Wie hat sich der Photovoltaikmarkt in der Schweiz im vergangenen Jahr entwickelt?
David Stickelberger: Die definitiven Zahlen haben wir noch nicht. Aber wir gehen davon aus, dass der Zubau im vergangenen Jahr bei rund 250 Megawatt lag. Das ist ein deutlicher Rückgang. Im Jahr 2015 lagen wir bei 337 Megawatt.
Worauf führen Sie diesen Einbruch zurück?
Es gibt faktisch keine Einspeisevergütung mehr. Nur ein ganz kleines Kontingent wurde im vergangenen Jahr für die Einspeisevergütung freigegeben. Alle Anlagen unter 30 Kilowatt können von der Einmalvergütung profitieren. Für die größeren Anlagen gibt es das nicht. Deshalb wurden 2016 zwar gleich viele oder sogar noch mehr Anlagen als im vorangegangenen Jahr gebaut. Aber sehr viel mehr kleine Anlagen. Dieses Segment kann aber bezüglich der neu installierten Leistung den Rückgang im Segment der größeren Anlagen nicht kompensieren.
Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) ist ausgebucht?
Ja, das ist so. Wer sich da jetzt noch anmeldet, ist absolut chancenlos.
Gibt es Hinweise, dass die Einmalvergütung auch für größere Anlagen eingeführt werden könnte?
Das sollte so kommen. Die Einmalvergütung soll für Anlagen bis 50 Megawatt zugelassen werden.
Das klingt positiv. Jetzt gilt es nur noch, das Inkrafttreten der Energiestrategie 2050 abzuwarten?
Genau. Aber dazu braucht es einen positiven Volksentscheid am 21. Mai, damit die Beschlüsse ab 2018 in Kraft treten können. Das wird keinen Boom auslösen, aber die momentane Phase der Unsicherheit ist dann vorbei. Schon in der zweiten Jahreshälfte 2017, nach dem hoffentlich positiven Abstimmungsergebnis, dürfte es ein bisschen Schub geben. Dazu kommt, dass dann wahrscheinlich noch einmal ein kleines Kontingent für die KEV freigegeben wird, weil man weiß, dass die Umlage ab 2018 erhöht wird und damit mehr Geld verfügbar ist.
Welche Rolle spielen die Kantone?
Diese sind für die Regulierung der Energieversorgung in Gebäuden zuständig. Sie setzen derzeit die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn 2014) um. Das sollte bis 2020 abgeschlossen sein, trotz beträchtlicher Widerstände in einigen Kantonen. Für uns besonders interessant ist die Pflicht zur Eigenstromversorgung in Neubauten. In, auf oder an neu errichteten Gebäuden muss eine Elektrizitätserzeugungsanlage mit einer Leistung von mindestens zehn Watt pro Quadratmeter Energiebezugsfläche und insgesamt maximal 30 Kilowatt installiert werden, was in den meisten Fällen eine Photovoltaikanlage sein wird. Das wird auch noch einmal einen Anstoß geben, sofern die Möglichkeit zu Ersatzabgaben nicht zu extensiv ausgelegt wird.
Mit welchem Zubau rechnen Sie dann?
Das sollte alles in allem dazu führen, dass wir 2018 zwischen 300 bis 350 Megawatt pro Jahr installieren werden.
Die Energiestrategie ist ein Kompromiss. Wie bewerten Sie diesen aus Sicht der Photovoltaik?
Wir sind nicht absolut begeistert von dem, was da erarbeitet wurde. Besonders stoßend ist der Verzicht auf verbindliche Abschaltdaten für die AKW. Nachteilig für uns ist auch die vorgesehene finanzielle Unterstützung der bestehenden Wasserkraftwerke, weil das Geld nun bei den neuen Erneuerbaren fehlt. Aber realpolitisch gesehen war die Einbindung der Wasserkraft wohl richtig. So können auch die Berggebiete hinter der Energiestrategie stehen. Und wir können jetzt in unserer politischen Arbeit darauf hinweisen, dass sich Photovoltaik und Wasserkraft gegenseitig sehr gut ergänzen.
Können Sie das kurz erklären?
Das, was Deutschland nicht hat, das haben wir. Nämlich die Speicherseen für den saisonalen Ausgleich und die Pumpspeicherkraftwerke als Tagesspeicher. Bei Letzteren werden die Kapazitäten momentan verdreifacht. Wirtschaftlich ist das derzeit ein Desaster für diejenigen, die das gebaut haben. Ein massiver Photovoltaikausbau wäre für sie hilfreich, indem sie billigen Strom am Mittag zum Hochpumpen verwenden und abends turbinieren.
Hält die Energiestrategie Verbesserungen für die Photovoltaik bereit?
Positiv wird sich die Energiestrategie auf Eigenverbrauchsgemeinschaften auswirken, die neu auch parzellenübergreifend möglich sind. Das ist ein sehr interessantes Modell für Mehrfamilienhäuser und Gewerbebetriebe. Wir werden sehen, wie das funktioniert, wenn die Detailregelungen ausgearbeitet und in Kraft sind. Wichtig ist zudem die Erhöhung des maximalen Netzzuschlags von heute 1,5 auf 2,3 Rappen pro Kilowattstunde. Allerdings ist ein großer Teil dieser Mittel für die Wasserkraft reserviert. Er steht für die Photovoltaik nicht zur Verfügung.
Wie lohnt sich der Eigenverbrauch in der Schweiz?
Das ist nicht ganz so rentabel wie in Deutschland. Die Strompreise liegen jetzt für Haushaltskunden im Durchschnitt bei etwa 20 Rappen. Aber eigentlich muss man für die Berechnung der Wirtschaftlichkeit des Eigenverbrauchs den Tagesstromtarif nehmen. Für diesen Tarif gibt es keine Erhebung über den Durchschnitt. Aber ich vermute, der liegt im Bereich von 25 Rappen. Das ist die Referenz. Wir produzieren in der Schweiz den Solarstrom zu zwölf bis 18 Rappen, je nach Anlagengröße. Das macht den Eigenverbrauch grundsätzlich interessant.
Wie kommt der Zubau von Eigenverbrauchsanlagen voran?
Es gibt zwei Probleme. Das eine ist der Rückliefertarif für den überschüssigen Strom. Da sinken die Vergütungen zurzeit, gestützt auf einen Entscheid der zuständigen Aufsichtsbehörde Elcom, wonach der Einkaufspreis für Graustrom als Referenz dient. Das führt dazu, dass im schlimmsten Fall beispielsweise bei der BKW nur noch vier Rappen pro Kilowattstunde bezahlt werden. Mit der Energiestrategie werden nicht nur die Kosten des Stromeinkaufs, sondern auch jene der Eigenproduktion relevant für die Berechnung. Dadurch sollte es eine leichte Erhöhung der Rückliefertarife geben. Die zweite Baustelle ist die Einführung von Leistungstarifen. Das ist bisher für Anlagen unter zehn Kilowatt nicht zulässig. Aber darüber ist es leider so, dass viele Energieversorger einfach eine Leistungsmessung einbauen. Dann sind sie frei bei der Festlegung der Leistungskomponente der Strombelieferung, die dann höher ausfällt. Das ist ein riesiges Hindernis für größere Eigenverbrauchsanlagen. Dieser Punkt ist leider nicht Gegenstand der Energiestrategie, sondern der Revision des Stromversorgungsgesetzes. Diese steht erst ganz am Anfang der politischen Debatte.
Welche Alternativen zur KEV und zur Einmalvergütung sehen Sie?
Da werden Ausschreibungen, Kapazitätsmärkte und Quotenmodelle diskutiert. Auch von einer Lenkungsabgabe aufgrund des Dreckstromanteils ist die Rede. Das ursprüngliche Konzept des Klima- und Energielenkungssystems (KELS) wird nicht kommen. Das wissen alle. Die Vorschläge, die jetzt eingebracht werden, zeigen schon einmal, dass man sich grundsätzlich Gedanken darüber macht, wie der Strommarkt in Zukunft funktionieren soll. Mit den Erlösen von drei Rappen pro Kilowattstunde, die am Spotmarkt erzielt werden können, wird das nicht funktionieren. Zu diesem Handelspreis wird kein einziges Kilowatt neuer Leistung mehr installiert, egal mit welcher Technologie.
Was wäre der richtige Anreiz?
Wir brauchen ein anderes Marktmodell. Das können wir auf einen einfachen Nenner bringen. Das heutige Strommarktdesign ist so ausgelegt, dass nur die Betriebskosten gedeckt werden. Solarenergie hat aber fast keine Betriebskosten. Deshalb brauchen wir ein Modell, mit dem die Investitionskosten gedeckt werden.
Wie kann so etwas aussehen?
Das wird nicht ausschließlich mit Ausschreibungen gehen. Man kann sich vorstellen, dass man Kleinanlagen über die Einmalvergütung laufen lässt und daneben gibt es Ausschreibungen für größere Anlagen. Es ist extrem wichtig, dass kleine Anlagen gebaut werden, die dann einen Beitrag zur Energieversorgung leisten können und gleichzeitig für eine Verankerung der Energiewende in der breiten Bevölkerung sorgen.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
David Stickelberger
ist seit 1998 Geschäftsleiter von Swissolar. Der schweizerische Dachverband der Solarbranche hat fast 300 Mitglieder. Stickelberger hat Geografie an der Universität in Zürich studiert, bevor er in der kommunalen Umweltberatung tätig wurde. Danach leitete er die Klima- und Energiekampagne von Greenpeace Schweiz.