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Erste und letzte Instanz

Die Clearingstelle EEG ist eine „eigenartige“ Instanz, gibt deren Leiter Sebastian Lovens zu. Dabei ist schon das Wort „Instanz“ nicht ganz richtig, denn sie ist weder eine Behörde noch ein Gericht. Streng formal scheint zunächst nichts, was die Clearingstelle erläutert, rechtsverbindlich, weil sie keine Urteile fällen kann. Nach dem Auftrag des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist sie eine Art Streitschlichtungsstelle, aber nicht im üblichen Sinn.

Der Gesetzgeber hat keine Behörde mit dem Vollzug des EEG beauftragt. Somit werden auch keine Bescheide erlassen, gegen die man klagen könnte. Stattdessen gestaltet das EEG privatrechtliche Verträge und der Rechtsweg geht vom Amtsgericht bis zum Bundesgerichtshof. Die Clearingstelle hilft als neutraler Gutachter bei der objektiven Auslegung des EEG, um eine schnelle Einigung zwischen den zwei Streitparteien – Anlagenbetreiber und Netzbetreiber – auf fachlicher Ebene zu erzielen. Anders als beieiner Schlichtung, in der ein Kompromiss gesucht wird, bemüht sich die Clearingstelle darum, Sachverhalte objektiv zu klären.

Das hat auch damit zu tun, dass die Clearingstelle nicht nur zwischen den beiden Parteien Anlagenbetreiber und Netzbetreiber vermittelt, sondern letztlich durch das EEG-Umlageverfahren eine dritte Partei von den Ergebnissen betroffen ist: Die Kosten werden schließlich über die Umlage an die Stromkunden weiterverrechnet. Ein Kompromiss der zwei Streitparteien wäre da nicht immer das angemessene Ziel.

Beauftragt und finanziert wird die Clearingstelle vom Bundesumweltministerium (BMU). Obwohl ihre Aussagen formal nicht verbindlich sind, erlangen die Beurteilungen der Clearingstelle in der Praxis Rechtskraft: Einerseits dadurch, dass sich Anlagenbetreiber und Netzbetreiber darauf vertraglich einigen, und andererseits, indem die Wirtschaftsprüfer der Netzbetreiber bei der Prüfungder EEG-umlagefähigen Kosten die Verfahrensergebnisse der Clearingstelle zur Grundlage nehmen.

Die Hinweis- und Empfehlungsverfahren greifen generelle Anwendungsfragen auf, die viele Fälle betreffen und allgemeingültig beantwortet werden können. Anregungen dafür nimmt die Clearingstelle gern entgegen. Die Einigungs- und die Votumsverfahren dienen zur Schlichtung konkreter Streitfälle zwischen Anlagen- und Netzbetreiber.

Das Einigungsverfahren entspricht noch am ehesten der Schlichtung, weil hier die Clearingstelle keine eigene Meinung einbringt, sondern zwischen den Streitparteien eine Mediation durchführt. Anders beim Votumsverfahren: Hier wird die Clearingstelle um eine Beurteilung des rechtlichen Sachverhaltes gebeten, die von den Parteien entweder schon vorab oder auch nach Abschluss des Verfahrens als verbindlich in einen privatrechtlichen Vertrag übernommen werden kann.

Fast in jedem bisher durchgeführten Verfahren konnte so der Gang vor ein Gericht erfolgreich verhindert werden. Nur ein einziger Anlagenbetreiber war mit dem Ergebnis nicht einverstanden und klagte. Landgericht und Oberlandesgericht folgten jedoch dem Votum der Clearingstelle. Die bisherigen Einigungsverfahren führten sogar ausnahmslos zum gewünschten Erfolg. Eine förmliche Kontrolle der Tätigkeit der EEG-Clearingstelle gibt es nicht, auch nicht durch das Bundesumweltministerium. Aber, so Lovens, „die Akzeptanz der Verfahrensergebnisse kontrolliert uns, da nichts von dem, was wir veröffentlichen, aus sich heraus rechtsverbindlich ist – nur das, was die Parteien vertraglich vereinbaren“.

Die einflussreiche Position der Clearingstelle muss also immer wieder neu durch fachliche Qualität erarbeitet werden. „Die Texte sind ausdifferenziert, lang, manchmal für einen juristischen Laien schwer verständlich“, räumt Martin Winkler ein, der sich schwerpunktmäßig um die Photovoltaik kümmert. Gerichtsurteile seien manchmal weniger ausführlich, berechtigterweise. Aber: „Nur durch belastbare solide Begründungen können wir die Akzeptanz erreichen. Wir bemühen uns, es dann noch verständlich zu machen“, beispielsweise durch prägnante Zusammenfassung der Ergebnisse, aber auch durch die Möglichkeit, sich mit Fragen direkt an die Clearingstelle zu wenden.

Vorher informieren

Jeder kann sich mit schriftlichen Anfragen an die Clearingstelle wenden. Winkler und Lovens empfehlen, man solle sich vorab auf der Internetseite über die dort veröffentlichten Verfahrensergebnisse informieren. Auch ein Blick ins Gesetz kann nicht schaden. „Unsere Erfahrung zeigt, dass auch Nichtjuristen gut mit den Gesetzestexten umgehen können“, so Winkler. Und Lovens empfiehlt Betreibern eindringlich, sich frühzeitig zu informieren, um Fehlinvestitionen zu vermeiden.

Wer trotzdem keine Antwort auf seine Anwendungsfrage zum EEG findet, kann sich jederzeit an die Clearingstelle wenden. Dort klärt man dann, ob die Frage bereits in einem Verfahren bearbeitet wurde. Ist die Frage neu oder nicht eindeutig zuzuordnen und sind Anlagenbetreiber und Netzbetreiber einverstanden, kann für den Einzelfall ein Votums- oder Einigungsverfahren eingeleitet werden und seit Jahresanfang auch eine formelle Schlichtung.

Fragen von allgemeinem Interesse

Daher sollten die Betreiber auch frühzeitig mit dem Netzbetreiber Kontakt aufnehmen. Lovens: „Manchmal scheuen das die Anlagenbetreiber. Das ist aber falsch, denn spätestens wenn sie die Einspeisevergütung haben wollen, führt am Netzbetreiber kein Weg vorbei. Deshalb ist es besser, ihn frühzeitig zu kontaktieren, um Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Gesetzes rechtzeitig klären zu können.“ Einschränkend weist Lovens allerdings darauf hin, dass die Clearingstelle auch keine „Auskunftei“ sei und auch keine individuelle Rechtsberatung anbietet. Am schnellsten geht die Mediation imRahmen des Einigungsverfahrens. Hier müssen sich vor allem die Parteien über einen Termin einigen. Votumsverfahren erzielen schon innerhalb etwa drei Monaten ein Ergebnis. Geht es um grundsätzliche oder Fragen von allgemeinem Interesse, kann hierbei ein Hinweis- oder Empfehlungsverfahren vorgeschaltet werden. Je nachdem wie kompliziert die zu klärende Frage ist und wie schnell die Parteien ihre Hausaufgaben machen, können auch bis zu eineinhalb Jahre bis zum Abschluss vergehen.

Zahlreiche langwierige Gerichtsverfahren sind mit der Arbeit der Clearingstelle vermutlich schon vermieden worden. Möglicherweise gibt es auch deshalb nur eine überschaubare Anzahl von Urteilen zur Photovoltaik im EEG. Wenn dabei auf die Stellungnahmen der Clearingstelle Bezug genommen wurde, haben die Richter bisher immer deren Meinung bestätigt.

Neue Aufgaben

Die letzte EEG-Novelle hat auch die Arbeitsmöglichkeiten der Clearingstelle erweitert:
Sie darf jetzt als Schiedsgericht gemäß der Zivilprozessordnung fungieren. Haben sich die Streitparteien zuvor auf dieses Verfahren geeinigt, dann ist der Schiedsspruch kein privatrechtlicher Vertrag mehr, sondern ein vollstreckbarer Titel, ähnlich verbindlich wie ein Gerichtsurteil. Das Verfahren geht schneller als vor Gericht, weil der einen Instanz keine weiteren folgen.
Gerichte können Stellungnahmen der Clearingstelle für einen streitigen Einzelfall anfordern, ohne dass die Verfahrensgegner das übereinstimmend wünschen.
Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Clearingstelle und Bundesnetzagentur ist jetzt geregelt. Dies ist wichtig für die Streitfrage, ob Solarstrom-Selbstverbraucher bei der Nutzung des Stroms durch Dritte die EEG-Umlage bezahlen müssen.

häufigste Anfragen zu pv

• Vergütungsfähigkeit von Anlagen auf Freiflächen, beispielsweise auf Konversionsflächen, in Gewerbegebieten und entlang von Schienenwegen und Autobahnen
• Vergütungshöhen in Verbindung mit der Gebäudeeigenschaft und an Lärmschutzwänden
• Vergütungshöhen bei „baulichen Anlagen, die keine Gebäude sind“
• Fragen zum Eigenverbrauch

Thomas Seltmann

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