Rund 200 Teilnehmer füllen laut dem Veranstalter Conexio-PSE den Saal im Berliner Novotel am Tiergarten. Volker Oschmann eröffnet die 13. Tagung Zukünftige Stromnetze inhaltlich und blickt auf das Erreichte in dieser Legislaturperiode. Er ist Ministerialdirektor für Energie im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK).
Zerez beschleunigt die Netzanschlüsse
Besonders wichtig sei, betont Oschmann, dass das Zentrale Register für Einheiten- und Komponentenzertifikate, kurz Zerez, nun endlich zum 1. Februar 2025 starte. Das Netzanschlussverfahren für Solaranlagen wird so digitalisiert, beschleunigt und auch transparenter. Die Versendung von Dokumenten via Post zwischen Anlagenbetreibern, Zertifizierungsstellen und Netzbetreibern wird endlich überflüssig. Auch dass sich SPD, B 90/Grüne und die Unionsparteien noch auf einen Kompromiss zu den Änderungen des Energierechts geeinigt haben, sei ein wichtiger Erfolg nach dem abrupten Ende der Ampelregierung. Das sogenannte Solarspitzengesetz konnte somit noch im Bundestag verabschiedet werden – und in Kraft treten.
Es gibt weitere Erfolge: „Die Erneuerbaren haben im vergangenen Jahr 55 Prozent am Strommix ausgemacht“, sagt Oschmann. Der Solarzubau lag 2024 bei rund 16 Gigawatt. Künftig gelte es aber, fossiles Gas vollständig zu ersetzen. Nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine habe man billiges russisches Gas gegen teures Flüssiggas (LNG) getauscht.
Effizienz hilft, Kosten zu sparen
Besonders die Kosten für Energie werden ein entscheidendes Thema in der nächsten Legislaturperiode werden – egal, wer dann in der Bundesregierung sitzt. Beim sogenannten Redispatch konnte im vergangenen Jahr bereits eine Milliarde Euro gespart werden. Durch mehr Effizienz im System sollen die Energiekosten künftig möglichst gering gehalten werden, verspricht Oschmann und verweist in der Umsetzung auch auf den nächsten Sprecher: Klaus Müller.
Der Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA) kommt dann mit reichlich Energie auf die Bühne. Müller skizziert die künftigen Handlungsstränge seiner Behörde. Der Netzausbau sei auch in Zukunft nötig, wobei jeder Kilometer, der nicht nötig sei, auch gern eingespart werden könne, erklärt er. Immerhin ist seine Behörde auch für die Überwachung der Netzkosten zuständig.
215 Gigawatt Solar, 15 Millionen E-Autos
Innovativ ist ein regelrechter Paradigmenwechsel bei der Netzplanung und im Betrieb: Kompetenz, Innovationen und Digitalisierung sollen bei den Verteilnetzbetreibern künftig mehr honoriert werden. Nach jedem Quartal will die Behörde ein Monitoring über den Fortschritt der Digitalisierung im Verteilnetz veröffentlichen – und so indirekt mehr Wettbewerb zwischen den Verteilnetzbetreibern entfachen. „Ich freue mich jetzt schon, am Ende jedes Quartals die neuste Statistik freizugeben“, sagt der BNetzA-Chef, „um zu zeigen, wie weit wir sind – oder eben nicht sind. Nennen sie es ‚shaming and blaming‘, ich nenne es Transparenz.“
Die Ausbaupläne der Bundesregierung bei Ökostrom gelten nach wie vor. Bis 2030 sollen 360 Gigawatt an Ökostromanlagen am Netz sein, Solaranlagen sollen davon 215 Gigawatt bereitstellen. Das bedeutet ab 2026 einen jährlichen Zubau von 36 Gigawatt an Ökostromanlagen. Auch sechs Millionen Wärmepumpen und 15 Millionen E-Autos werden dann als Verbraucher am Verteilnetz hängen. Digitalisierung im Netz und die Steuerung der Verbraucher sind dafür absolut entscheidend.
Das flexible Management der Verbraucher wird ein wirksames Instrument für die Netzbetreiber sein. „Der Paragraf 14a im Energiewirtschaftsgesetz ist ein erster Schritt“, sagt Müller. Die Regelung ermöglicht eine flexible Steuerung von Geräten wie Wärmepumpen, Stromspeichern und E-Auto-Ladestationen.
Smart Meter für Steuerung benötigt
Technische Voraussetzung dafür sind allerdings Smart Meter. Also digitale Steuereinheiten oder ein Energiemanagement, um die Verbraucher entsprechend zu regeln. Und der Ausbau der digitalen Steuereinheiten hakt seit Jahren oder geht nur schleppend voran. Hier soll das aktuelle Gesetzespaket nachbessern und Anreize schaffen. Allerdings biete ein anderes neues Thema sehr großes Potenzial für die Flexibilisierung: Über bidirektionales Laden werden in Zukunft viele Millionen E-Autos Strom wieder für das Energiesystem zur Verfügung stellen, meint Müller. Dezentral und effizient. Und das könnte auch viel Geld sparen.
Vorteile durch bidirektionales Laden
Stromer könnten über die bidirektionale Ladetechnik Strom speichern und ins Netz zurückspeisen. In der aktuellen Studie von Transport & Environment (T&E) beziffern die beauftragten Fraunhofer-Institute das Einsparpotenzial für Energieversorger und Verbraucher in der EU auf bis zu 22 Milliarden Euro jährlich. Das wären rund acht Prozent der Kosten für den Bau und Betrieb des EU-Energiesystems.
Von 2030 bis 2040 könnte die netzwirksame bidirektionale Technik laut den Forschern EU-weit mehr als 100 Milliarden Euro einsparen. Allein in Deutschland ist nach den Studienergebnissen bis 2040 eine jährliche Entlastung von rund 8,4 Milliarden Euro möglich.
Wie kommen die vielen Milliarden zustande? Die Speicherkapazität der E-Auto-Flotte verbessert insbesondere die Integration von Solarstrom ins Energiesystem. Durch die Fahrzeugakkus kann laut der Studie der Bedarf an teureren, stationären Zwischenspeichern in der EU um bis zu 92 Prozent sinken. Zusätzlich könnte die installierte Solarpower im gleichen Zeitraum um bis zu 40 Prozent steigen.
Ladestatus der Batterien wird optimiert
Fahrer von E-Fahrzeugen profitieren künftig vom bidirektionalen Laden: Die Studie prognostiziert für die Prosumer in der EU erheblich geringere Stromkosten. Zudem dürfte die Lebensdauer der Akkus im E-Auto durch smartes bidirektionales Laden sogar zunehmen, da der Ladestatus der Batterien optimiert wird.
Bislang wurde das bidirektionale Laden nur in verschiedenen Pilotprojekten erprobt. Und gerade im Automarkt Deutschland sind noch einige Hürden zu überwinden: Der schleppende Rollout bei Smart Metern, ohne die das sogenannte V2G nicht funktioniert, wurde schon erwähnt – und auch der nötige rechtliche Rahmen fehlt noch.
Stromnetze haben noch Kapazitäten
Denn Solar- oder Windparks abzuschalten, sollte immer das letzte Mittel sein. Die Stromnetze haben durchaus noch Kapazitäten. In einer neuen Studie zeigen Experten der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ETG), wo es im Stromnetz noch Reserven gibt, um den Ökostromausbau zu beschleunigen. Kurzfristig könnte beispielsweise eine höhere Auslastung der Betriebsmittel um bis zu 60 Prozent das Stromnetz enorm entlasten.
Die VDE-Experten liefern hierzu praktisch umsetzbare Ansätze für eine moderne Betriebsführung – ohne die Materialgrenzen unzulässig zu überschreiten. „Wir möchten die Betreiber und Planer ermutigen, die neuen Ansätze tatsächlich umzusetzen. Denn mit vergleichsweise einfachen Mitteln könnten Millionen Tonnen Kohlendioxid gespart werden“, betont der Leiter der Arbeitsgruppe Professor Maik Koch von der Hochschule Magdeburg-Stendal.
Moderne Betriebsführung spart Geld
Mit dieser Strategie könnten die Stromnetze schnell an den Ausbau der erneuerbaren Energien angepasst werden, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden.
Die aktuelle Studie betrachtet Betriebsmittel, die für die Übertragung von Strom besonders wichtig sind, also Transformatoren, Freileitungen, Kabel, Schaltgeräte und Schaltanlagen. VDE ETG schätzt die zusätzliche Belastbarkeit je nach Betriebsmittel auf bis zu 60 Prozent. Klar ist: Der Fortschritt beim Netzausbau der letzten Jahre konnte nicht mit dem rasanten Zubau von Ökostromanlagen mithalten. Immer häufiger gibt es stellenweise mehr Stromangebot als Abnehmer. Windräder müssen abgeschaltet werden und große Solar- und Windparks können nicht ans Netz gehen, weil einfach die Netzkapazitäten fehlen. Außerdem kommt es im Netzbetrieb zu Engpässen, bei denen die Netzbetreiber kurzfristig eingreifen müssen. Die Kosten der Redispatch-Eingriffe sind zwar etwas gesunken, aber weiter erheblich.
Leistung bei der Übertragung erhöhen
In der Analyse wird dabei klar zwischen einer zulässigen Höherauslastung innerhalb der Materialgrenzen und einer unzulässigen Überlastung mit inakzeptablen Risiken für die Technik unterschieden. Das ist natürlich essenziell. Die Experten berechneten bei Kabeln eine höhere Strombelastbarkeit von bis zu 60 Prozent, bei Transformatoren von bis zu 50 Prozent.
Leiterseile können demnach bis zu 58 Prozent mehr Belastung aushalten, wenn auf witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb umgestellt wird. Dabei wird aus Wetterdaten dynamisch die aktuelle Strombelastbarkeit berechnet und an die Leittechnik übergeben. Bei Schaltanlagen wiederum liegt die zusätzliche Belastbarkeit bei 15 Prozent, was durch eine verbesserte Kühlung oder digitale Überwachung mit Sensoren erreicht werden kann.
Fehlerzahl und Alterung im Fokus
Für einen flächendeckenden Einsatz der Maßnahmen sollte demnach das Zusammenspiel aus technischer Regelsetzung, den tatsächlichen physikalischen Möglichkeiten und rechtlichen Restriktionen aus Haftungsrisiken beachtet werden. Die erhöhte Auslastung könne sich natürlich auch auf die Fehlerhäufigkeit sowie die Alterung der Komponenten auswirken. Die Taskforce empfiehlt daher, beide Kenngrößen zu überwachen.

Foto: Conexio

Foto: Wemag
McKinsey
Strombedarf 2035 voraussichtlich geringer als bisher erwartet
Der Nettostromverbrauch in Deutschland könnte in den kommenden Jahren weniger stark ansteigen als in den aktuellen Planungen der Bundesregierung angenommen. Die derzeit schwache Konjunktur sowie eine geringere Nachfrage nach Elektroautos und Wärmepumpen könnten demnach zu einem deutlich geringeren Strombedarf führen.
Der Strombedarf könnte 2030 bei nur 530 Terawattstunden im Jahr liegen. Und damit deutlich unter der Annahme der EEG-Novelle von 670 Terawattstunden – aber weit über dem Wert von 2022 mit 480 Terawattstunden. Auch im Jahr 2035 würde der Strombedarf mit 635 Terawattstunden unter den Annahmen des Netzentwicklungsplans von 774 bis 1.002 Terawattstunden liegen.
Mit einem Ausbau der Kapazitäten für Erneuerbare sowie des Netzes, der sich am tatsächlichen Bedarf orientiert, könnten die Investitionen bis 2035 von der Spanne 700 bis 850 Milliarden Euro um 45 Prozent auf 450 bis 550 Milliarden Euro reduziert werden. Das würde den Strompreis von rund 50 Cent auf 36 bis 38 Cent pro Kilowattstunde begrenzen. Dies belegt eine aktuelle Analyse der Berater von McKinsey. Dafür wurde der Strombedarf von Industrie, Haushalten sowie Transport, Fernwärme, Wasserstoff und Datenzentren sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen modelliert. Zusätzlich wurden mehr als 400 Unternehmen hierzulande befragt.
E3/DC
Bidirektionales Laden mit Ford Explorer und Capri
Speicherhersteller E3/DC setzt mit der Ladelösung Edison V2H auf bidirektionale DC-Laden als Erweiterung des Hauskraftwerk-Konzepts. Der Ford Explorer und der neue Capri verfügen nun bewusst über die Möglichkeit des bidirektionalen Ladens. „Wir halten diese Technologie für eine wichtige Säule zukunftsfähiger Energieversorgung“, erklärt Ford-Manager Oliver Adrian. Durch das bidirektionale Laden können E-Autos künftig auch im parkenden Zustand eine wichtige Funktion übernehmen: Die Stromer helfen als zusätzliche Speicher, die Stromerzeugung vor Ort flexibel an den aktuellen Bedarf anzupassen.
Die Möglichkeit, gespeicherten Solarstrom gezielt in die Gebäudeversorgung einzubringen, besteht künftig für die Ford Modelle mit einer Hochvoltbatterie, die 77 oder 79 Kilowattstunden fassen. Für die Hochvoltbatterie im Fahrzeug gilt eine Entladeuntergrenze von mindestens 20 Prozent, damit die E-Auto ständig fahrbereit bleibt. Die Ladelösung Edison V2H besteht aus der bidirektionalen DC-Ladestation Edison Connect und dem DC/DC-Wandler Edison Power. In Kombination mit einem neuen Hauskraftwerk S10 E Compact ist die V2H-Wallbox über zertifizierte Fachpartner bestellbar.

Foto: Ford
EM-Power Europe
Intelligente Lösungen für mehr Flexibilität
Mehr Stromspeicher und eine höhere verbrauchsseitige Flexibilität sind wirksame Maßnahmen gegen negative Strompreise. Das Leistungsäquivalent ganzer Kraftwerke lässt sich auf diese Weise zeitlich verschieben. Informieren Sie sich bei den Ausstellern der EM-Power Europe vom 7. bis 9. Mai 2025 in München darüber, wie sich Flexibilität intelligent in das Energiesystem integrieren lässt.
Zudem gibt es praxisnahe Vorträge: Der europäische Verband Smarten gestaltet zum Beispiel eine Session zur Optimierung der Netze durch nachfrageseitige Flexibilität. Messebesucher aus Industrie und Gewerbe können sich darüber informieren, wie sie durch eine flexible Energienutzung Kosten sparen und neue Einnahmequellen erschließen. Ein weiteres Thema sind Home Energy Management Solutions (HEMS), mit denen Prosumer ihren Stromverbrauch steuern können. Die EM-Power Europe ist Teil von The smarter E Europe.