Der Eigenverbrauch von Solarstrom wird in Zukunft der Treiber für den Zubau in der Schweiz sein. Die Einspeisevergütung ist kaum noch relevant. Die Netzbetreiber und Energieversorger sabotieren diese Entwicklung durch irrwitzige Tarifbestimmungen.
Die Installateure haben in der Schweiz 2015 genauso viel Solarstromleistung zugebaut wie im Jahr 2014. Nach vorläufigen Zahlen der beim eidgenössischen Branchenverband Swissolar bisher eingegangenen Anlagenmeldungen betrug der Zubau 280 bis 300 Megawatt. Das teilt David Stickelberger, Vizepräsident von Swissolar, auf der jährlichen Photovoltaiktagung des Verbands mit. „Das ist zwar eine Stagnation, aber dass der Markt nicht wie in anderen europäischen Ländern schrumpft zeigt, dass die Unternehmen und Installateure mit den Unsicherheiten umgehen können, die im Zuge der politischen Debatte um die Energiestrategie 2050 entstanden sind, und entsprechende Angebote machen können“, betont Stickelberger.
Zubau muss verdoppelt werden
Insgesamt ist damit in der Schweiz eine Gesamtleistung von 1,35 Gigawatt installiert. Die Solaranlagen decken inzwischen schon zwei Prozent des Stromverbrauchs der Eidgenossen. „Damit könen wir aber nicht zufrieden sein, denn wir wollen einen maßgeblichen Teil des wegfallenden Stroms aus den Atomkraftwerken, wenn dieses geschlossen sind, mit Photovoltiakstrom ersetzen“, erklärt Stickelberger. Als Ziel gibt er etwa zwölf Terawattstunden aus, die die Photovoltaik in der Schweiz im Jahr 2035 liefern soll. Damit ersetzt die Solarbranche immerhin zwei Drittel des Atomstroms, der heute noch durch die Netze der Schweiz fließt. Derzeit ist die Branche bei etwa 1,5 Terawattstunden pro Jahr. Das bedeutet, dass der Zubau nicht auf diesem Niveau bleiben darf, sondern mindestens verdoppelt werden muss. Christian Breyer von der Lappeenranta Univertity of Technology in Finnland hat es ausgerechnet. „Mit einer Verdopplung wird man in der Schweiz nicht hinkommen“, sagt er. „Der Zubau muss bei etwa 600 bis 800 Megawatt jährlich liegen, um dieses Ziel zu erreichen.“
Unsicherheiten hemmen den Zubau
Doch bisher sieht es eher so aus, dass der Zubau in den kommenden Jahren stagniert. „Wir müssen bis 2018 mit einem schwächelnden Markt rechnen“, warnt Stickelberger. „Denn bis dahin sind die Rahmenbedingungen weiter unsicher.“ Das liegt vor allem an der langwierigen Debatte um die Energiestrategie 2050, die nach zwei Jahren Diskussion immer noch nicht verabschiedet ist. Immerhin steht schon mal ein Fahrplan fest. Bis zum Juni dieses Jahres sollen alle Differenzen im National- und im Ständerat bereinigt und die Energiestrategie beschlossen werden. Im September oder November dieses Jahres wird die Volksabstimmung über den Atomausstieg stattfinden.
Energiestrategie entweder 2018 oder 2019
Danach wird es holprig. Geht es nach dem Nationalrat beginnt die Referendumsfrist für die Energiestrategie 2050 gleich nach der Verabschiedung durch die Parlamente. Die Volksabstimmung könnte dann im Februar oder im Mai 2017 stattfinden, so dass die Energiestrategie zum 1. Januar 2018 in Kraft treten kann. Der Ständerat will das noch hinauszögern. Er will das Referendum erst nach der Abstimmung über den Atomausstieg beginnen lassen. Die Volksabstimmung würde sich dann bis September 2017 Hinauszögern. Damit könnte die Energiestrategie nicht schon zu Beginn 2018, sondern erst am 1. Januar 2019 in Kraft treten. Erst wenn die Energiestrategie 2050 in Kraft ist, wird der Markt auch wieder anziehen.
Eigenverbrauch bestimmt den Markt
Ein Teil dieser Energiestrategie ist – darauf haben sich National- und Ständerat schon geeinigt – das Auslaufen der Kostendeckenden Einspeisevergütung sechs Jahre nach Inkrafttreten der Energiestrategie. Das ist aber kein großes Problem, da in Zukunft ohnehin der Eigenverbrauch bei der Finanzierung der Anlagen die dominierende Rolle spielen wird. Das wird auch für Unternehmen interessant, wenn die Einmalförderung auch auf Anlagen mit einer Leistung von mehr als 30 Kilowatt ausgeweitet wird. Bisher können nur Betreiber von kleineren Anlagen diesen Investitionszuschuss in Anspruch nehmen. Zwar hat der Solarstrom in der Schweiz längst Netzparität erreicht. Das bedeutet, der Solarstrom ist inzwischen billiger als der Strom, den der Verbraucher vom Energieversorger bezieht.
Versorger haben Angst
Doch die Versorger haben Angst um ihre Geschäfte. Deshalb versuchen sie in ihrer Eigenschaft als Netzbetreiber durch irrwitzige Anforderungen beim Anschluss von Eigenverbrauchsanlagen den Preis für den Solarstrom in die Höhe zu treiben. Als Beispiel nennt David Stickelberger hohe Zählergebühren und aufwändige und teure Messkonzepte. Außerdem zahlen die Netzbetreiber für den in Netz eingespeisten überschüssigen Solarstrom nur minimale Preise, während sie ihn an die eigenen Kunden für viel Geld wieder verkaufen. Dazu kommen noch gesonderte Leistungstarife, die zwar für Betreiber kleiner Anlagen bis zehn Kilowatt Leistung untersagt sind. Doch für Betreiber größerer Eigenverbrauchsanlagen verlangen die Netzbetreiber immer noch höhere Anschlussgebühren als für die Kunden, die ihren gesamten Strom vom Energieversorger beziehen – ein Praxis, die auf vehemente Kritik aus der Branche stößt. (Sven Ullrich)