Christine Lins, Generalsekretärin der europäischen Dachorganisation für erneuerbare Energien (EREC), weiß um die Probleme bei der Qualifizierung von Solarteuren. Sie beschäftigt sich seit langem mit den Details. Diese sind in den einzelnen EU-Ländern sehr unterschiedlich organisiert, in manchen noch gar nicht. Immer wieder kommt es deshalb vor, dass sich insbesondere private Kunden ihre Photovoltaikanlage von Handwerkern installieren lassen, die wenig bis gar keine Ahnung davon haben. So verursachte beispielsweise der Sturm Kyrill 2007 alleine in Deutschland Schäden an Photovoltaikanlagen in Millionenhöhe – laut Deutscher Gesellschaft für Solarenergie waren diese auf eklatante Ausführungsmängel zurückzuführen, fachgemäß errichtete Anlagen hingegen waren fast vollkommen verschont geblieben.
Neue EU-Direktive
Derartige Zustände sollen sich nun mit der neuen EU-Direktive ändern. Paragraph 13 der Direktive bestimmt nämlich, dass es EU-weit einheitliche Qualifizierungsstandards für die Installationsbetriebe von Solaranlagen geben soll. Aber es müssen laut Direktive keine zusätzlichen EU-Zertifizierungen erfüllt werden, wenn schon welche in den Ländern angeboten werden. Einzige Bedingung: Die Standards in den Ländern müssen den in der Direktive vorgegebenen Kriterien entsprechen (siehe Kasten Seite 100). Eine unbürokratische Lösung, so scheint es: Allem Anschein nach wird also erst einmal kein zusätzliches EU-Zertifikat verlangt – außer für die Länder natürlich, die noch gar keins oder nur ein unvollkommenes vorweisen können.Nichtsdestotrotz müssen einige Länder noch viel nachholen, was die fachmännische Ausbildung der Solarteure betrifft. Einige wenige Länder haben dagegen schonStandards, die jetzt schon genügen dürften. Bis Ende 2012 haben alle Mitgliedsstaaten aber Zeit, ihre Qualifizierungsstandards den Vorgaben anzugleichen. „Wir prüfen noch, welche Qualifizierungsstandards die einzelnen Länder derzeit zu bieten haben“, sagt Christine Lins. Ist diese Frage für alle 27 EU-Länder geklärt, sollen sie allesamt auf den gleichen Stand gebracht werden. Die neuen Bestimmungen zur Qualifizierung von Solarteuren sind allerdings nur ein kleiner Teil der wesentlich umfassenderen Richtlinie. Sie soll in den 27 Ländern der Europäischen Union insgesamt einen Anteil von 20 Prozent aus regenerativen Energiequellen durchsetzen. Derzeit sind es nur 8,5 Prozent. Deshalb trägt diese Direktive auch den Arbeitstitel 20/20. Im Zuge der Umsetzung der Direktive sollen die Kosten für die Erzeugung erneuerbarer Energien mit der Zeit deutlich sinken; die Kosten der Stromerzeugung durch Photovoltaik im Speziellen sollen sogar um 50 Prozent fallen. So zumindest verspricht es die offizielle EU-Broschüre zum Thema.
Noch nicht komplett abgesegnet
Wissen muss man auch, dass die Direktive 20/20 noch gar nicht vollständig abgesegnet wurde. EU-Parlament und EU-Rat, Verbände und Handwerkskammern haben über ein Jahr lang miteinander gerungen. Im Dezember 2008 wurde sie vom EU-Parlament beschlossen. Und so kann die Direktive wohl schon im zweiten Quartal 2009 in Kraft treten. Der noch erforderliche Beschluss durch den Ministerrat sei reine Formsache, wie Oliver Bornkamm von der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU verlauten ließ. Inhaltliche Änderungen könnten jetzt keine mehr vorgenommen werden. Das wäre nur noch möglich, wenn die ganze Direktive noch gekippt würde, erklärt der EU-Kommissionsprecher für Energie, Ferran Tarradellas Espuny, das Procedere.In Deutschland, Frankreich und Österreich können Handwerker und Verbände der Umsetzung dieser Direktive gelassen entgegensehen. In diesen Ländern gibt es bereits Fortbildungsmaßnahmen zum Solarteur. Und – was am wichtigsten ist – die bestehenden Kurse können auch weiterhin genutzt werden. So schätzt zum Beispiel Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), an der neuen Direktive, dass das in Deutschland bewährte System der Aus- und Weiterbildung nicht zugunsten eines EU-Zertifizierungssystems entwertet werde. Ab Januar 2013 sollen dennoch alle Länder denselben Standard aufweisen, damit dieserauch problemlos gegenseitig anerkannt werden kann. Auf diese Weise erhält der Verbraucher die Gewähr einer fachmännischen Installation, bestätigt Evelyne Schellekens von der Europäischen Elektrikervereinigung AIE. Die Qualifizierungsmaßnahmen betreffen übrigens neben Photovoltaik- und Solarthermiesystemen auch alle anderen Systeme für den Haushalt zur Erzeugung erneuerbarer Energien – Wärmepumpen, geothermale Systeme, Biomassekessel und -boiler. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Verbänden ist man deshalb erleichtert, dass die Berufsqualifikationen als Installateur oder Elektriker auch gleich mit anerkannt werden und ebenfalls in die Qualifizierung als Solarteur miteinbezogen werden können. Das heißt nichts anderes, als dass die Ausbildung zum Solarteur weiterhin eine Fortbildung auf der Grundlage bestehender Berufe bleibt, so wie es beispielsweise in Frankreich oder Deutschland schon der Fall ist. Doch wer soll die Umsetzung für die 27 EU-Länder überprüfen oder gar koordinieren? Hier kommt die EREC ins Spiel. Dienichtstaatliche Dachorganisation für erneuerbare Energien arbeitet eng mit der EU zusammen und berät sie in der Entwicklung. Und so hat die EREC schon ein Programm zur Angleichung der Qualifizierungsstandards namens Quali’Cert gestartet. Nachdem der Status quo in den einzelnen Ländern dokumentiert ist, was durchaus noch ein paar Monate dauern kann, beginnt die erste Phase von Quali’Cert. Organisationen aus fünf EU-Ländern nehmen an diesem Projekt direkt teil, namentlich Österreich, Frankreich, Italien, Polen und Griechenland. Doch nur die beiden erstgenannten bieten schon jetzt die erforderlichen Qualifikationsmaßnahmen vollständig an, wie Christine Lins bestätigt. Deutschland, das Land mit den meisten Photovoltaikanlagen, erfülle zwar auch alle Kriterien, wie Stefan Schulze-Sturm, der deutsche Beauftragte des Zentralverbands des Deutschen Handwerks in Brüssel, betonte. Doch die Deutschen verzichten aus organisatorischen Gründen auf eine Zusammenarbeit in der ersten Phase des Programms. Die Ergebnisse von Quali’Cert werden technische, kommunikative,finanzielle, organisatorische und sogar rechtliche Aspekte umfassen und anschließend für die übrigen 22 Länder dokumentiert, damit sich diese an den Ergebnissen orientieren können.
Vorbild Frankreich
Frankreichs System gilt schon jetzt als Vorbild. Auf der Website www.qualit-enr.org haben es die Franzosen den anderen Mitgliedstaaten schon beispielhaft vorgemacht. Die ständig wachsende Nachfrage nach PV-Anlagen, welche durch Zuschüsse bei der Einspeisung und einen saftigen Steuernachlass befördert wird, ist in Frankreich die entscheidende Triebfeder für ein funktionierendes Zertifizierungsverfahren. Auch in allen anderen Mitgliedstaaten sind geförderte Einspeisetarife oder zumindest andere Fördermaßnahmen eingeführt worden.Doch noch besteht das Problem unvollständiger oder gar fehlender Qualifikationsverfahren, und bisweilen auch konkurrierender. Sogar in Deutschland gibt es ja noch zwei Verfahren. Die nebeneinander laufenden Qualifizierungsverfahrenkönnen laut Lins zusammengelegt werden; Bedingung ist das aber nicht. Andere Länder haben noch unausgereifte oder unvollständige Verfahren. Die Länder Osteuropas müssten teilweise noch sehr viel unternehmen, weil es dort meist gar keine oder nur sehr einfache Schulungsverfahren gibt, das gelte aber zum Teil auch für südeuropäische Länder wie Portugal oder Griechenland. Trotzdem oder gerade deshalb ist man beispielsweise in Griechenland sehr daran interessiert, eine bessere Zertifizierung einzuführen, und nimmt aus diesem Grunde auch an der ersten Phase von Quali‘Cert teil. Was die reine elektrische Installation betrifft, sieht man bei der AIE keinen großartigen Nachholbedarf. Wer in seinem Land die Lizenz zur Elektroinstallation habe, der könne auch Anlagen für erneuerbare Energien installieren, ist Schellekens von der AIE überzeugt. Allenfalls gewisse Fortbildungen seien hier und dort notwendig. Matthias Hüttmann, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Sonnenergie, hält die Fortbildung für Elektriker in jedem Fall für dringend notwendig, denn es handele sich schließlich um sehr spezielle elektrische Anlagen. „Die meisten Handwerker können keine Photovoltaikanlage installieren, behaupten aber immer, dass sie es können“, weiß Hüttmann zu berichten. Die Einzelausbildung genüge aber eben nicht für die Komplettinstallation. Insbesondere bei den Dachdeckerkenntnissen werden viele Elektriker hinzulernen müssen. Andererseits gebe es Handwerker, die so etwas schon seit vielen Jahren machen und jetzt eine zusätzliche Ausbildung machen müssten, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Aber allen könne man es sowieso nicht recht machen. In Frankeich müssen zudem jetzt alle Installateure eine Versicherung abschließen. „Wenn Sie als Installateur zehn Jahre Garantie geben, dann sollten Sie sich absichern“, erläutert Richard Loyen, Direktor der französischen Enerplan (Association Professionnelle de l’Energie Solaire), diese Maßnahme. Auch dieses Vorbild sollte Schule machen.
Kein Zwang für Handwerker
Aber was passiert, wenn ein Land keine Qualifizierung rechtzeitig umsetzt? Um es kurz zu sagen: im Grunde gar nichts. Es gibt im Übrigen auch weiterhin keinen Zwang für Handwerker und Betriebe, die Qualifikation zu erwerben, das betonte auch Tarradellas von der EU-Kommission noch einmal. Aber alle geprüften Installationsbetriebe und Installateure können in Zukunft damit werben, qualifiziert zu sein, und unterscheiden sich für den Verbraucher damit deutlich von den nicht geprüften Anbietern auf dem Markt. Lediglich die Länder sind angehalten, die Qualifizierungsmaßnahmen umzusetzen und der EU einen Plan vorzulegen, wie sie die Maßnahmen durchzuführen gedenken. Es werde dann im Zweifelsfalle höchstens zu Abmahnverfahren kommen, die aber wohl nur als allerletztes Mittel eingesetzt würden, so die Einschätzung der EREC-Koordinatorin Christine Lins. Alles in allem kann man zuversichtlich sein, dass die Direktive den Einsatz erneuerbarer Energien wirklich fördern und auch dem Endabnehmer von Photovoltaikanlagen mehr Sicherheit geben wird. Sie ist ein weiterer Schritt in eine saubere Zukunft. Auch wenn der Weg noch weit ist, schließlich werden ab 2020 immer noch bis zu 80 Prozent der benötigten Energie aus herkömmlichen Quellen gespeist werden.Andererseits dürfen die Vorgaben von den Mitgliedstaaten natürlich übertroffen werden. In Deutschland beispielsweise rechnen einige Experten schon mit bis zu 50 Prozent bis 2020, wie eine neueste Studie des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) ergab. Einen wichtigen Beitrag dafür kann das jetzt initiierte Zertifizierungsverfahren leisten. Die neue Richtlinie ist selbst das beste Argument für die Installation einer Photovoltaikanlage.