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“Parkhäuser schnell umrüsten“

Viel ist von fehlender Infrastruktur zur Beladung von Elektroautos die Rede. Sie stellt vor allem die Betreiber von Parkhäusern vor große Herausforderungen. Wie kann man solche Aufgaben lösen?

Ulrich Trattmann: Im Auftrag der Rheinenergie haben wir ein Parkhaus am Kölner Parkgürtel mit 22 Ladepunkten für die Elektrofahrzeuge der Mitarbeiter ausgestattet. Das Parkhaus hat rund 1.000 Stellplätze. In der ersten Ausbaustufe wurden acht Ladepunkte zu je elf Kilowatt Ladeleistung installiert. In der zweiten Stufe kamen 14 Ladepunkte hinzu. In einem dritten Schritt sind weitere 16 Ladepunkte geplant, sodass wir in der Summe auf 38 kommen.

Mit welchen Prämissen haben Sie die Anlage geplant?

Zunächst sind wir davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter ihre Autos tagsüber im Parkhaus abstellen. Es ging also nicht um Schnellladung mit hohen Leistungen, sondern um einen vernünftigen Kompromiss zwischen elektrischer Leistung und Ladezeit.

Wie haben Sie das technisch gelöst?

Das Problem ist ja, dass in der Regel Gebäude nicht über ausreichende Energiekapazität verfügen, wenn alle Autos gleichzeitig volle Leistung abfordern. Dadurch werden der zulässige Strom und die Leistung am Netzanschluss überlastet, die Gebäudesicherungen lösen aus. Also braucht man ein zweistufiges, dynamisches Lademanagement. Die erste Stufe regelt dynamisch den Energiefluss an der Gebäudeeinspeisung. Die zweite Stufe regelt den Strom am Ladepunkt, auch wieder dynamisch.

Warum zwei verschiedene Einspeisungen?

Acht Ladepunkte wurden an einer Hausleitung angeschlossen, die 63 Ampere erlaubt. Die 14 Ladepunkte der zweiten Stufe hängen an einer anderen Leitung mit 100 Ampere zulässigem Strom. Vorsichtshalber haben wir den Ladestrom auf 80 Ampere begrenzt, um kein Risiko einzugehen. Denn an dieser Leitung hängt beispielsweise auch die Lüftungsanlage des Parkhauses. Wenn sie anspringt, stehen nur noch 60 oder 70 Ampere zur Verfügung.

Wie gleicht die Regelung solche Anforderungen aus?

Auf solche Veränderungen muss die Regelungstechnik sehr schnell reagieren, damit die Sicherung nicht fliegt. Das zweistufige, dynamische Lademanagement wurde mit der Firma Hardy Barth aus Bayern realisiert. Hardy Barth ist der Anbieter der Ladeboxen, die hier zum Einsatz kamen.

Welche Vorteile hat die dynamische Regelung der Ladeströme?

Wir sind davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter von Rheinenergie ganz verschiedene Automodelle fahren, die unterschiedliche Ladekurven haben. Zudem kann der Ladezustand der Fahrzeuge sehr verschieden sein, von beinahe leer bis fast voll. Die Regelung muss es schaffen, dass jedes Fahrzeug an jedem Ladepunkt innerhalb des Tages vollgeladen werden kann, ohne den Gebäudeanschluss zu überlasten.

Das war sicher auch für die Symmetrie der Lasten auf den einzelnen Leitungen eine Herausforderung …

Wir mussten die Ladepunkte so gestalten, dass bei einphasiger Ladung keine Schieflasten entstehen. Es darf nicht passieren, dass alle einphasigen Ladesysteme gleichzeitig über L1 ihren Strom ziehen. Natürlich wollen wir die Leitungen möglichst gleichmäßig belasten.

Dazu müssen sich die Ladepunkte untereinander abstimmen. Wie hoch war der Aufwand für die Steuerung und die Kommunikation?

Bei diesem Projekt haben wir die gesamte Steuerung, die Sicherungen und die Kommunikationstechnik in einen Schaltschrank gepackt. Er wurde anschlussfertig und vorkonfektioniert zum Parkhaus geliefert. Auf diese Weise konnten wir den Aufwand und die Kosten für die Installation deutlich verringern. So würden intelligente Steckdosen in Zukunft völlig ausreichen, um die Autos zu beladen. Unsere Kompetenz steckt in der Steuerung, also im Schaltschrank.

Schreckt der Aufwand zum Umbau der Elektroinstallation viele Betreiber von Parkhäusern ab, Ladeboxen zu installieren?

Ja, das ist eine enorme Hürde. Mit unserem vorkonfektionierten Schaltschrank wird die Elektrifizierung der Ladepunkte aber sehr einfach. Der Installateur schließt den Schaltschrank an die Hausleitung an, bereitet die Ladepunkte vor – fertig! Das spart obendrein viele Meter Kabel ein.

Wann gingen die Ladepunkte ans Netz?

Die erste Ausbaustufe haben wir im Dezember 2017 installiert. Im Mai 2018 haben wir dann die zweite Ausbaustufe realisiert. Der Schaltschrank wurde vorkonfektioniert und vorgeprüft auf die Baustelle geliefert. Acht Ladepunkte wurden innerhalb eines Tages angeschlossen.

Welche Vorteile hat das dynamische Lastmanagement innerhalb der bestehenden Hauselektrik?

Ganz klar: Der Betreiber des Parkhauses muss nicht in höhere Anschlussleistungen zum Stromnetz investieren. Trotzdem sind alle Ladepunkte voll funktionsfähig und können gleichzeitig laden. Zudem wird jeder Ladepunkt über eine App visualisiert, auch werden die Ladedaten gespeichert. Das System ist RFID- und Backend-fähig. Im Falle des genannten Parkhauses erfolgt die Abrechnung zum Beispiel über die Charge Cloud der Rheinenergie. Die Ladepunkte für die Mitarbeiter sind offen, man könnte aber auch eine Einzelabrechnung hinterlegen.

Was war technisch besonders anspruchsvoll?

Tricky war vor allem, im System die richtigen Parameter zu setzen. Unsere Lösung erwies sich als sehr gut geeignet, um mehrere Ladepunkte zu bedienen. Das ist viel preiswerter, als eine Extra-Trafostation für den Netzanschlusspunkt aufzubauen. Jedes Gebäude hat nun mal eine begrenzte Anschlussleistung. Ich glaube, dass hohe Anschlussleistungen künftig sehr teuer werden. Aber die Parkhäuser brauchen in Zukunft nicht nur 22 Ladepunkte, sondern 100 oder mehr. Da führt am dynamischen Lademanagement mit intelligenten Schaltschränken kein Weg mehr vorbei.

Parkhäuser bieten sich oft für große Solardächer oder großflächige Solarcarports auf dem Oberdeck an. Können Sie auch Sonnenstrom ins Ladesystem einbinden?

Selbstverständlich gibt es die Regelung her, auch Photovoltaik direkt einzubinden. Sie nimmt den Sonnenstrom und schickt ihn beispielsweise zuerst in die Autos. Dafür sind verschiedene Betriebsweisen machbar, ebenso die Einbindung von größeren Batteriespeichern als Puffer für Ladeleistung und Energie. Da draußen warten Tausende Parkhäuser auf die Umrüstung, um zukunftsfähig für die Elektromobilität zu werden. Dieser Markt ist riesig.

Haben Sie schon Anlagen mit Batteriespeichern gebaut?

Bisher nur bei einem System mit zwei Ladepunkten und einem solaren Carport. Die Solarleistung war neun Kilowatt, die Kapazität des Speichers betrug sechs Kilowattstunden. Es war ein Doppelcarport mit zwei Ladepunkten, die jeweils elf Kilowatt leisten. Auch dort haben wir das Spitzenlastmanagement genutzt.

Was genau kommt von Posid?

Unsere Kompetenz ist die Steuerung mit dem dynamischen Lastmanagement. Wir haben den Schaltschrank und das System geplant. Selbstverständlich liefern wir die gesamte Ladetechnik nach Kundenwunsch. Das System ist skalierbar und lässt sich modular erweitern. Es ist so konzipiert, dass man zwischen vier und 20 Ladepunkte anbieten und liefern kann. Das kann jeder Installateur nutzen, um seine Kunden zu versorgen.

Ist die Ladeleistung auf elf Kilowatt begrenzt?

Nein, das kann man auch mit 22 Kilowatt machen. Elf Kilowatt haben wir im Parkhaus der Rheinenergie gewählt, weil die Autos der Mitarbeiter während der Arbeitszeit ausreichend lange geladen werden können. Höhere Ladeleistungen waren nicht notwendig.

Für welche Anwendungen ist Ihr System besonders gut geeignet?

Wir haben es für den halböffentlichen Raum entwickelt. Dazu gehören die Parkhäuser und Solarparkplätze von Unternehmen, für ihre Mitarbeiter oder ihre Fuhrparks. Auch Hotels sind dafür interessant. Sie könnten ihre eigenen E-Autos auf diese Weise laden und die Fahrzeuge an ihre Gäste vermieten.

Eignet es sich für den öffentlichen Straßenraum?

Eher nicht. Für öffentliche Ladepunkte braucht man Ladesäulen, man braucht einen Dienstleister für die Abrechnung und den Service rund um die Uhr. Auch erwarten die Gemeinden und Städte, dass man die Ladesysteme betreibt. Das Geschäft werden die Energieversorger machen, das ist ihre Domäne.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

www.posid.de

Ulrich Trattmann

ist Diplomingenieur für Elektro- und Wärmetechnik. Hinzu kommt ein Magister in Physik und Mathematik. Seit über 35 Jahren ist er in der regenerativen Energiebranche tätig, davon mehr als 20 Jahre in Führungspositionen und im Management. Er war Marketingleiter, Vertriebsleiter und Geschäftsführer in einem international tätigen Konzern. 2014 gründete er die Firma Posid mit Sitz in Köln. Mit ihr entwickelt er innovative Konzepte für die solare Energiewende und die E-Mobilität. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Coaching und der Beratung von Führungskräften, etwa in der strategischen Geschäftsprozessoptimierung, Vertrieb und Marketing, Projektmanagement und Unternehmensführung.

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