Weniger Netzausbau ist möglich. Die Digitalisierung bietet laut Tennet-Chef Lex Hartman die Möglichkeit, Stromnetze besser auszunutzen. Bei künftigen Netzplanungen müsse dieses Potenzial unbedingt mitgedacht werden, um Netzkilometer einzusparen.
Die neue Konzernchefin von Tennet, Manon van Beek, betonte, dass die zweite Phase der Energiewende, die Integration von 80 Prozent Ökostrom oder mehr nur dann erfolgreich sein wird, wenn die Lösungen sektorübergreifend gedacht werden. „Das bedeutet zum Beispiel, nicht mehr nur in Transportbedarfen und Netzen zu denken, sondern auch technische Innovationen, Digitalisierung sowie Flexibilität und die Kopplung der Sektoren in den Blick zu nehmen“, sagt van Beek. Bei einem Event auf dem Euref-Campus in Berlin gab Tennet Einblicke in aktuelle Pilotprojekte, unter anderem zu digital-smarter Netzführung. Der Übertragungsnetzbetreiber stellte zudem Details zu technischen Überlegungen zur Vision des Windenergie-Verteilkreuzes in der Nordsee vor.
Tennet beteiligt sich laut Geschäftsführer Lex Hartman aktiv an der Entwicklung von neuen Lösungsansätzen in der ganzen Bandbreite: von E-Autos, Blockchain-Speichern und grünen Power-to-Gas-Projekten sowie breiter akzeptierten Erdkabeltechnologien beim Netzausbau in Pilotprojekten. „Die Digitalisierung im Stromnetz wird kommen“, weiß auch Lex Hartman. Es gelte künftig die Möglichkeiten dieser Innovationen zu nutzen. Mit neuen digitalen Technologien lassen sich dieselben Netze mit einer zusätzlichen Kapazität von 30 Prozent oder mehr nutzen. Fazit: Neue Ansätze für den Netzausbauplan bedeuten perspektivisch weniger Netze, aber gleichzeitig mehr Versorgungs- und längere Planungssicherheit. Zudem müsse auf die Kosteneffizienz und gesellschaftliche Akzeptanz geachtet werden.
„Was wir heute planen, steht erst in zehn Jahren“
Es müsse eine Möglichkeit geben, künftig die Innovationen mit in der Netzplanung einzubeziehen. Das gilt gerade für die Netzplanung ab 2030, die im Prinzip in den nächsten Jahren beginnen muss. „Was wir heute planen, steht erst in zehn Jahren und bleibt dann weitere 40 Jahre in Betrieb.“ Als Vorschlag brachte Hartman auch Hybride-Ausschreibungen ins Spiel, wie sie schon in Frankreich durchgeführt wurden. Teilnehmer müssten dann Erzeugungsleistungen und Speicherkapazitäten zusammen anbieten. Die derzeitige Netzregulierung sei noch zu sehr auf die Kapitalkosten fokussiert.
Auch die Elektromobilität könnte das Netz künftig entlasten. Im Rahmen eines Pilotprojektbetriebs werden Batterien in Elektroautos, sowohl Strom speichern als auch wieder ins Stromnetz einspeisen können, um diesen für den sogenannten Redispatch einzusetzen. Damit kann das Stromnetz entlastet und perspektivisch ein Beitrag geleistet werden, der Abregelungen von Ökostromanlagen begrenzt. (Niels H. Petersen)
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