„Minus 90 Prozent, minus 75 Prozent, minus 80 Prozent.“ Der jüngste Verlauf der Aktienkurse bekannter Solarfirmen, den Max Deml vom Wiener Informationsdienst Öko-Invest mit Powerpoint-Grafiken skizziert, ist eindeutig. Panikstimmung kommt deshalb beim Analystenpanel zur Entwicklung des PV-Marktes im überfüllten Konferenzsaal des Berliner Hilton-Hotels nicht auf.
„Die fetten Jahre mit 300 Prozent Gewinnmargen für etliche Hersteller sind vorbei, doch das Ende der Photovoltaik ist damit nicht eingeleitet – ganz im Gegenteil“, sagt Brad Meikle von Renewable Analytics – und er steht mit dieser Einschätzung nicht alleine da. Auch Gerard Reid von Oikovest ist der Meinung, dass die weltweite Finanzkrise zwar den Markt konsolidiert und kurzfristig das Wachstum dämpft, doch der weiteren Entwicklung der Photovoltaik zumindest mittelfristig mehr nutzt als schadet. „Die Grid-Parity wird aufgrund der verstärkten Konkurrenz unter den Anbietern schneller kommen“, sagt er. Potenziale zur Kostensenkung würden besser ausgeschöpft.
Weltmarkt stagniert
Bei der Markteinschätzung für 2009 sind sich die Experten der diversen Diskussionsforen auf dem Branchentreff weitgehend einig: Einen PV-Boom wie dieses Jahr – erwartet wird beinahe eine Verdoppelung der weltweit neu installierten Leistung – wird es nicht geben. Burkhard Weiss von der Privatbank HSBC Trinkaus prognostiziert ein moderates Wachstum der globalen Nachfrage von fünf bis zehn Prozent und einen Zubau von weltweit rund 5,5 Gigawatt. Markus Hoehner von EuPD Research rechnet mit einer leichten Abnahme der weltweiten Nachfrage von 5,3 Gigawatt in 2008 auf 4,9 Gigawatt in 2009.
Verantwortlich hierfür ist neben der Finanzkrise vor allem die Deckelung der Förderung in Spanien auf maximal 500 Megawatt im kommenden Jahr – nach einem Zubaurekord von schätzungsweise 1,8 Gigawatt in 2008.
Dagegen prognostiziert Hoehner, dass sich die verschärfte Degression des EEG in Deutschland vergleichsweise eher moderat auswirkt – mit einem leichten Rückgang des Zubaus in 2009 auf 1,5 Gigawatt. Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft erwartet für das kommende Jahr sogar ein „weiteres Anziehen der Nachfrage“. Weitgehend kompensiert wird die geringere deutsche Einspeisevergütung in 2009 auch nach Einschätzung von HSBC-Analyst Weiss durch sinkende Anlagenpreise. Als Hauptursache hierfür sieht er die weltweiten Überkapazitäten der Hersteller und einen Modulüberhang von mindestens vier Gigawatt.
Sinkende Preise erwartet
Jesse Pichel von Piper Jaffray rechnet auch beim Silizium mit einer baldigen Überkapazität und einem Preisverfall, verursacht durch einen Nachfragerückgang der krisengeschüttelten Chipindustrie. „Die Anlagenpreise werden in Deutschland im kommenden Jahr ziemlich sicher um mehr als neun Prozent sinken“, sagt US-Analyst Pichel. Auch die versammelten Firmenchefs der Branche wie Jakobus Smit von Aleo Solar oder Oliver Albrecht von Centrotherm kalkulieren mit fallenden Preisen, auf genaue Prozentzahlen wollten sie sich allerdings beim CEO-Panel nicht festlegen.
Deutlich wird, dass PV-Kunden ab kommendem Jahr voraussichtlich die Gewinner der Marktkonsolidierung sein werden – das Zauberwort des seit längerem angekündigten Käufermarktes macht auf dem Forum allerorts die Runde.
Vorbei sein werden dann die Zeiten von Modulknappheit, langen
Lieferterminen, schlechtem Herstellerservice und mangelhafter Modulqualität, so wird es wenigstens von vielen Branchenvertretern und Analysten im Berliner Hilton prognostiziert.Kleinere Anlagen im Aufwind
Weitgehend Konsens besteht auch darüber, dass vor allem kleine und mittlere Anlagen im Aufwind sind. Denn sie sind weniger von erhöhten Anforderungen der Banken bei der Vergabe größerer Kredite betroffen, und die Absenkung der EEG-Vergütung beeinflusst ihre Wirtschaftlichkeit weniger stark als die von Großanlagen.
So prognostiziert EuPD Research bis 2012 ein Anwachsen des jährlichen Zubaus von PV-Anlagen auf Wohngebäuden in den vier wichtigsten europäischen Märkten (Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich) von 978 Megawatt auf 1,2 Gigawatt. Entsprechend erwarten die Bonner Analysten, dass die großen Freiflächenanlagen von derzeit zwei Gigawatt bis zum Jahr 2012 auf 400 Megawatt schrumpfen werden.
Deutschland gut im Rennen
Die Photovoltaik in Deutschland liegt aufgrund eines breit aufgestellten Marktes, des guten Know-hows und vor allem wegen der gesetzlich abgesicherten Einspeisevergütung trotz der Finanzkrise gut im Rennen, lautet eine weitere Botschaft aus dem Berliner Hilton.
Wobei der warnende Zeigefinger dann zumindest bei der politischen Diskussionsrunde doch noch erhoben wird: „Wenn im kommenden Jahr eine schwarz-gelbe Regierung kommt, haben wir schon bald die nächste EEG-Novelle am Hals“, sagt nicht nur Hans-Josef Fell. Der Energieexperte der Grünen, der als einziger Bundestagsabgeordneter der Einladung zur Teilnahme am 9. Forum Solarpraxis folgte, ruft denn auch dazu auf, die Vorteile der Solarstromnutzung noch breiter zu kommunizieren. Denn zumindest in den kommenden Jahren bleibt der PV-Markt weiterhin politisch gestützt – auch wenn er sich in der Zukunft wirklich schneller zum Käufermarkt entwickeln wird.