„Sie werden hier nicht als Planer rausgehen, das sage ich Ihnen gleich“, meint Matthias Köppen von MP-Tec. Es ist acht Uhr morgens. Zwölf Handwerker und Installateure sitzen im Schulungsraum von MP-Tec in Eberswalde und blättern in ihren Büchern. Die Lektüre des Tages: „Langzeiterfahrung Solarthermie“ und „Photovoltaik für Profis“. Hilfsmittel sind Taschenrechner und dampfende Kaffeetassen. Die zwölf wollen sich in zwei Tagen zum Solarhandwerker ausbilden lassen. Dieses Zertifikat vergibt Veranstalter MP-Tec nach erfolgreicher Teilnahme an dem Seminar. Die fachkundigen Dozenten der Veranstaltung stellt die Solarpraxis.
Mindestens einer der Kursteilnehmer ist eigentlich längst ein Profi, zumindest der Anzahl installierter Anlagen nach. Zwölf Photovoltaikanlagen hat Heiko Seelig aufgebaut und angeschlossen, die letzte mit 50 Quadratmetern Modulfläche. Zwei weitere haben schon einmal Solaranlagen geplant. Seelig ist Elektrofachhandwerker und kommt, wie sieben seiner Kollegen aus dem umliegenden Land Brandenburg; einen zog es sogar aus dem fernen Süddeutschland nach Eberswalde. Schließlich sitzen noch zwei Dachdecker und zwei Heizungsbauer in der übersichtlichen Runde.
Geballtes Fachwissen
„Wer dies hier durchgeackert hat, der kann auch eine Anlage planen“, verspricht Jens Kusche, Photovoltaikex perte von der Solarpraxis. Aha, nun also doch. Kusche hält die beiden Standardwerke des Seminars hoch, die 700 Seiten geballtes Fachwissen in sich bergen. Neugierig mustern die gestandenen Handwerker den jungen Wirtschaftsingenieur. Heute geht es um eine grundsätzliche Einführung und Fehlerbeherrschung. „Verkauf, Planung und Montage von Solarstromanlagen“ steht im Untertitel der Schulungsunterlage. Kusche wirft Fotos, Grafiken und Diagramme an die Wand. Solarkonstante, Sonnen-Erd-Geometrie, Sonnenbahn – „Sie können gern Fragen stellen.“
„Wie verkaufe ich die Photovoltaikanlage? Wie kriege ich sie aufs Dach und vor allem, welche Fragen hat der Kunde?“ DarStellenangebote auf läuft es heute hinaus. Obwohl die Auftragslage bei kleinen Anlagen zurzeit eher mäßig ist, sind die Endkunden sehr motiviert und interessiert. Und sie sind oft bestens informiert.
Elektromeister Christian Rogge möchte Kundenanfragen kompetent beantworten. Willy Schulz will das Dach seines Elektrofachbetriebes bestücken. Denn „eine eigene Photovoltaikanlage ist die beste Kundenwerbung.“ Die Module liegen schon im Keller. Er will hier noch etwas hinzu lernen. Das Zertifikat wäre ihm nicht so wichtig.
Bescheinigte Kompetenz
Das Zertifikat zum Solarhandwerker erhalten die Teilnehmer, wenn sie am dritten Tage eine Prüfung absolvieren. Erst dann sind sie autorisiert, „thermische und Photovoltaikanlagen zu planen und zu installieren, sowie als zertifizierter Solarhandwerker aufzutreten.“ So steht es auf der Urkunde. Ein Kompetenznachweis an der Wand oder im Briefkopf, an dem nicht nur Elektromeister Timo Hettig gelegen ist. Auch die beiden Hünen von der Dachdeckerei Weber würden das Zertifikat nicht ablehnen. Wichtiger ist es ihnen jedoch, bei Anfragen zu Solaranlagen besser gewappnet zu sein. Welche Fragen könnten im Kundengespräch auftauchen? Da müsse man gekonnt reagieren.
„Wenn es nicht regnet, gucken wir uns heute die Anlagen draußen an“, verspricht Kusche. Die Fachschulung zum Solarhandwerker ist bewusst praxisorientiert und produktneutral ausgerichtet. Schon morgens beim Einstieg ins Thema gibt es geballte Technik im Ausstellungsraum. Unterschiedliche Solarmodule, Flach- und Vakuumkollektoren verschiedener Hersteller hängen an den Wänden, gegenüber solarthermische Regler- und Pumpeneinheiten. Alles ist offen und zum Anfassen. Zum Nachfragen gibt es genügend Zeit. Schließlich umwirbt der Systemanbieter MP-Tec die Teilnehmer zugleich als Kunden und als potenzielle Vertriebspartner. Keiner ist so nah am Kunden wie die künftigen Solarhandwerker. Und die Rechnung geht auf. „Mit etwa vier Fünfteln der Teilnehmer aus den gemeinsamen Lehrgängen mit der Solarpraxis entstehen Kooperationen“, schätzt Köppen. Und das nach erst sieben Kursen seit letztem November.
Kusche müht sich redlich. Die Fülle des Stoffes reicht von den Grundlagen des Photovoltaikgeschäftes über die Anlagenplanung und Installation bis hin zur Vermarktung und Finanzierung. Und immer wieder: „Fragen Sie bitte jetzt, machen Sie ein bisschen mit!“ oder „Das können Sie dem Kunden in die Hand drücken“. Oder aber: „Geht es zu schnell?“. Nein, zumindest kein Protest. „Wechselrichterdimensionierung und Anlagenertrag“ ist ja eben keine leichte Kost. Nach den fünf goldenen Regeln zum Arbeiten unter Spannungsfreiheit geht es erst mal in die Mittagspause. Zur Verdauung gibt es eine witzige und zugleich informative Filmeinlage „Wie man Strom aus Sand und Sonne macht“.
Draußen zieht sich der solare Carport fast ebenso lang wie die Fensterfront des Schulungsraums. Der Carport ist eine Spezialentwicklung von MP-Tec. Es regnet nicht. Also raus in den kalten Wind zum Übungspark. Auf aufgestellten Übungsdächern werden Module eingehängt, Dachsteine ab- und aufgedeckt und Sparrenanker ausprobiert. Die Dachdecker sind in ihrem Element und kommentieren mit Sachkenntnis. Bei der Kälte fällt es nicht leicht, die Hand aus der Tasche zu nehmen. Unverdrossen plaudert Kusche über Erfahrungen mit verschiedenen Modulen, Dächern, Problemen bei Indachanlagen oder Asbestdächern, an die man besser nicht rangehen sollte. Der Mann weiß, wovon er redet. Kusche ist Montage- und Planungsexperte bei der Solarpraxis. Und er hat langjährige Erfahrung in der Photovoltaikbranche, praktisch und theoretisch. Das merkt man.
Alle haben bestanden
Wieder im Schulungsraum gibt es Basiswissen zum Aufwärmen. Faustformeln für den Kunden: Ertrag und Vergütung pro Jahr, Grafiken zur Wirtschaftlichkeit von Anlagen, abhängig von Jahresertrag und Investition. Alle Blätter der Lehrmappe könnte man dem Kunden auch direkt in die Hand drücken. Alles ist optimal für das Gespräch mit dem Kunden aufbereitet.
Für Kusche ist der Kurs „ein Spagat zwischen den Anforderungen von Elektrofachingenieur und Dachdecker.“ Der eine möchte gern vertiefen, dem anderen geht es zu schnell. Mit der Frage „Wie löscht die Feuerwehr, wenn das Haus mit Solaranlage brennt und die Sonne scheint?“, stößt er einen regen Disput an. Der äußere Blitzschutz ist da schon spezieller. Der eine
möchte noch das Thema Auffangstangen diskutieren, der andere den Überspannungsschutz. Die anderen kämpfen mit der Fülle des Stoffes.
Am nächsten Tag geht es weiter mit den solarthermischen Anlagen. Die Teilnehmer kommen fast alle aus der Elektrobranche. Das war bei den vorhergehenden Lehrgängen nicht so ausgeprägt. Da waren auch die Heizungsinstallateure stark vertreten, was für die Photovoltaik ja ein lohnendes Zusatzgeschäft sein kann.
Auch der solarthermische Teil am zweiten Tag fand bei allen Kursteilnehmern großes Interesse, ebenso die praktischen Übungen zu diesen Themen. Alle haben am dritten Tag die Prüfung bestanden und können sich von nun an Solarhandwerker nennen. Das Zertifikat bescheinigt ihnen, dass sie über praktisches und theoretisches Wissen verfügen und in der Lage sind, Solaranlagen fachgerecht zu planen, zu montieren und zu warten. So wissen die Kunden genau, woran sie sind.