Die Digitalisierung der Energieversorgung ist in aller Munde. Die Rolle regionaler Versorger wie Stadtwerke wird sie grundlegend verändern. Das reicht vom Angebot von Energiedienstleistungen bis hin zum Betrieb von virtuellen Kraftwerken und dem Vertrieb von Flexibilitätsoptionen.
Virtuelles Kraftwerk, intelligente Zähler, flexible Stromtarife , Energiedienstleistungen – für die Stadtwerke ist das die Chance, im Zuge der Energiewende weiterhin eine Rolle im gesamten Energiesystem zu spielen. Der reine Stromverkauf reicht längst nicht mehr aus. Die Digitalisierung der Energieversorgung ist eine Steilvorlage, um diese Herausforderung zu meistern. Das reicht vom Vertrieb von Photovoltaikanlagen über die Steuerung von Erzeugung und Verbrauch bis hin zum Betrieb von virtuellen Kraftwerken. „Die Nutzung digitaler Prozesse zieht eine ganz neue Vertriebskultur in den Stadtwerken nach sich und verändert das Verhältnis zum Kunden“, sagt Thomas Spinnen, Bereichsleiter Vertriebslösungen bei der Stadtwerkekooperation Trianel, mit Blick auf die Plattform T-PED.
Über diese Plattform für Energiedienstleistungen vertreiben inzwischen – 15 Monate nach Einführung – schon 40 Stadtwerke Solarstromanlagen und Blockheizkraftwerke. Das Angebot reicht dabei vom reinen Vertrieb der Anlage über Angebote der Anlagenmiete bis hin zu kompletten Servicedienstleistungen rund um die Anlage. Ein ähnliches System hat auch Greenergetic mit Sitz in Bielefeld entwickelt. Auf der Plattform der Bielefelder arbeiten bereits 60 Energieversorger.
Über Digitalisierung weitere Geschäftsmodelle generieren
Monatlich bearbeitet Trianel – je nach Marktaktivität der Stadtwerke – 500 bis 1.500 Anfragen von Kunden. „Die Analyse der Bearbeitungszeit zeigt, dass Stadtwerke mit einer hohen Reaktionsgeschwindigkeit deutlich mehr Abschlüsse generieren“, weiß Spinnen. Aktiv am Markt für erneuerbare Energien teilzunehmen ist aber nur der erste Schritt. Die Digitalisierung der Energieversorgung bietet den Stadtwerke eine Steilvorlage, um weitere Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Flexible Stromtarife auf Basis digitaler Daten
Diese Digitalisierung wird aber auch in Zukunft beim Angebot von flexiblen Stromtarifen der entscheidende Punkt sein. Denn ohne intelligente Zähler wird das kaum gehen. „Erst wenn ich das individuelle Verbrauchsverhalten kenne, kann ich auch meine Angebote darauf abstimmen und gleichzeitig meine internen Prozesse optimieren“, erklärt Spinnen. „In den Trianel Pilotprojekten wird bereits deutlich, dass der Wert von Smart Metering in der energiewirtschaftlichen Auswertung der Daten liegt.“ Dies ist ein ganz anderer Ansatz. Es ist nicht mehr das Ziel, das Verbrauchsverhalten der Kunden über flexible Stromtarife zu steuern, sondern die Tarife an den Verbrauch anzupassen. Letztlich wird darüber wieder das Verbrauchsverhalten gesteuert. Denn hoher Verbrauch bedeutet auch teure Tarife und geringer Verbrauch senkt die Preise für die Stromlieferung.
Flexibilitäten managen
Durch die Energiewende wird die Erzeugung zudem weiter dezentralisiert. Immer mehr kleine und größere Erzeugungsanlagen werden ins Netz einspeisen und für die Stromlieferung verantwortlich sein. „Schon heute ist absehbar, dass in einem zunehmend dezentralen System mit autarken Insellösungen und kleinen und größeren Speicheroptionen das Commodity-Geschäft und die Flexibiltätsnutzung zusammenwachsen“, erklärt Stefan Sewckow, Bereichsleister Trading & Origination bei Trianel. „Stadtwerke müssen also die Fähigkeit haben, diese Flexibilitäten zu managen.“ Die Lösung sieht Sewckow in der Zusammenschaltung vieler kleiner Erzeugungsanlagen zu einem virtuellen Kraftwerk. „Die Herausforderung ist, die kommunikative Anbindung von Erzeugungsanlagen und Verbrauchsanlagen so zu bündeln, dass sie kostengünstig sind und gleichzeitig ein System vorhanden ist, das die Daten auch auswerten kann“, erklärt er. „Virtuelle Kraftwerke werden zunehmend ein Big-Data-Thema. Denn hier werden Informationen in Echtzeit gesammelt und ausgewertet.“ Die Vermarktung von Leistung sei künftig aber nur eine von mehreren Funktionen eines virtuellen Kraftwerks, betont Sewckow. Der eigentliche Mehrwert werde durch die Steuerung von Erzeugung und Verbrauch im Versorgungsgebiet der Stadtwerke generiert.
Erzeuger und Verbraucher bündeln
Trianel hat dazu eine Plattform entwickelt. Über Flex Pool bündeln die Aachener jetzt schon 700 Megawatt Erzeugungsleistung und sind gerade dabei, auch industrielle Lasten gezielt einzubinden, um auch die Verbraucherseite stärker in das System der virtuellen Kraftwerke zu integrieren. Derzeit wird Flex Pool weiterentwickelt. Das Ziel ist, eine Systemplattform für Stadtwerke zu schaffen, über die die regionalen Versorger ihre Flexibilitäten managen können. (Sven Ullrich)