Ein blaues Gebäude mit Streifen in gelb, rot und orange – von außen sehen alle Fabriken von First Solar gleich aus. Egal, ob sie in Frankfurt an der Oder, Perrysburg oder Kulim stehen. Kleine Besuchergruppen werden in Deutschland gern einmal vom Geschäftsführer Burghard von Westerholt persönlich empfangen. Der führende Hersteller von Cadmiumtellurid-Dünnschichtmodulen aus den USA präsentiert sich offen und freundlich. Doch es gibt Themen, da tut sich First Solar einfach schwer.
Ein solches Stichwort ist LPM – sogenannte Low-Power-Module. Im Produktionszeitraum zwischen Juni 2008 und Juni 2009 produzierte First Solar tausende Module, die vorzeitig an Effizienz einbüßten. Diese Module stammten gleichermaßen aus den drei Produktionsstandorten – also aus den Werken in Deutschland, den USA und Malaysia.Dies lässt sich leicht erklären: First Solar setzt auf ein Copy-Smart-System. Das bedeutet, dass in all seinen Werken dasselbe Equipment und dieselben Prozesse genutzt werden. Alle Veränderungen in der Produktion werden ausgiebig getestet und dann sukzessive in den einzelnen Fabriken eingeführt. „Mit dem Roll-out im Juni 2008 waren zunächst alle glücklich, weil wir eine signifikante Effizienzsteigerung der Module erreichen konnten“, sagt Petra Wagner, seit vier Jahren Direktorin für Qualität und zuständig für Europa, den Nahen Osten und Afrika.
Anfang 2009 kamen die ersten Kundenbeschwerden. Einzelne Photovoltaikanlagen zeigten binnen weniger Wochen, manchmal auch innerhalb von Tagen einen deutlichen Leistungsabfall. Dazu gehörten auch Anlagen, die SK Solar installiert hatte. Module verzeichneteneinen plötzlichen Effizienzverlust von etwa zehn Prozent. „Zu Anfang war das Problem noch gut zu handhaben und ließ sich mit dem Austausch von einigen Modulen schnell beheben“, sagt der Inhaber von SK Solar, Stefan Kutscher.
Die Degradation der Low-Power-Module ging weit über das Maß hinaus, das First Solar seinen Produkten in den Garantiebestimmungen zugesteht. „Sie betrug schnell zehn bis 15 Prozent und stabilisierte sich dann“, wie Petra Wagner bestätigt. Dabei seien Unterschiede aufgefallen – im Frühjahr installierte Module zeigten wegen der intensiveren Sonneneinstrahlung früher einen Leistungsabfall als entsprechende Anlagen, die im Herbst bestückt wurden. Bei der internen Qualitätsprüfung bei First Solar war zunächst nichts aufgefallen. „Die Module hatten weder äußerliche Spuren noch wiesen die Messungen auf einen Leistungsabfall hin“, sagt Wagner. Im Sommer 2009 seien dann die ersten ausgetauschten Module im deutschen Werk eingehender untersucht worden.
Dabei war es fast ein „Glücksfall“, dass auch im nur 70 Kilometer von Frankfurt (Oder) entfernten Solarpark „Lieberose“ Low-Power-Module installiert waren. Da die Anlage über ein detailliertes Monitoring verfügt, fiel der starke Leistungsabfall einzelner Module recht bald auf. First Solar reagierte schnell, tauschte die Low-Power-Module in Lieberose aus undnutzte sie zur Fehlersuche. Der Projektierer des Solarparks, Juwi, äußert sich allerdings wie auch die anderen Partner von First Solar nur sehr zurückhaltend zu diesem Thema. Zwar räumt Sprecher Ralf Heidenreich ein, dass auch Juwi und seine Kunden „von der Austauschaktion betroffen sind“, möchte aber „aus Gründen der Vertraulichkeit“ keine detaillierteren Angaben machen.
Doch wie konnten Anlagenbetreiber und Installateure feststellen, dass ihre Module zu den Low-Power-Modulen gehören? Nach Aussagen von Petra Wagner sind weniger als vier Prozent der zwischen Juni 2008 und Juni 2009 produzierten Module von der starken Anfangsdegradation betroffen. In einem Bericht des pv magazine (10/2010) bestätigte der US-Konzern, dass fehlerhafte Module mit einem Volumen von etwa 30 Megawatt gefertigt worden seien. Auf Informationsveranstaltungen für Installateure sei aber von fünf bis zehn Prozent Low-Power-Modulen gesprochen worden, berichten Teilnehmer. Dies deckt sich mit den Erfahrungen von Stefan Kutscher. „Teilweise gab es Anlagen mit 50 Prozent Low-Power-Modulen, andere hatten nur zwei bis drei Prozent.“ Anfangs sei ihm noch unklar gewesen, was die Ursache des Leistungsabfalls bei seinen Anlagen gewesen sei. Es sei nur eine Asymmetrie bei den Wechselrichtern aufgefallen, erzählt Kutscher. Zunächst habe er nach eigenen Fehlern bei der Montage oder der Verschaltung gesucht, doch nichts finden können. Mit einem mobilen Flashgerät habe er dann begonnen, die Leistung der einzelnen Module nachzumessen. Dabei konnte er die Low-Power-Module eindeutig identifizieren. „Insgesamt haben wir fünf Megawatt First-Solar-Module verbaut, und das Problem betrifft zehn Dachanlagen mit insgesamt 500 Kilowatt Leistung“, so Kutscher weiter.
Im Herbst 2009 setzte sich First Solar mit seinen Partnern Belectric, Colexon, Conergy, Gehrlicher Solar, Juwi, Phoenix Solar, Pfalzsolar und Rio zusammen, um diese über die fehlerhaften Module zu informieren und das weitere Vorgehen zu beraten, erzählt Petra Wagner. Bis Ende des Jahres verständigten sich beide Seiten darauf, dass First Solar über die bestehenden Garantiebedingungen hinaus auch für die Kosten des Austausches komplett aufkommt. Dabei entschieden sich die Beteiligten, Anlagen unter 50 Kilowatt Leistung komplett zu tauschen, bei größeren Systemen dagegen nur die betroffenen Module auszuwechseln. Den Anlagenbetreibern soll zudem anschließend eine Kompensation für die entgangene Einspeisevergütung gezahlt werden. Bereits zu dieser Zeit begannen die ersten Austauschaktionen vor Ort. Dabei handelte essich zumeist um Großanlagen, in denen die Leistungsabweichung durch das detaillierte Monitoring schnell sichtbar geworden ist. Zu weiteren Testzwecken demontierten Spezialisten in Solarparks nicht nur betroffene Module, sondern ganze Anlagenteile.
Viele Betreiber von Kleinanlagen waren zu diesem Zeitpunkt noch ahnungslos. Dies trifft auch auf den privaten Investor aus Bayern zu, der im Photovoltaikforum unter dem Pseudonym „Eisbär“ aktiv ist. Er hat sich im April 2009 eine 30-Kilowatt-Dachanlage von First Solar installieren lassen. „Zunächst lief auch alles ganz gut“, sagt er. „Doch nach etwa zwei Monaten habe ich festgestellt, dass die Anlage die anfänglichen Spitzenleistungen nicht mehr erreicht.“ Der Abfall habe ungefähr 19 Prozent betragen. Als er ein Jahr später die Photovoltaikanlage um zehn Kilowatt erweiterte, fiel ihm der Unterschied massiv auf. Da er über ein gutes Monitoring verfügt, konnte er die Erträge genau vergleichen. Im Herbst 2010 wandte sich der Privatinvestor an seinen Solarteur. Dieser habe ihm dann erste Informationen geliefert. „Erst später kam ein Schreiben von First Solar, in dem das Problem eher runtergekocht wurde“, berichtet er. Aus seiner Sicht ist es ganz klar, dass First Solar das Problem mit den Low-Power-Modulen gerade mit Blick auf den Aktienkurs gern unter der Decke halten möchten.
Petra Wagner kann den Unmut mancher Betroffener verstehen. „Teilweise verging ein Jahr, bis die Informationen die Kunden erreicht haben“, sagt sie.Allerdings ergänzt sie, dass First Solar viel aus den Vorfällen gelernt habe. Eine ehrliche und offene Kommunikation wird von den Kunden sehr geschätzt. Dies bestätigt auch Stephan Dautel, Geschäftsführer von Futurasol. Er nahm an den Infotagen von First Solar teil. Diese Veranstaltungen im Februar 2011 dienten vor allem dazu, die Installateure über den Stand der Dinge und das weitere Vorgehen zu informieren.
„Worten müssen Taten folgen“
Dabei hätten die Vertreter von First Solar offen eingestanden, dass sie Mist gebaut hätten, und zugleich versichert, dass sie für die Schäden aufkämen, bestätigt Kutscher, der ebenfalls vor Ort war. „Man muss jetzt allerdings Geduld haben“, sagt er weiter. Dautel ergänzt: „Worten müssen nun auch Taten folgen.“ Alle Erfahrungen sind bereits und werden weiterhin in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess einfließen, heißt es bei First Solar. „2009 war keiner von uns auf eine solche Größenordnung vorbereitet. Wir konnten jedoch vieles daraus lernen“, so Wagner rückblickend.
Viele Installateure und Anlagenbetreiber erhielten erst im Frühjahr und Sommer 2010 erste Informationen über die starke Anfangsdegradation einiger Module. First Solar verlängerte daraufhin seine Meldefrist für betroffene Anlagen nochmals. Bis zum 30. November 2010 meldeten die Partner schließlich einfach alle Anlagen bei First Solar, die Module aus dem Produktionszeitraum Juni 2008 bis Juni 2009 enthielten. „Vorsorglich haben wir alle uns bekannten Anlagen, die Module aus dem fraglichen Zeitraum beinhalten, an First Solar gemeldet“, erklärt Sprecherin Sarah Wulle von Gehrlicher Solar. In einem Rundschreiben seien Kunden über den Meldeprozess unterrichtet worden. Sämtliche Anfragen, die zu diesem Thema kamen, habe Gehrlicher Solar auf Vollständigkeit überprüft und umgehend an First Solar übermittelt, sagt Wulle.
„Nun bekamen wir auch einen ganzen Schwung Kleinanlagen, die teilweise auch vorsorglich gemeldet wurden“, sagt Petra Wagner, ohne konkrete Zahlen nennen zu wollen. Stephan Dautel schätzt, dass 4.000 bis 5.000 Projekte in diesen Zeitraum fallen könnten. Er selbst hat Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von zehn Megawatt gemeldet. Sicher habe First Solar nicht über das nötige Personal verfügt, als das Problem auftauchte, um es abzuarbeiten, so der Geschäftsführer von Futurasol.
Der US-Konzern hat tatsächlich für die Bearbeitung der Meldungen eigens Personal aufgestockt. In einer konzertierten Aktion arbeitet First Solar nun mit seinen Partnern zusammen. Dazu gehört der Aufbau einer gemeinsamen Datenbasis zur schnelleren Bearbeitung der Reklamationen. Die Zahl der Mitarbeiter im technischen Kundendienst und im Qualitätsbereich liegt mittlerweile deutlich höher als noch 2009. Sie sind dabei, Kundenanfragen abzuarbeiten und Messungen bei den Modulen vor Ort vorzunehmen. Der Qualitätsbereich, der Petra Wagner untersteht, ist auf 60 Angestellte angewachsen. Ihre Mitarbeiter seien dabei, in drei Schichten an fünf Tagen in der Woche alle ausgetauschten Module zu messen und zu analysieren. First Solar habe auch eine Software entwickelt, die bei der Überprüfung der gemeldeten Anlagen hilft. Zudem kaufte der Konzern mehr als 1.000 Wetterdatensätze, um den Ertrag der Anlagen mit der tatsächlich erbrachten Leistung zu vergleichen.
In mehreren Schritten will First Solar bis Ende April die Kunden über die Analyse-Ergebnisse informieren. Bis dahin soll auch der Stapel vorsorglich gemeldeter Anlagen abgearbeitet sein. Bereits Ende März sollen alle Anlagenbetreiber informiert sein, deren Anlagen Low-Power-Module enthalten. „Dafür dass das Problem einen solchen Umfang hat, stellt sich First Solar ganz ordentlich an“, sagt Dautel. Er hat den Eindruck, dasssich der Konzern wirklich bemüht. „Man muss allerdings etwas Geduld mitbringen. Ich wünschte mir, dass alles ein bisschen schneller geht“, sagt Kutscher. Er ergänzt mit Blick auf Erfahrungen mit anderen Herstellern: „Wenn das jetzt alles so vonstatten geht, wie es First Solar angekündigt hat, dann ist das ein Umgang, mit dem die Installateure sehr gut leben können.“
Austausch soll intensiviert werden
Kutscher hat einen ganz eigenen Weg gewählt, um das Problem mit den Low-Power-Modulen aus der Welt zu schaffen. Er ist derzeit dabei, alle betroffenen Module in seinen zehn Anlagen zu tauschen, obwohl er erst für zwei die Bestätigung der Kostenübernahme von First Solar vorliegen hat. Er schätzt, dass allein der Austausch etwa 20 Euro pro Modul kostet. Mit seinem Lieferanten habe er ein längeres Zahlungsziel vereinbart. Damit hofft er, die Zeit zu überbrücken, bis die Bestätigungen von First Solar kommen. „Wir wollen das LPM-Problem noch im ersten Quartal abgestellt haben. Ich habe meinen Betrieb schließlich nicht aufgebaut, um alte Anlagen zu tauschen. Ich möchte mich endlich wieder dem Tagesgeschäft widmen.“ Dautel tauscht derzeit ebenfalls, wartet in der Regel aber den Bescheid von First Solar ab.
Der vor Monaten begonnene Austausch der Low-Power-Module soll Mitte April intensiviert fortgesetzt werden. „Der Austausch soll bis zum Jahresende abgeschlossen sein“, sagt Petra Wagner.Das schleppende Tempo gerade bei Kleinanlagen ist etwas, das den bayerischen Investor „Eisbär“ umtreibt. „Man hätte es halt mal ganz gern vom Tisch. Es ist auch eine Finanzierungslücke, die da entsteht“, sagt der bayerische Investor.
Allerdings sind „Eisbär“ bis Ende März erst einmal die Hände gebunden. Er wolle First Solar diese Zeit geben, um die Sache 100-prozentig abzuwickeln. Seine Kritik hat er schon bei einem Treffen mit Vertretern des Konzerns äußern können. Dabei habe sich herausgestellt, dass mittlerweile von der Modulleistung mehr als die Hälfte abgearbeitet sei, aber nur ein kleiner Teil der Betroffenen. Viele Besitzer kleinerer Anlagen warten noch auf den Austausch. Für eine Beschleunigung der Prozesses hat schließlich Stephan Dautel noch einen guten Tipp: „First Solar sollte sich durchringen, jeweils zehn Betriebe zu zertifizieren, die dann die Kennlinienmessungen durchführen und die betroffenen Module vor Ort aus den Anlagen rausziehen, an First Solar einschicken und austauschen.“ Bislang übernimmt der Konzern die Prüfung der gemeldeten Anlagen weitgehend allein. Es gebe jeweils nur ein Subunternehmen, das im Auftrag von First Solar Module messen oder tauschen dürfe.
Neben dem Austausch der Module zahlt First Solar eine Kompensation für die entgangene Einspeisevergütung. Insgesamt sind zusätzliche Rückstellungen von mehr als 30 Millionen US-Dollar in der Bilanz 2010 getätigt worden. Im zweiten Quartal 2010 waren es zunächst 23,4Millionen US-Dollar. Diese Summe hat First Solar im vierten Quartal nochmals um 8,5 Millionen Dollar aufgestockt.
Was mit den getauschten Modulen passiert, ist noch nicht geklärt. Die Low-Power-Module weisen nach dem vorzeitigen Abfall eine stabile Leistungskurve auf, wie Wagner und Kutscher bestätigen. First Solar vermisst deshalb alle Module aus der Tauschaktion erneut und labelt sie entsprechend ihrer Effizienz. Stefan Kutscher kann sich gut vorstellen, diese Module zu installieren. „Es wäre ein Fehler, sie zu verschrotten oder um die Welt zu karren, damit sie irgendwo in der Wüste in Arizona aufgestellt werden. Ich plädiere dafür, diese Anlagen außerhalb des EEG zu montieren und Vermarktungsanlagen daraus zu machen.“ Alle Befragten setzen großes Vertrauen in die Zusagen von First Solar. „Da trennt sich die Spreu vom Weizen“, sagt Kutscher mit Blick auf das Verhalten von Herstellern. „Was wirklich störend ist: Man hat ein schwebendes Verfahren und ist einfach beunruhigt, ob nicht irgendwann doch noch mal eine Kehrtwende kommt“, sagt „Eisbär“. Er will genau prüfen, was First Solar für einen Ertragsausfall errechnet. Schließlich hat er nach der Erweiterung den direkten Vergleich. Er wird aber nicht um den letzten Hunderter kämpfen. „Ich will die Sache endlich mal vom Tisch haben“, sagt der private Investor aus Bayern. Ein Satz, der von allen Betroffenen immer wieder zu hören ist und den auch First Solar sicher sofort unterschreiben würde.