„Seit Mitte der 90er Jahre bauen und betreiben wir Systeme in Bereichen, in denen PV-Anlagen zuvor wenig präsent waren“, sagt Lars Kirchner. Der Geschäftsführer von Elektro Kirchner aus dem hessischen Alheim-Heinebach sieht sich als Photovoltaik-Pionier. Mittlerweile bietet der Betrieb international Photovoltaiklösungen an, selbst für Zentralafrika.
Streitfall Sonnenei
Ein auf den ersten Blick einfaches Projekt direkt vor der eigenen Haustür führte die Vorreiter im Photovoltaikbereich nun vor den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe. Im Jahr 2006 stand die Neugestaltung des benachbarten Mustergeflügelhofs Sonnenei an. Bereits in der Planungsphase kam die Idee, die Dächer der neuen Ställe des Freilandhühnerhofs mit Photovoltaikanlagen zu versehen. Für den Solarstrom aus diesen Anlagen habe der Netzbetreiber Eon Mitte auch sofort den Einspeisetarif für gebäudeintegrierte Anlagen gezahlt, sagt Kirchner.Neben den Stalldächern hat das Unternehmen auch die per EU-Richtlinie für Freilandhöfe vorgeschriebenen Schutzhütten auf dem Gelände mit Nachführsystemen ausgestattet. Die Unterstände sind nach allenSeiten offen und haben eine quadratische Grundfläche von jeweils sieben mal sieben Metern. Sie bestehen aus vier Stahlträgern als Eckpfosten, die wiederum auf einer Höhe von etwa 2,50 Metern durch diagonal verlaufende Stahlträger miteinander verbunden sind. Die Statik der knapp 70 Unterstände sei auf die Photovoltaikanlage abgestimmt und entsprechend verstärkt worden. Eon Mitte verweigerte für diese Anlagen die Zahlung des erhöhten Einspeisetarifs für gebäudeintegrierte Anlagen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 des EEG 2004) von mindestens 57,4 Cent pro Kilowattstunde. Der Netzbetreiberargumentierte, dass die Schutzhütten nur ein Tragwerk für die Photovoltaikanlagen seien. Die hessische PV-Firma habe die Verkleidung mit den Dachplatten nur vorgenommen, um den – unzutreffenden – Eindruck eines Gebäudes nach der EEG-Vorschrift vorzutäuschen. Der Netzbetreiber war aus diesen Gründen lediglich bereit, den Tarif für Solarstrom aus Freiflächenanlagen zu zahlen. Die Firma Elektro Kirchner, die Beteiligungen von zehn bis 15 Kilowatt an den Photovoltaikanlagen vermietet hat, zahlt den Pächtern hingegen den erhöhten Einspeisetarif.
Odyssee durch die Instanzen
Die hessische Firma entschloss sich noch 2006 zu einer Klage vor Gericht. In erster Instanz unterlag Elektro Kirchner vor dem Landgericht Kassel und ging in Berufung. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte schließlich den Netzbetreiber, die erhöhte Einspeisevergütung zu zahlen. Doch Eon Mitte wollte dieses Urteil nicht akzeptieren, und schlussendlich landete der Fall beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe.In einer Leitsatzentscheidung gaben die Richter in Karlsruhe dem Netzbetreiber Eon Recht. Sie entschieden: Die Photovoltaikanlagen auf dem Mustergeflügelhof seien nicht „ausschließlich an oder auf einem Gebäude angebracht“. Die Anlage falle somit nicht unter den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 EEG 2004. Die Bundesrichter ließen mit ihrem Leitsatzurteil offen, wie genau ein Gebäude zu definieren ist. „Photovoltaikanlagen sind nur dann im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 ausschließlich auf oder an einem Gebäude angebracht, wenn das Gebäude als Trägergerüst die Hauptsache bildet, von der die darauf oder daran befestigte Anlage in ihrem Bestandabhängig ist”, heißt es im Karlsruher Urteil. Im vorliegenden Fall sei das Tragwerk ohne Zwischenschaltung eines durch eine eigene statische Trägerkonstruktion gekennzeichneten Gebäudes darauf ausgerichtet, die Photovoltaikmodule zu tragen. Die Voraussetzung für eine erhöhte Vergütung des Solarstroms erfüllten die Schutzhütten somit aus Sicht der Richter des 8. Senats nicht. Es sei für die Zahlung des gebäudeintegrierten Einspeisetarifs nicht ausreichend, wenn zwischen dem Gebäude und der Anlage über bautechnische Mittel lediglich ein Funktionszusammenhang herbeigeführt worden sei. Die Anlage müsse vielmehr durch verschiedene Mittel baulicher Verbindungstechnik derart an einem Gebäude befestigt sein, dass das Gebäude über die Statik die Anlage trägt.
Kritik am Urteil
„Die Argumentation der Richter ist für uns nicht nachvollziehbar“, sagt Lars Kirchner. Er zeigt sich sichtlich enttäuscht von der Entscheidung in Karlsruhe. Dennoch werde sich nichts daran ändern, dass den Pächtern von seinem Unternehmen weiterhin die erhöhte Vergütung gezahlt werde.Auch der Solarenergie-Förderverein kritisiert das Urteil. Die Richter hätten völlig unberücksichtigt gelassen, dass die erhöhte Vergütung für gebäudeintegrierte Solarstromanlagen vor allem deshalb gezahlt werde, um einer Flächenversiegelung vorzubeugen. Außerdem seien die Schutzhütten in der Bioland-Richtlinie zum Grünauslauf von Geflügel vorgeschrieben. Schließlich habe sich der Bundesgerichtshof auf die Klärung einer Frage konzentriert, die der Gesetzestext gar nicht stelle, so Wolf von Fabeck vom Solarenergie-Förderverein.
Jeder Fall ist anders
„Wesentlich bei der Betrachtung – wie sie durch die Richter erfolgte – ist, ob die Photovoltaikanlage noch stehen würde, wenn man sich das Gebäude wegdenkt“, sagt Christine Lucha, Mitarbeiterin der Clearingstelle EEG in Berlin. Wenn diese Frage bejaht werde, sei die Anlage nicht „ausschließlich an oder auf einem Gebäude angebracht“. Die im Oktober 2007 eingerichtete Clearingstelle EEG begrüßt, dass es eine höchstrichterliche Entscheidung zur Thematik Photovoltaik-Dachanlagen gebe. Damit sei eine Klarstellung zum Tatbestandsmerkmal „ausschließlich angebracht“ erzielt, sagt Christine Lucha. Das Urteil werde auch für die Arbeit der Clearingstelle eine Entscheidungshilfe sein. Trotz des Urteils müsse aber immer auch der Einzelfall genau berücksichtigt werden. „Jeder Fall ist anders gelagert”, meint die Mitarbeiterin der Behörde.Für die Firma Elektro Kirchner bleibt nun wohl nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Eine weitere Klage will Lars Kirchner nicht ausschließen. „Wir denken darüber nach“, sagt er.