Einen „zukunftsweisenden Akzent für eine standardisierte Qualitätssicherung“ wollen das VDE-Institut und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme mit ihrem neuen gemeinsamen Prüflabor setzen – ein wichtiger Schritt vor dem Hintergrund des explodierenden Photovoltaikmarktes. Zwar gehörten Leistungs- und Lebensdauerprüfungen von Modulen auch bisher schon zum ISE-Angebot, das hauseigene Kalibrierlabor CalLab besteht seit 1986. Und auch das Prüfungs- und Zertifizierungsangebot des VDE-Instituts ist nicht neu. Neu ist jedoch, jedenfalls offiziell, dass die Dienstleistungen von VDE und ISE nun als Gesamtpaket angeboten werden.
Die eigentliche Alleinstellung des TZPV sieht Michael Köhl, TZPV-Projektleiter am ISE, allerdings woanders, nämlich in der Rückkopplung der Prüfungen auf die Forschung: Ziel sei es, sowohl Module und Komponenten als auch die Prüfverfahren selbst weiterzuentwickeln.
„Wir legen Wert auf die Verbindung zwischen Weiterentwicklung und Prüftechnik, andere Institute dagegen sehen die Prüftechnik eher als Selbstzweck ohne Einfluss auf die Produktentwicklung“, so Köhl. Diese forschungsorientierte Ausrichtung des TZPV entspreche im Übrigen dem Gründungsauftrag der Fraunhofer-Institute, Unterstützung für kleine und mittelständische Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung bereitzustellen. Positive Rückkoppelungseffekte erhofft sich Köhl auch in kommerzieller Hinsicht: „Das Testzentrum baut unsere Kompetenz auf und schafft Kontakte, auch für interessante Forschungsaufträge.“ Da die Kundenkreise von VDE und ISE nicht identisch sind, hofft man zudem auf eine bessere Vernetzung.
Prüfung und Zertifizierung
In der praktischen Zusammenarbeit konzentriert sich das ISE auf die Prüfung von Produkteigenschaften wie Zuverlässigkeit, Lebensdauer und Ertrag, das VDE-Institut auf (elektrische) Sicherheit und Normerfüllung. Geprüft wird nach den deutschen und internationalen Normen und Prüfungsgrundlagen. Durchgeführt werden die in den Normen der International Electrotechnical Commission (IEC) beziehungsweise den entsprechenden europäischen Normen (EN) vorgeschriebenen Prüfungen für die Bauartzulassung von Photovoltaikmodulen mit kristallinen Siliziumzellen (IEC EN 61215), für Dünnschichtmodule (IEC EN 61646) sowie die Sicherheitsprüfungen nach IEC EN 61730-1/2.
Zum Prüfkanon gehören Leistungsmessungen und Beständigkeitsprüfungen unter wechselnden klimatischen Bedingungen, für deren Simulation im TZPV sechs Klimakammern zur Verfügung stehen. Weiterhin werden die Langzeitstabili- tät der Module, Kabel und Anschlüsse unter UV-Strahlung geprüft, Kriechströme unter Benässung gemessen, mechanische Belastungstests und Bypass-Dioden-Tests ausgeführt. An einem eigens entwickelten Prüfstand werden die Module mit Eiskugeln beschossen, um die Hagelfestigkeit zu testen.
Wird das PV-Modul zusammen mit dem Befestigungssystem angeboten, werden dessen Aufbau, Wetter- und Korrosionsbeständigkeit, Haltbarkeit, Statik, Potenzialausgleich und Blitzschutz sowie die Dokumentation der fachgerechten Installation getestet. Der dazugehörige Wechselrichter muss die Anforderungen an die elektrische Sicherheit und die elektromagnetische Verträglichkeit einschließlich Netzrückwirkung erfüllen. Darüber hinaus wird im Rahmen der Beurteilung des Gesamtsystems die Sicherheit der Steckverbinder und Kabel sowie der Anschlussdosen nach relevanten Normen überprüft.
Um die nach IEC EN 61215 vorgeschriebenen 122 Einzelprüfungen durchzuführen und zugleich die verschiedenen Prüfeinrichtungen optimal auszulasten, ist am TZPV eine komplexe Prüfmusterlogistik erforderlich: Acht baugleiche Module gehen gleichzeitig an den Start und absolvieren die Prüfungen in unterschiedlicher Reihenfolge. Modulhersteller können das komplette Programm buchen, aber auch einzelne Prüfdienstleistungen in Anspruch nehmen, um beispielsweise neue Komponenten und Materialien im Rahmen einer Produktentwicklung untersuchen und qualifizieren zu lassen.
Prüfverfahren perfektionieren
Ein wesentliches Ziel des TZPV neben der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung von Photovoltaikmodulen und Anlagenkomponenten ist die Perfektionierung der angewandten Prüfverfahren. In einer Kooperation mit dem TÜV Rheinland untersucht man am ISE zurzeit, wie exakt sich die Auswirkungen unterschiedlicher Klimabedingungen in der Klimakammer simulieren lassen. Hierzu wurden im Rahmen des vom Bundesumweltministerium geförderten Programms „PV-Zuverlässigkeit“ Module in verschiedenen Teilen der Welt – auf der Zugspitze, in Indonesien, in Israel und auf Gran Canaria – stationiert und deren Alterung unter Freibewitterung mit den beschleunigten Alterungsprozessen in der Klimakammer verglichen. Aus diesem Vergleich sollen verbesserte Alterungsmodelle und Prognosen über die Langzeitstabilität von Modulen abgeleitet werden. So zeigt sich, dass es sinnvoll ist, Feuchte-Wärme- und UV-Belastungstests zu kombinieren – solche kombinierten Prüfungen sollen in der nächsten Zeit beim TZPV realisiert werden.
Probelauf seit drei Jahren
Offiziell ging das Testzentrum am 17. September an den Start, allerdings besteht das gemeinsame Dienstleistungsangebot von VDE und ISE auf informeller Basis schon seit rund drei Jahren. „Im Jahr 2005 sind die Kollegen vom VDE an mich herangetreten und haben mich gefragt, ob das was Zukunftsträchtiges wäre“, sagt Michael Köhl, der das Projekt ISE-intern voranbrachte. Von Seiten der Industrie würden die Dienstleistungen des TZPV inzwischen gut nachgefragt: 2007 habe allein der Umsatz am ISE bei einer Million Euro gelegen, zum Ende dieses Jahres rechne man schon mit zwei Millionen; rund 100 Aufträge seien gegenwärtig in Bearbeitung.
Bis zur Eröffnung des Testzentrums waren die meisten der zuvor beim VDE in Offenbach angesiedelten Prüfungen zum ISE nach Freiburg umgezogen und sind nun mit den ISE-Prüfungen unter einem Dach vereint, so dass das zuvor praktizierte, aber lästige Hin- und Herschicken der sperrigen Module zwischen Freiburg und Offenbach entfällt. Zeitgleich wurden die Kapazitäten für die Leistungs- und Lebensdauerprüfungen ausgebaut, insbesondere stehen jetzt sechs Klimakammern für die zeitaufwändigen Alterungstests zur Verfügung.
„Damit können wir unseren Kunden einen Zeitrahmen von sechs Monaten garantieren“, sagt Manfred Disser, der zuständige Fachbereichsleiter beim VDE-Institut. Davon nähmen allein die Prüfungen rund vier Monate in Anspruch. „Deshalb ist es auch nicht seriös, wenn andere Prüfinstitute behaupten, mit zwei Monaten Durchlaufzeit auszukommen.“
Akkreditiertes Labor
Bereits im November 2006 hat das TZPV den Status eines akkreditierten „Certification Body Testing Lab“ nach ISO 17025 erhalten und ist somit berechtigt, die Prüfungen für die deutsche (VDE beziehungsweise VDE-GS) und internationale Zertifizierung (IECEE CB beziehungsweise CB-FCS) von Modulen und Komponenten durchzuführen. Die CB- und CB-FCS-Prüfsiegel werden in vielen Ländern der Welt anerkannt und bilden wiederum die Grundlage für die Verleihung des begehrten GAP-Siegels, welches dem betreffenden Hersteller die Teilnahme an Ausschreibungen der Weltbank ermöglicht. Um darüber hinaus eine Zertifizierung für den nordamerikanischen Markt zu ermöglichen, in dem andere Prüfnormen gelten, nutzt der VDE eine Kooperation mit der kanadischen Zertifizierungs- und Prüforganisation CSA.
Noch ist für viele Platz
Mit diesen Prüf- und Zertifizierungsangeboten will man sicherstellen, dass Hersteller von Photovoltaikmodulen und -komponenten ihre Produkte problemlos in allen gewünschten Zielländern vermarkten können. Besonders lukrativ ist derzeit das Geschäft mit asiatischen Herstellern, die ihre Produkte in Deutschland vermarkten wollen: Das Asiengeschäft des VDE-Instituts hat sich nach eigener Angabe in den letzten vier Jahren verdoppelt, China sei inzwischen nach Deutschland der zweitgrößte Kunde des Prüfinstituts.
Auch beim ISE komme rund die Hälfte der Kundschaft aus Asien, wie Michael Köhl berichtet. Folgerichtig eröffneten VDE-Institut und ISE Anfang Oktober, nur 14 Tage nach der offiziellen Einweihung des TZPV in Freiburg, ein weiteres Testzentrum in Singapur, das unter der Ägide des dortigen Solar Energy Research Institute of Singapore (SERIS) steht. Dieses Institut wurde übrigens vom ehemaligen ISE-Chef Joachim Luther gegründet – es bleibt also alles in der Familie.
Mit ihren gemeinsamen Testzentren sichern sich VDE-Institut und Fraunhofer ISE einen prominenten Platz im lukrativen Markt der Modulprüfung und -zertifizierung. Auf diesem sind weltweit bereits mehrere Prüfinstitute aktiv, weitere versuchen gerade, sich zu etablieren. Für Projektleiter Köhl ist dies jedoch kein Grund zur Beunruhigung: Man stehe zwar im Wettbewerb mit anderen Instituten, kooperiere aber auch mit ihnen, wie beispielsweise bei der Weiterentwicklung der Prüftechnik mit dem SERIS und dem TÜV Rheinland. Derzeit sei auf dem Prüfungs- und Zertifizierungsmarkt noch Platz genug: „Im Moment tun wir uns nicht weh. Das kann sich aber vielleicht mal ändern.“ ?