Eine Gesetzeslücke sorgt für Ärger zwischen Einspeisern und Versorgern. Betreiber von Solaranlagen sollen für vermeintlichen Strombezug der Wechselrichter hohe Grundgebühren zahlen. In vielen Fällen lassen sich die Kosten drastisch senken oder ganz vermeiden.
Raoul von der Heydt staunte nicht schlecht, als er im April 2011 plötzlich Rechnungen von einem Stromversorger erhielt, den er gar nicht beauftragt hatte. Die Eon Edis Vertrieb GmbH in Fürstenwalde schickte ihm Rechnungen für den Strombezug seiner Photovoltaikanlage, die Mitte 2010 in Betrieb gegangen war. Von der Heydt, der in Berlin selbst als Unternehmer in der Solarbranche tätig ist, hatte zuvor noch nie etwas davon gehört, dass Betreiber für ihre Photovoltaikanlage einen Stromversorgungsvertrag schließen sollten.
Tatsächlich ziehen viele Anlagen nachts Strom aus dem Netz, für den Standby der Wechselrichter, die Versorgung einer Fernüberwachung und Online-Datenlogger oder andere technische Hilfseinrichtungen zur Netzeinspeisung. Bei der knapp 120 Kilowatt großen Anlage von der Heydts sind das pro Monat ganze ein bis fünf Kilowattstunden. Fast vierhundert Euro forderte Eon Edis für den Zeitraum Juli 2010 bis Februar 2011. Darin enthalten auch die Abrechnung von „Blindarbeitsentgelten“, was nur bei Großverbrauchern üblich ist.
Eon ruderte zurück
Auf Nachfrage stellt sich heraus: Der Betrag setzt sich vor allem aus einem monatlichen Messpreis von rund 40 Euro zusammen, der aber für die Messstelle bereits bei der Einspeisung bezahlt wird. Eon rudert zurück, storniert die Rechnungen und reduziert die Zahlungsforderung auf monatliche Abschläge von knapp 10 Euro. Raoul von der Heydt ist einverstanden und betrachtet die Sache als erledigt. Für das Jahr 2011 zahlt er am Ende knapp 40 Euro, für vier tatsächlich bezogene Kilowattstunden. „Bei einer Photovoltaikanlage dieser Größe mag man bei solchen Beträgen keinen Streit beginnen,“ sagt von der Heydt, obwohl juristisch derzeit nicht geklärt ist, ob zehn Euro pro Kilowattstunde für geringsten Strombezug von Photovoltaikanlagen angemessen sein können.
Zumal die wirtschaftlichen Verhältnisse bei den zahlenmäßig häufigsten kleinen Anlagen bis 30 Kilowatt völlig anders aussehen. So berichten Betreiber im Photovoltaikforum seit dem Jahr 2008 immer wieder von jährlichen Kosten zwischen 55 und 200 Euro, in vielen Fällen ohne dass eine einzige Kilowattstunde bezogen wird. So wollte der Versorger Eon Bayern vom Betreiber einer 35-Kilowatt-Anlage in Niederbayern 96 Euro für den Verbrauch einer einzigen Kilowattstunde Strom. Im Lauf von zwanzig Jahren summieren sich die Beträge auf 1.000 bis 4.000 Euro. Bei kleinen Anlagen kann das mehr sein, als die Anlage in zwei Jahren an Vergütung erwirtschaftet.
Hunderte Fälle wurden bekannt
Beim Solarenergie-Förderverein in Aachen kennt man das Problem ebenfalls schon länger und aus weit über hundert Fällen. Auffällig häufig fällt dort wie auch im Internetforum der Name Eon, aber auch andere Stromversorger und Stadtwerke tauchen gelegentlich auf. Betroffen sind immer Anlagenbetreiber, die den Solarstrom vollständig ins Netz einspeisen, wie das bis etwa 2012 bei den meisten Anlagen üblich war, weil sich Eigenverbrauch aufgrund der hohen Einspeisevergütung noch nicht lohnte.
Das Problem entsteht im Grunde erst durch das sogenannte „Unbundling“, also die Trennung von Netzbetrieb, Stromhandel (Versorgung) und Stromerzeugung. Während Solarbetreiber ihren Strom nach EEG an den Netzbetreiber verkaufen, kann man Strom aus dem Netz nur beim Versorger beziehen. Eine direkte Verrechnung von Einspeisung und geringfügigem Strombezug wie das früher durchaus üblich war, scheint also formal nicht möglich zu sein. Die Bundesnetzagentur vertritt sogar die Auffassung, „dass jede Entnahme aus dem Netz sowie jede Einspeisung in das Netz eines Netzbetreibers nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) messtechnisch zu erfassen ist“.
Die Netzbetreiber haben dem folgend vor einiger Zeit damit begonnen, auch in PV-Anlagen mit Volleinspeisung Zweirichtungszähler zu installieren, die Einspeisung und Strombezug getrennt messen. Und wo gemessen wird, da wird auch abgerechnet, schlussfolgern offenbar einige Versorger.
Gelegentlich herrscht Willkür
Dabei herrscht gelegentlich auch Willkür: So berichtet ein Betreiber mit mehreren Anlagen im selben Netzgebiet davon, dass er für die eine Anlage eine Rechnung erhielt, für die andere nicht, obwohl die technischen Verhältnisse vergleichbar sind.
Man kennt die Zweirichtungszähler sonst von Eigenverbrauchsanlagen, bei denen der Strombezug aus dem Netz und die Überschusseinspeisung des Solarstroms ins Netz von einem Zähler mit zwei getrennten Zählwerken verschiedener Messrichtung erfasst werden. Eigenstromnutzer können aufatmen, denn das Problem der getrennten Erfassung des minimalen Strombezugs der PV-Anlage gibt es hier nicht. Falls der Wechselrichter nachts Strom zieht, wird das über den ohnehin genutzten Verbrauchszähler erfasst und kostet nur den einfachen Kilowattstundenpreis. Doch die meisten der etwa 1,4 Millionen Anlagen in Deutschland werden noch auf viele Jahre als Volleinspeiseanlagen betrieben und dürften deshalb früher oder später von dem Problem betroffen sein. (Thomas Seltmann)
Den vollständigen Report lesen Sie im Novemberheft der Fachzeitschrift photovoltaik, das am 6. November 2014 erscheint.