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Chefsache an Rhein und Ruhr

Der große Saal „Moskau“ im Maritim Hotel in Düsseldorf ist voll. Rund 200 Teilnehmer sind gekommen zum 6. Branchentag Photovoltaik NRW 2015, veranstaltet von der Energieagentur NRW. Und das ist wichtig. Denkt der Außenstehende bei Solarstrom doch zuallererst an Bayern und Baden-Württemberg. Dabei hat Nordrhein-Westfalen enorm aufgeholt. Noch vor einem Jahrzehnt setzte das Bundesland vor allem auf Windkraft. Das hat sich geändert. NRW liegt nach der Zahl der Anlagen auf Rang drei bundesweit.

Photovoltaik ist Chefsache an Rhein und Ruhr, auch in der Landespolitik. Die SPD koaliert mit den Grünen, und die stellen Umweltminister Johannes Remmel. Der belässt es nicht bei allgemeinen, Floskeln. Remmel gibt sich kämpferisch in Zeiten großer Verunsicherung und kritisiert zugleich die geplante Ausschreibungspflicht für Solarparks. „Jetzt sehen wir, dass sich die Akteursvielfalt nicht verbessert hat.“ Im Gegenteil, mahnt Remmel: „Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger bleibt auf der Strecke, sie werden bewusst schlechter gestellt.“ NRW hat sowieso schon weniger Freiflächenanlagen im Vergleich zu Dachanlagen als andere Bundesländer. In der Fläche möchte das Land deshalb gern aufholen, ohne die Dächer dabei zu vernachlässigen. Deshalb kritisiert der Umweltminister nicht nur, sondern kündigt eine konkrete Initiative an: wenigstens die Ausschreibung von Dachanlagen bis ein Megawatt über den Bundesrat zu verhindern.

Nirgendwo greift das Klischee vom wohlhabenden Zahnarzt, der mit der Anlage auf seinem Eigenheim die Stromrechnung von Hartz-IV-Empfängern belastet, weniger als in Nordrhein-Westfalen. Das Bundesland ist städtisch geprägt, mit Mehrgeschossern und genossenschaftlich vermieteten Wohnungen. „Auch Mieterinnen und Mieter müssen in den Genuss von Sonnenstrom kommen“, fordert Remmel. Wie das geht, dafür gibt es gute Beispiele.

Sonnenstrom fürs Mieterland

So gibt es Anbieter wie Naturstrom, die Modelle offerieren, von denen Mieter, Immobilienträger und Investoren gleichzeitig profitieren. Naturstrom bietet seinen Service beispielsweise schon in Köln, Düsseldorf und Bochum an. Für Mieter gibt es ein Kombiprodukt aus vor Ort produziertem Solarstrom, Strom von BHKW und Reststrom zur Vollversorgung aus dem Netz. Die Dächer von Immobilien in den Städten können von den Besitzern für Photovoltaik genutzt oder an Betreiber verpachtet werden. Den so erzeugten Strom nimmt Naturstrom direkt ab. Überschüsse können von den Betreibern über das EEG und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) vermarktet werden. Mietverträge sind so nicht mit Nebenkosten für die Anlage auf dem Dach verbunden, der Mieter kann seinen Strom einfach durch den Ökoanbieter beziehen.

Die Immobilie wird durch die Solaranlage aufgewertet, ohne dass sich der Betreiber selbst um eine direkte Vermarktung kümmern muss. Betreiber können so schon heute bedeutend bessere Einnahmen erzielen als mit EEG-Strom. Gesamtlösungen beispielsweise für komplette Wohnungsbaugenossenschaften reduzieren die Projektierungskosten gegenüber kleinteiligen Lösungen.

Als Basisleistungen bietet Naturstrom Marketing und Vertrieb für den selbst erzeugten Strom, Vollversorgung für die Mieter, Abrechnung, Forderungsmanagement und Kundenservice. Optional berät Naturstrom bei der Entwicklung von Mieterstrommodellen, plant und errichtet Photovoltaikanlagen sowie BHKW oder pachtet sie, finanziert und betreibt die Anlagen und Smart Meter direkt oder über Beteiligungsmodelle.

Diese Lösungen für städtische Gebiete sind nur ein Beispiel dafür, wie sehr sich das klassische Photovoltaikgeschäft über das EEG gewandelt hat und noch wandeln muss. Es wird immer komplexer. Wer morgen noch Geld verdienen möchte, muss heute schon verschiedene Erwerbsmodelle kombinieren.

Wartung statt Zubau

Wo Zubauzahlen einbrechen, wird der Erhalt des Bestands immer wichtiger. Das belegen Zahlen vom TÜV Rheinland. Im Vergleich zu der Zeit vor zehn Jahren sind die Module immer besser geworden. „Hersteller wissen, wie Module zu bauen sind, um die Normen zu erfüllen“, sagt Willi Vaaßen, Photovoltaikexperte bei der TÜV Rheinland Energie und Umwelt GmbH. Sind 2002 noch 54 Prozent aller Module bei der Zertifizierung durchgefallen, so waren es im Jahr 2013 nur noch rund sieben Prozent.

Anders sieht es bei den Anlagen aus. Hier spricht der TÜV von gravierenden Qualitätsproblemen. In einer Studie hat er mehr als 100 Großanlagen untersucht mit Leistungen zwischen 100 Kilowatt und 20 Megawatt. Jede dritte war schwerwiegend fehlerhaft. Hier muss sofort etwas passieren, um die Sicherheit wieder zu gewährleisten oder Ertragsverluste zu verhindern. Da lauern vor allem Installationsfehler oder die gesamte Planung oder Dokumentation ist fehlerhaft. Module liefern nicht die erwartete Leistung, weil sie für den Standort falsch ausgewählt wurden, degradiert sind oder einfach verschmutzt. Dazu kommen Mikrorisse oder komplett gebrochene Zellen, deren Auswirkungen oft unterschätzt werden.

Fachbetriebe können sich von TÜV Rheinland für die Wartung von Anlagen zertifizieren lassen. Dazu werden sie nach einem Kriterienkatalog systemisch überprüft und anschließend stichprobenartig mindestens eine gewartete Anlage im Jahr. Das TÜV-Prüfzeichen „Zertifizierter Fachbetrieb für die Installation und/oder Wartung von Photovoltaik-Anlagen“ schafft einen Vorteil im wachsenden Markt der Wartung und Reparatur von Bestandsanlagen.

Es gibt auch heute viel zu tun, gerade in NRW. So lautet die Botschaft des 6. Branchentags Photovoltaik NRW 2015. Neben visionären Konzepten wie dem der Villa Media mit ihrem ganzheitlichen Energieansatz tun sich neue Aufgabenfelder in der Breite auf, beispielsweise beim Mieterstrom.

Nach dem offiziellen Programm bilden sich im und vor dem Saal „Moskau“ spontan kleinere Gruppen. Hier reden die Teilnehmer miteinander, vernetzen sich oder schmieden erste Pläne für neue Projekte. Die rheinische Mentalität hilft dabei sicherlich. Anpacken und feiern können sie hier ja. So wird NRW auch weiter vorn bleiben in Sachen Photovoltaik.

www.energieagentur.nrw.de

Villa Media

Weitgehend autark feiern und arbeiten

Der Denkmalschutz redet immer mit, denn hier war mal ein Schlachthof. Vier bergische Villen bilden den Villa-Media-Komplex in Wuppertal. Heute ist es ein Ort für Veranstaltungen und Bürostandort für mediale und energetische Dienstleistungen. Mit einem richtungsweisenden Energiekonzept. „Ich habe mein Geld aus den Finanzmärkten abgezogen und fast alles in dieses Projekt gesteckt“, erzählt Gründer und geschäftsführender Gesellschafter Jörg Heynkes. „Das ist jetzt meine Altersvorsorge.“ Unter den mehr als 450 Events pro Jahr sind private wie unternehmensbezogene Veranstaltungen. Mit dabei ist auch die Effizienzagentur NRW, die Energieagentur NRW und das Wuppertal Institut.

Durch Verwendung moderner Technologien werden die vier Gebäude mit selbst erzeugter Wärme und elektrischer Energie klimaneutral versorgt. Sieben Photovoltaikanlagen, ein biogasbetriebenes Blockheizkraftwerk und eine Brennstoffzelle beliefern den Gebäudekomplex mit Wärme und elektrischer Energie. Das intelligente Netzwerk aus digitalen Stromzählern und eine smarte Anlagensteuerung ermöglichen Lastverschiebungen, um Leistungsspitzen abzufangen. LED-Beleuchtung und energiesparende Kühlhäuser steigern die Energieeffizienz. Fünf Elektroautos, ein solar betriebener Ladepark, regionale und fair gehandelte Produkte und konsequente Müllvermeidung runden das Nachhaltigkeitskonzept ab.

Der Gebäudekomplex hat einen positiven Energiesaldo. Zurzeit wird ein Autarkiegrad von mehr als 70 Prozent erreicht, im Rahmen des Forschungsprojektes Loksmart II werden Ende des Jahres ein stationärer Stromspeicher mit 100 Kilowattstunden sowie ein Lieferfahrzeug mit bidirektionaler Ladefähigkeit als temporärer und mobiler Stromspeicher installiert. Dadurch soll der Autarkiegrad auf über 90 Prozent steigen. Im Frühjahr 2015 hat die Klimaexpo NRW die Villa Media für ihr nachhaltiges Engagement ausgezeichnet.

www.villamedia.de

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