Frankreich will umweltschonende Mobilitätsformen entwickeln. 2,4 Millionen private Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge sollen demnach bis 2023 auf Frankreichs Straßen fahren, bis 2030 sollen es 4,4 Millionen werden. Auf den heutigen Fahrzeugbestand bezogen, würde dies 14 Prozent ausmachen. Gleichzeitig sollen sieben Millionen öffentliche und private Ladepunkte errichtet werden.
Um diese Ziele zu erreichen, verfolgt die französische Regierung zwei komplementäre Ansätze. Zum einen gibt es das ökologische Bonus-Malus-System: Es begünstigt den Kauf von Elektrofahrzeugen mit bis zu 6.000 Euro. Neue CO2-intensive Fahrzeuge werden hingegen zusätzlich mit bis zu 10.000 Euro versteuert.
Höhere Steuern auf Diesel und Benzin
Zum anderen wird der Ersatz von alten Fahrzeugen durch umweltfreundlichere Fahrzeuge gefördert. Auch die Benzin- und Dieselsteuer sollen jedes Jahr um drei beziehungsweise fünf Cent erhöht werden. Auf europäischer Ebene möchte Frankreich eine ambitionierte neue Abgasnorm für Fahrzeuge vorschlagen sowie den Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bis 2040 einstellen.
Der Aufbau der Ladeinfrastruktur steht ebenfalls auf dem Plan. Ein Investitionsprogramm soll einen Teil der Investitionskosten für Ladesäulen finanzieren. 2016 wurden bereits Förderungen für 20.000 öffentliche Ladesäulen gewährt. Zusätzlich wurden drei nationale Betreiber (Bolloré, CNR und Sodetrel) ausgewählt, um nationale und überregionale Infrastrukturprojekte zu errichten. Als solche können sie von bestimmten lokalen Gebühren befreit werden.
Nicht nur die Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum ist entscheidend, denn Elektrofahrzeuge werden meistens am Wohnsitz oder während der Arbeit geladen. Aus diesem Grund können in Frankreich Ladepunkte bei Privatpersonen und kleinen Unternehmen durch Energieversorger gefördert werden.
Gebäude vorrüsten für Elektroautos
Alle Energieversorger sind dazu verpflichtet, Energieeinsparmaßnahmen bei ihren Kunden zu unterstützen.
EDF, Bolloré Energy sowie mehrere Supermarktketten wie E-Leclerc, Les Mousquetaires und Intermarché, die gleichzeitig auch Kraftstoff verkaufen, haben aus diesem Grund ein Förderprogramm für Ladepunkte ins Leben gerufen.
Bei Neubauten soll bereits bei der Gebäudeplanung an die Elektromobilität gedacht werden. Letztlich müssen alle Neubauten zwischen zehn und 75 Prozent ihrer Stellplätze je nach Kapazität für Elektrofahrzeuge vorrüsten, zum Beispiel durch das Verlegen von Leerrohren. So können die Versorgungskabel für zukünftige Ladesäulen problemlos zum Fahrzeugstellplatz gezogen werden.
Weitere Akteure beteiligen sich am Ausbau des Ladesäulennetzes, beispielsweise Automobilhersteller wie Renault, Nissan oder Tesla. Mit den Investitionen soll der eigene Marktanteil ausgebaut werden; der Infrastruktur kommen diese Anstrengungen zugute.
Andere Unternehmen stellen Ladesäulen zur Verfügung, um für ihre Kunden attraktiver zu werden. Hierzu gehören beispielsweise Akteure aus dem Hotelgewerbe ebenso wie Parkplatzbetreiber und große Einzelhandelsketten.
Schluss mit Diesel in Paris bis 2024
Auch Städte wollen sich für saubere Mobilität einsetzen. Beispielsweise will Paris bis 2050 eine klimaneutrale Stadt werden. Dies bedeutet konkret das Ende für Fahrzeuge mit Dieselmotoren bis 2024 und Benziner bis 2030.
Um den Umstieg zu erleichtern, fördert Paris Carsharing, die Installation von Ladestationen an Mehrfamilienhäusern und den Kauf von Elektrofahrzeugen für Geschäftsleute.
Darüber hinaus sind Städte sowie andere Gebietskörperschaften seit Kurzem beim Neukauf von Fahrzeugen für ihre Fuhrparks dazu verpflichtet, mindestens 20 Prozent Elektrofahrzeuge oder umweltschonende Fahrzeuge anzuschaffen.
Große Dynamik in Ballungszentren
Der Bestand von Elektrofahrzeugen und öffentlichen Ladepunkten steigt jedes Jahr. Vor allem in bevölkerungsreichen Regionen werden öffentliche Ladepunkte errichtet und Elektrofahrzeuge neu zugelassen.
Laut dem französischen Verein für Elektromobilität, Avere, trifft dies besonders auf die Regionen Ile-de-France, Auvergne-Rhône-Alpes, Nouvelle-Aquitaine und Provence-Alpes-Côte d‘Azur zu. Jedoch gewinnt der Zubau von öffentlichen Ladepunkten auch in ländlicheren Gegenden, vor allem im Westen Frankreichs, an Dynamik.
Lastmanagement wird wichtig
Für das Aufladen von Elektrofahrzeugen gibt es verschiedene Lademodi. Die Normalladung bei drei bis sieben Kilowatt entspricht in etwa dem Leistungsbedarf eines Warmwasserbereiters.
Die beschleunigte Ladung bei 22 Kilowatt hat in etwa den Leistungsbedarf von 20 Waschmaschinen. Die Schnellladung bei 50 Kilowatt entspricht dem Leistungsbedarf eines Gebäudes mit zehn Wohneinheiten.
Für die Integration der Elektromobilität in das Stromsystem liegt die Herausforderung nicht in der Bereitstellung des zusätzlich benötigten Stroms, sondern in der möglichen punktuellen Belastung des Stromnetzes je nach Lademodus. Der französische Übertragungsnetzbetreiber RTE hat hierfür die Auswirkungen von vier Millionen Elektro- und Hybridfahrzeugen auf das Stromsystem untersucht.
Im Normallademodus würde der tägliche Spitzenverbrauch um etwa vier Gigawatt an entnommener Leistung ansteigen.
Würden eine Million Fahrzeuge gleichzeitig im Schnellladevorgang aufgeladen werden, stiege die Leistungsentnahme kurzfristig auf 50 Gigawatt. Laut RTE wird demnach das Lastmanagement zukünftig eine wichtige Rolle spielen. So könnte das Laden entweder nach Bedarf erfolgen oder auf Schwachlastzeiten verschoben werden.
Flexible Stromtarife für Elektroautos
Mehrere Stromversorger bieten jetzt schon Smart-Charging-Stromtarife für Besitzer von Elektrofahrzeugen an, bei denen der Nachtstrom um bis zu 50 Prozent günstiger ist als tagsüber.
Dieses Angebot ist möglich, weil auch herkömmliche Zähler in Frankreich in zwei Zeitbereichen, nämlich Niederlastzeiten und Hochlastzeiten, messen können.
Auch der 2016 begonnene Rollout des kommunizierenden Zählers Linky dient diesem Zweck. Derzeit wird er massenhaft in den französischen Haushalten verbaut.
DFBEW
Länderübergreifend für die Energiewende
Das Deutsch-französische Büro für die Energiewende (DFBEW) ist eine Informations- und Netzwerkplattform für alle Akteure der Energiewende. Ziel des Vereins ist es, einen Austausch von Informationen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in Deutschland und Frankreich zu ermöglichen. Die Arbeit des DFBEW wird von über 240 Unternehmen, Industrieverbänden und Forschungsinstituten sowie den Regierungen beider Länder unterstützt. Die Büros in Berlin und Paris sind direkt im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) beziehungsweise im Ministerium für ökologischen und solidarischen Wandel (MTES) angesiedelt.
Veranstaltungen
Photovoltaik im urbanen Raum
Am 21. Juni 2018 veranstaltet das DFBEW ein Side-Event mit dem Titel „PV im urbanen Raum in Deutschland und Frankreich: Neue Modelle für eine intelligente Netzintegration“. Inhaltliche Schwerpunkte der Veranstaltung werden neue Geschäftsmodelle und digitale Dienstleistungen für die Netzintegration von Solaranlagen sowie der kollektive Eigenverbrauch in Frankreich und Deutschland sein. Die Veranstaltung findet von 13.15 Uhr bis 16.00 Uhr im Forum „The smarter E“ (Halle B2, Stand 570) auf der Intersolar statt.
Am 27. September 2018 findet eine Konferenz zum Thema Flexibilität für die Energiewende statt. Im Fokus werden die Themen Systemdienstleistungen, Netze, Speicher und Lastmanagement stehen. Diese Veranstaltung wird vom DFBEW veranstaltet und in Paris stattfinden.
Unsere Serie
Die Chancen jenseits des Tellerrands
In unserer Serie loten wir die Chancen anderer Märkte für Photovoltaik und Stromspeicher aus. Dort haben Solarteure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Möglichkeit, interessante Geschäftspartner zu finden, ihr Geld als Investoren anzulegen oder ihr Wissen und ihre Erfahrungen als Mentoren in die globale Energiewende einzubringen. Wagen Sie mit uns den professionellen Blick in folgende Länder und Regionen:
- November 2017: Iran
- Dezember 2017: Skandinavien
- Februar 2018: Frankreich
- März 2018: Niederlande
- April 2018: Tschechien
- Mai 2018: Italien
- Juni 2018: Polen/Frankreich
- Juli 2018: Argentinien
Die Autorin
Marie Boyette
ist seit 2016 Referentin für den Bereich Effizienz und Flexibilität im DFBEW. Sie beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen und Förderprogrammen zur Energieeffizienz in beiden Ländern sowie der Entwicklung dieser Märkte. Zusätzlich ist sie für die Themen Sektorkopplung und Flexibilitätsoptionen für die Energiewende zuständig.