Es ist ein schöner Frühlingssamstag, aber anstatt mit seinen beiden Kindern draußen zu toben, steht Klaus Röder in der Halle 4 der Messe München und berät ein Ehepaar, wie sie mit einer Solaranlage ihren eigenen Strombedarf decken können. Röder ist gelernter Schlosser, hat sich vor vier Jahren zum Solarteur weitergebildet und arbeitet nun als freier Fachverkäufer für S-Tech Energie im bayrischen Winhöring.
Ob auf der Messe, auf dem Dach oder bei der Beratung im Wohnzimmer – Schichten am Wochenende oder abendssind für Installateure keine Seltenheit. Besonders schlimm war es vor den letzten Degressionsstufen. „Der helle Wahnsinn“, erinnert sich Angelika Frey an die drei Schlussspurts im Juni, Oktober und Dezember 2010. Frey organisiert die Solarsparte bei der Hörmann Energie- und Gebäudetechnik GmbH. So schlimm wird es dieses Jahr wohl nicht werden, sind sich Röder und Frey einig, doch dass Installateure keine Arbeitszeiten von acht bis 16 Uhr haben, daran wird sich nichts ändern. „Die Kunden wollen nun mal beraten werden, wenn sie zu Hause sindund das sind sie meistens nicht während der gängigen Bürozeiten“, sagt Röder. Ob Geschäftsführer oder Angestellter, wen man auf der Messe auch fragt, sie alle kennen die Einsätze zu Unzeiten. Schlimm finden es die Befragten aber meist nicht. „Ein Eisverkäufer beschwert sich auch nicht, wenn im Sommer der Laden brummt“, sagt einer.
Wie aber lassen sich dabei Beruf und Familie vereinbaren? „Es geht“, meint Solarteur Röder, „alles eine Sache der Organisation.“ Natürlich hilft es, wenn der Betrieb die Arbeitnehmer dabeiunterstützt. „Wir haben hier ein gutes Klima. Wenn jemand mal einen Termin am Vormittag hat oder Kinder abholen muss, sprechen wir das ab. Da muss niemand Angst haben, dass ihm das negativ ausgelegt wird “, erzählt Frey. Vor ihrem Wechsel ins Solarhandwerk war sie in einem großen Industriebetrieb beschäftigt. „Da war das keineswegs so flexibel.“ Seine Flexibilität ist ein Pluspunkt für den Handwerksbetrieb, mit dem er offensiv umgehen könnte. „Das stimmt eigentlich, aber das war mir gar nicht so bewusst“, meint Frey. Das sei typisch, sagt Irene Ossa-Moyzes vom Familiennetzwerk der Deutschen Industrie- und Handelskammer. „Mehr als drei Viertel aller Handwerksbetriebe sind familiengeführt. Damit herrscht in den Betrieben eine natürliche Sensibilität für das Thema, und Familienfreundlichkeit wird häufig bereits umgesetzt. Allerdings ist das oftmals weder den Unternehmen noch ihren Beschäftigten bewusst.“ Und das ist schade, denn Betriebe, die familienfreundliche Unternehmensführung ausbauen und dies auch nach innen und außen kommunizieren, haben bessere Chancen, gute Mitarbeiter an sich zu binden.
„Für den überwältigenden Teil aller Beschäftigten mit Kindern ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mindestens genauso wichtig wie das Gehalt, egal ob Mann oder Frau“, meint Ossa-Moyzes. „Gerade für junge Väter oder Männer spielt Familie eine immer wichtigere Rolle.“ Dazu komme, dass bereits heute mehr als 30 Prozent der Handwerksbetriebe über Fachkräftemangel klagen. Der Facharbeiteranteil ist im Handwerk so hoch wie in keinem anderen Wirtschaftsbereich, somit hängt der wirtschaftliche Erfolg von der Qualifikation und der Leistungsbereitschaft der im Handwerk Beschäftigten ab.
Wie in der industriellen Fertigung kommt es beim Handwerk auf Qualität an. Fehlende Bewerber für offene Stellen oder eine hohe Fluktuation sind vor allem für kleinere Betriebe ein großes Problem. Deshalb sollten kleine Handwerksbetriebe mit ihrem Vorteil auch nicht bescheiden umgehen. Sie sollten ihre Familienfreundlichkeit in den Stellenanzeigen, auf der Firmenwebseite oder in ihren Imagebroschüren kundtun.
Kurze Wege
Wenn der Betrieb klein ist, heißt das nicht, dass familienbewusste Personalpolitik nicht möglich ist. Das Gegenteil ist der Fall. Der persönliche Austausch und die kurzen Wege zwischen Geschäftsführung und Beschäftigten ermöglichen es gerade, Maßnahmen individuell, flexibel und ohne große Formalitäten, wie das Einschalten eines Betriebsrats, an die Situation der einzelnen Beschäftigten anzupassen. „Oftmals sind es bereits die ‚kleinen Lösungen‘, die große Wirkung zeigen. Die müssen nicht einmal besonders aufwändig oder kostenintensiv sein“, sagt Ossa-Moyzes.
Ein Klassiker sind flexible Arbeitszeitmodelle, mit denen saisonale Schwankungen und erweiterte Öffnungs- und Servicezeiten ausgeglichen werden können. „Unsere Monteure stempeln. Die Überstunden aus den arbeitsreichen Sommermonaten können im Winter abgebaut werden“, sagt Frey. Bei Auslastungsspitzen entstehen keine Kosten für Mehrarbeit und Leerzeiten werden reduziert. Die Angestellten können somit die längeren Auszeiten für die Familie oder einen Urlaub nutzen, haben allerdings im Sommer dann weniger Freizeit.
Gleitzeitregelungen sind bei den Monteuren nicht möglich, dafür aber gut im
Büroalltag umzusetzen. Die Angestellten können innerhalb eines festgelegten Zeitfensters ihre Arbeitszeit selbst bestimmen. Ein gewisser Teil der Arbeit kann am Nachmittag oder am Abend erledigt werden, um zum Beispiel während der Mittagszeit die Kinder zu versorgen. Arbeitsausfälle werden damit erheblich reduziert.
In kleineren Betrieben erfassen die Beschäftigten ihre Zeit oft selbst. „Es ist ein gutes Gefühl, dass das Unternehmen seinen Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringt“, sagt Frey. „Natürlich müssen die Mitarbeiter damit verantwortungsvoll umgehen und bereit sein, auch mal länger zu arbeiten, wenn es erforderlich ist.“ Die Arbeitszeit ist auch aus Sicht von Irene Ossa-Moyzes vom DIHK ein wichtiges Kritierium. „Die Bedürfnisse von
Beschäftigten zu berücksichtigen, kann ganz einfach sein. Wer sie bei der Planung der Arbeitszeit mit einbezieht und ihre Arbeitszeiten aufeinander abstimmt, kann die Arbeitszufriedenheit bei Mitarbeitern erhöhen. Dazu reicht ein Arbeitseinsatzplan, in den Beschäftigte ihre Wünsche eintragen können“, empfiehlt Ossa-Moyzes.
Kontakte und Netzwerke nutzen
Für die meisten Handwerksbetriebe ist der Aufbau eines eigenen Betriebskindergartens unrealistisch. „Viele Handwerksbetriebe verfügen aber durch ihre gute Einbindung in ihr lokales Umfeld über vielfältige Kontakte und Netzwerke. Diese sollten sie nutzen, um Kontakt zu Betreuungseinrichtungen zu suchen“, sagt Ossa-Moyzes. Solche Hilfe wissen Angestellte – Väter wie Mütter – zu schätzen, und sie lohnt sich für den Betrieb: Sind die Kinder in guten Händen, arbeitet es sich bedeutend sorgenfreier. Bei der Kinderbetreuung kann aber auch eine kreative Arbeitszeitgestaltung hilfreich sein. „Es gibt Unternehmen im Netzwerk, da teilen sich zwei Angestellte mit kleinen Kindern einen Arbeitsplatz. Beide haben einen 30-Stunden-Job und sie arbeiten im Wechsel morgens und nachmittags. Die Stelle wird so mehr als voll besetzt. Das hilft den Angestellten und dem Betrieb.“ Finanziell kann der Betrieb seine Mitarbeiter ebenfalls unterstützen, etwa mit einem Kinderbetreuungszuschuss. Der Zuschuss ist steuer- und sozialabgabenfrei, wird zusätzlich zum Arbeitslohn gezahlt und lässt sich in seiner Höhe frei gestalten. Im Vergleich zu einer Gehaltserhöhung fallen die Kosten für den Personalaufwand für den Betrieb entsprechend günstiger aus. Eine andere Möglichkeit bietet der Europäische Sozialfond (ESF). Wer seine Beschäftigten bei der Kinderbetreuung unterstützen möchte und bereit ist, dafür eigene Mittel zur Verfügung zu stellen, dem bietet das Bundesfamilienministerium finanzielle Unterstützung an. Bis zu zwei Jahre lang werden maximal 50 Prozent der anfallenden Betriebskosten für neu geschaffene Betreuungsplätze für Mitarbeiterkinder übernommen.
Auf die Unterstützung vom Betrieb können selbstständige Handwerker nicht zurückgreifen. Allerdings haben sie sich in den allermeisten Fällen diese Arbeitssituation bewusst gewählt, wie eine aktuelle Umfrage des Nordrhein-Westfälischen Handwerkstags zeigt. Die Ergebnisse der Befragung unter 200 Mitgliedsunternehmern nach ihren Prinzipien und Grundüberzeugungen zeichnen das Bild eines Handwerkers, der sich der Mühe seines Berufsstandes bewusst ist. Ihm ist dabei vor allem die Freiheit wichtig, die ihm seine Selbstständigkeit verspricht. Einen ebenso hohen Stellenwert besitzt auch die Familie. Röder bringt es auf den Punkt: „Natürlich muss ich mich nach den Kunden richten, aber wenn ich dann zu Hause bin, nutze ich die Zeit mit meiner Familie umso intensiver.“