten hohen Sicherheitsstandards und ermöglicht optimale Prozess- und Betriebsabläufe. Er setzt vielmehr auch durch seine architektonische Präsenz, durch räumliche Qualitäten und vor allem durch eine überzeugende Energieeffizienz eigene Maßstäbe.

Innovatives Energiekonzept

Doch statt sich für das Energiekonzept nur auf die passive Dämmung der Gebäudehülle zu beschränken, haben die Projektpartner die Fassade aktiv in die Energieerzeugung einbezogen. Sie ist die Basis des gesamten Energiekonzepts.

Die Unterkonstruktion für die Fassadensolaranlage lieferte Lithodecor aus Netzschkau im sächsischen Vogtland, eine Tochter der DAW SE. Das Unternehmen hat die Anlage mit einer vorgehängten hinterlüfteten Fassadenkonstruktion realisiert. „Diese hat den Vorteil, dass der Luftstrom hinter den Modulen die Wärme abtransportiert und damit die Module nicht stark aufheizen und an Leistung verlieren“, erklärt Kai Brandau, Produktmanager von Lithodecor. „Bei anderen Konstruktionen wie Pfosten-Riegel-Aufbauten muss man sich gesondert Gedanken um die Belüftung der Module machen. Gerade bei Warmfassaden ist der Wärmestau hinter den Paneelen kein einfaches Problem.“

Die Form der Unterkonstruktion hat noch einen weiteren Vorteil: Sie lässt genügend Platz für die Verkabelung der Module und die Anbindung an die Wechselrichter.

Die Fassadenbauer von Dallwig, einem Metallbauunternehmen in Kassel, haben die gesamte Fassade des Gebäudes mit der Unterkonstruktion eingekleidet. Dazu haben sie zunächst die senkrechten Aluminiumwinkel direkt auf die Fassade geschraubt. Zwischen den Winkeln und der Fassade liegt noch ein sogenannter Thermostopp. Das ist eine Dichtung, die dafür sorgt, dass zwischen Fassade und Montagesystem keine Wärmebrücken entstehen, über die Wärme aus dem Gebäude in die Außenhaut und damit ins Freie übertragen wird.

Über die Wandwinkel aus Aluminium steckt der Installateur die Dämmung und befestigt sie mit einem Dämmstoffhalter an der Fassade. Jetzt schaut nur noch ein kleiner Teil des Winkels hinter der Dämmplatte hervor. Dieser Teil ist mit Bohrlöchern versehen, an die die senkrechten Tragprofile angeschraubt werden. Der Monteur muss sie mit Fest- und Gleitpunktausbildung montieren, damit sie thermische Spannungen aufnehmen können.

Von unten nach oben montiert

Auf die senkrechten Tragprofile schraubt der Installateur dann die Traversen. Das sind A-Profile aus Aluminium, auf denen die Photovoltaikmodule stehen. Um Winddruck abzulasten, klemmt der Monteur zunächst Glasanlageprofile auf die obere und untere Schiene der Traverse. Die Profile spannen später das Modul fest in die Klammern ein, die der Monteur als Nächstes auf die Traverse schraubt.

Dabei geht er von unten nach oben vor. Zunächst schraubt er an die unterste Traverse eine Startklammer. In diese stellt er das unterste Modul hinein und klappt es an. Danach schiebt er auf die obere Kante des Moduls eine Mittelklammer und schraubt sie an der nächsthöheren Traverse fest. Nun kann er in die obere Aufnahme der Mittelklammer das nächste Modul einsetzen. So geht er weiter vor, bis er das obere Ende der Fassade erreicht hat. Dort befestigt er das letzte Modul mit einer Endklammer und schraubt sie an der obersten Traverse fest.

Das Airtec-Glassic-System von Lithodecor kann sowohl für normale Einscheiben- und Verbundscheibensicherheitsgläser in der Fassade als auch für Photovoltaikfassaden verwendet werden. Der einzige Unterschied ist, dass der Monteur noch einen Kabelkorb installieren muss, bevor er die Traversen installiert. Außerdem muss er vorher die Stringverkabelung für die Module im Kabelkorb verlegen. Diese kann er dann an jedes Modul anschließen, bevor er die obere Klammer einsetzt und sie an der Traverse festschraubt.

Flexible Unterkonstruktion

Vorteil dieses Aufbaus: Die Unterkonstruktion ist flexibel, was die Größe der Glasscheiben oder der Module betrifft. „Da haben wir nur Grenzen aus statischer Sicht“, erklärt Kai Brandau von Lithodecor. „Letztlich ist das System so ausgelegt, dass man Module mit einer Fläche von bis zu 4,5 Quadratmetern einsetzen kann. Unabhängig davon, dass die Laminatoren bei den Modulherstellern maximal drei Meter aufnehmen können.“

Doch kann der Monteur problemlos verschieden große Module nebeneinander auf die Unterkonstruktion installieren. Diesen Vorteil haben die Architekten ausgenutzt. Sie haben Module in drei verschiedenen Größen an der Fassade eingesetzt.

Um keinen großen, schwarzen Block zu erschaffen, wurden allerdings nicht alle Teile der Fassade mit Solarmodulen belegt. „Wir haben für einen Teil des Gebäudes normales Einscheibensicherheitsglas verwendet und für den anderen Teil Photovoltaikmodule, die im Prinzip nichts anderes sind als Verbundsicherheitsglas“, erklärt Brandau. „Zwar sind Solarmodule noch nicht als allgemein zugelassenes Bauelement definiert, aber wir haben die erforderlichen statischen Nachweise erbracht, um sie an der Fassade verwenden zu können. Dies ist auch die Schwachstelle im Baurecht und eine riesige Hürde für die Fassadenintegration von Solarmodulen.“

Mehrere Funktionen gleichzeitig

Der Blickfang des Gebäudes ist aber der Querriegel mit seiner Fassade aus Dünnschichtmodulen. Die leicht reflektierende, typisch dunkelblau bis schwarz schimmernde Oberfläche der CIGS-Paneele prägt die elegante Optik des Ost-Süd-West-Flügels. „So erfüllt die Fassade mehrere Funktionen gleichzeitig“, betont Kai Brandau. „Sie bietet eine sehr gute Wärmedämmung und erzeugt nebenbei solare Energie. Durch diese Kombination schafft das Gebäude Werte auf Passivhausniveau.“

Insgesamt erreicht es eine positive Gesamtenergiebilanz. Der Energieverbrauch liegt rund 60 Prozent unter den Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009.

Dünnschicht für die Optik

Die Entscheidung für Dünnschichtmodule wurde aber nicht allein aufgrund der Optik getroffen. Vielmehr bieten diese Module gerade in der Fassade einige entscheidende Vorteile gegenüber kristallinen Siliziumpaneelen.

Denn sind sie weniger abhängig von der Außentemperatur und verlieren weniger an Leistung, wenn die Sonne auf die Fassade scheint. Damit haben die Planer auch weniger Probleme, gegen den Hitzestau hinter den Modulen anzukämpfen.

Nicht optimal ausgerichtet

Ein weiterer Vorteil der Dünnschichtmodule ist ihr Schwachlichtverhalten. Denn die Fassadenanlagen sind niemals optimal gegen die Sonne ausgerichtet. Sie müssen immer mit einem weniger vorteilhaften Einstrahlungswinkel auskommen. Deshalb müssen sie mit diffusem Licht umgehen. Das können Dünnschichtmodule besser als die kristallinen Paneele.

Trotz des guten Schwachlichtverhaltens von Dünnschichtmodulen mussten die Planer dennoch auf die Wirtschaftlichkeit des Generators achten. Dies führte zu der Entscheidung, den Giebel auf der Nordseite des Gebäudes mit Einscheibensicherheitsglas zu belegen.

Um die Optik konsequent umzusetzen, entschieden sich die Architekten für schwarz beschichtete Scheiben, die einen scharfen Kontrast zu den weißen Scheiben auf der Nordseite des Längsflügels bilden.

Durch die energieaktiven Komponenten und Photovoltaikelemente der Fassade und ihre Belegung sowohl in Sudausrichtung als auch in Ost-West-Ausrichtung erzeugt das Gebäude jährlich etwa 16.000 Kilowattstunden Strom.

Die dreiseitige Belegung ermöglicht die ganztägige Energiegewinnung. Der Strom wird fast vollständig im Gebäude verbraucht. „Schließlich laufen den ganzen Tag über Computer, und die Flurbeleuchtung ist ständig eingeschaltet“, erklärt Brandau. „Ich gehe davon aus, dass wir teilweise nahezu 100 Prozent Eigenverbrauch schaffen.“ Sollte doch Solarstrom übrig bleiben, wird er ins städtische Versorgungsnetz eingespeist.

Die Errichtung von Photovoltaikfassaden ist aber kein Kinderspiel. Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen. So hat es immerhin gut ein Jahr von der Planung bis zur Fertigstellung der Fassade gedauert.

Administrative Hürden

Die größte Hürde sind dabei die administrativen Vorgaben. „Bis das System baurechtlich abgestimmt ist, dauert es eine Weile“, weiß Kai Brandau. „Wir haben das Problem, dass wir erst einmal die Module der Hersteller definieren müssen, die wir verwenden wollen. Die sind ja abweichend von der Containerware, die man auf dem freien Markt bekommt.“

Die Glasstärken sind andere, teilweise wurden andere Folien verwendet, die Randausbildung unterscheidet sich vom Standardmodul, die Anschlussdosen teilweise auch.

In gut zwei Monaten aufgebaut

Für die Anwendung in der gebäudeintegrierten Photovoltaik ist ein anderes Modul zu entwickeln. Es muss definiert und baurechtlich abgestimmt sein. „Dies ist ein langfristiger Prozess, der bis zu zwei Jahre dauern kann“, wie Brandau anfügt. „Wenn das alles geklärt ist, geht die Realisierung von Projekten relativ schnell.“

Für das Polizeirevier in Baunatal haben die Monteure und Solarteure zweieinhalb Monate gebraucht, bis sie die das Gebäude komplett eingekleidet hatten, inklusive Verkabelung.

www.lithodecor.de

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