Allein unter Männern: Mit dieser Situation sah sich Maria Roos erstmals so richtig in dem Weiterbildungskurs zum Solarteur konfrontiert. „13 oder 14 Männer und ich als einzige Frau – vorher während des Studiums war das schon ein anderes Verhältnis.“ Denn obwohl sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Elektrische Energietechnik der Uni Kassel bereits 1987 für ein technisches Studium entschied, war sie dort eine von vielen. Roos studierte Umweltschutz an der FH Bingen mit Schwerpunkt Energie und Umwelt. Schon damals lag der Frauenanteil unter den Studierenden bei rund 30 Prozent. Nach dem Diplom ging sie nach Berlin zum Ökotechnischen Frauenbildungszentrum Life. Dort hat sie als Ausbilderin und Dozentin für Umweltbildung, Solartechnik und Energieeffizienz gearbeitet. „Während der Zeit in Berlin habe ich extern meinen Solarteurabschluss gemacht.“
In Männerwelt bewähren
Das Verhältnis zwischen ihr und den männlichen Teilnehmern des Solarteurkurses war gut, die Zusammenarbeit mit den Kollegen nicht ungewohnt. Deshalb glich ihre Situation nur bedingt derjenigen, welche die Mädchen, die sie als Ausbilderin begleitete, im betrieblichen Alltag vorfinden. Während der Ausbildung bleiben die jungen Frauen meist unter sich – vom männlichen Ausbildungsleiter einmal abgesehen. Ob Schlitze klopfen, Kabel verlegen, Verbindungen stecken oder Anschlüsse messen: Alles findet in den Räumen und Werkstätten von Life statt, wo die Frauen im Rahmen des Projekts StrOHMerin zur Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik ausgebildet werden. In den jährlichen zwei- bis dreimonatigen Praktika kommen sie mit der betrieblichen Realität in Kontakt. Ein krasser Unterschied, weil sie sich in Berliner Unternehmen und Handwerksbetrieben in einer reinen Männerwelt bewähren müssen. „Dort herrschen ein völlig anderer Umgangston und andere Umgangsformen“, weiß Almut Borggrefe, Mitarbeiterin in dem Berliner Bildungszentrum.
Pin-ups an den Wänden, Bier zum Frühstück und der rüde Umgangston von Männern sind für die beiden Frauen mögliche Indizien, warum der Frauenanteil unter den Auszubildenden im Elektrohandwerk seit Jahren bei rund einem Prozent stagniert. Dazu kommt die immer noch fehlende Vorstellung vom Beruf. Selbst das 2003 neu ausgerichtete Ausbildungsprofil bringt nicht mehr weibliche Auszubildende in die Branche, obwohl es stärker als zuvor auf den Einsatz regenerativer Energien fokussiert.
Umwelttechnik attraktiv
Besser sieht es im akademischen Umfeld aus. Dort lassen sich die Frauen von Begriffen wie Umweltschutz, Umweltingenieurwesen oder erneuerbare Energien offensichtlich anziehen. Das belegen die Statistiken, die für klassische Studiengänge wie Physik, Elektrotechnik oder Energietechnik einen Frauenanteil von immerhin 20 Prozent ausweisen. Bei allem, was mit Umwelttechnik zu tun hat, liegt er sogar bei 30 bis 40 Prozent. Die Diskrepanz im Verhalten erklärt sich Maria Roos so: „Die jungen Frauen wollen sich gern aufgehoben und willkommen fühlen. Aber besonders in Handwerksbetrieben schlägt ihnen eher Skepsis entgegen.“
Auch Wolfram Seitz-Schüle, Mitarbeiter der Zukunftswerkstatt Handwerk an der Handwerkskammer Freiburg, vermutet Bedenken bei den Männern. Die führen dazu, dass im für die Solarbranche wichtigen Elektro- und Sanitärhandwerk weibliche Auszubildende nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden. „Manch einer fragt sich unbewusst, was passiert, wenn die Frauen besser sind als er selbst.“
Das kommt durchaus vor. So haben 90 Prozent der Auszubildenden des Berliner Frauenprojekts ihre Gesellinnenprüfung gleich im ersten Anlauf bestanden. Die übliche Erfolgsquote liegt jedoch bei rund 60 Prozent. Jörg Veit, Leiter des Stuttgarter Solar Energie Zentrums (SEZ), macht regelmäßig ähnliche Erfahrungen: „Alle Frauen, die sich bei uns zum Solarteur weiterbilden lassen, haben ihren Abschluss gemacht – viele davon mit Bravour.“ Maria Roos ist im Übrigen eine von ihnen.
Solche Vorbehalte und Ängste zu pflegen, kann sich gerade das technische Handwerk heutzutage kaum noch leisten. Denn angesichts fehlender Fachkräfte muss es sich stärker um weibliche Auszubildende bemühen. Das hätte durchaus positive Folgen. Eine davon: Je höher der Frauenanteil in den technischen Abteilungen der Betriebe, desto weniger werden sie dort als Exotinnen wahrgenommen, desto eher normalisiert sich das Arbeitsverhältnis von Männern und Frauen miteinander.
Wie aber gelingt es, junge Frauen mehr für Ausbildungs- und Studienplätze rund um die Photovoltaik zu interessieren? So wie es aussieht, zeigen die bisherigen Informationsangebote und Werbemaßnahmen nicht gerade durchschlagenden Erfolg. Ganz anders das nur für Frauen konzipierte Förderprojekt in Berlin, wo inzwischen drei und nicht wie sonst üblich ein Prozent der Auszubildenden im Elektrohandwerk weiblich sind. Trotzdem wird es nach zwölf erfolgreichen Jahren der letzte Ausbildungsdurchgang sein. Berliner Senat und Europäischer Sozialfonds stellen wegen knapper Mittel ihre Finanzierung ein.
In solchen Projekten ist das Umgehen der Auszubildenden miteinander sehr viel selbstverständlicher als in Betrieben, in denen eine einzige weibliche Auszubildende unter mehreren männlichen Kollegen arbeitet. So jedenfalls hat es Maria Roos erlebt: „Die Frauen können einfach einmal ausprobieren, ohne sich dabei vor ihren Kollegen schämen oder rechtfertigen zu müssen.“ Ähnlich argumentiert Annette Peuse-Rink, die immer wieder feststellt, dass in reinen Frauengruppen Wissens- und Könnensdefizite der Frauen schneller abgebaut werden. Peuse-Rink ist akademische Mitarbeiterin an der Fachhochschule Furtwangen im Bachelor-Studiengang Wirtschaftsnetze (E-Business). Er steht nur für Studentinnen offen, denen er die Faszination der IT vermitteln soll. Die Absolventin des seit 2002 existierenden Frauenstudiengangs ist voll des Lobes. „Schon beim Curriculum habe ich gemerkt: Die haben sich Gedanken gemacht, wo sie die Frauen abholen müssen.“
Und genau so müsse man im Handwerk vorgehen, meint Anita Priller, die als Umweltschutztechnikerin und Solarteur im Vertrieb des Meinborner Unternehmens Bau-Ko Solar beschäftigt ist. Dass meistens Männer neue Berufsfelder entwickeln, merke man schon am Aufbau und Inhalt der Ausbildungspläne. Davon lassen sich Frauen oftmals abschrecken, wie eine Studie des Hamburger Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung von 2004 aufzeigt.
Denkmuster berücksichtigen
Zwar bezieht sich die Studie auf den Unterricht in naturwissenschaftlich-technischen Fächern. Doch es fällt leicht, die Ergebnisse zu übertragen. Danach kämen die technischen Ausbildungen und Studiengänge bei Frauen besser an, wenn sie in den Lehr- und Ausbildungsplänen sowie in den Curricula erkennbar deren Interessen berücksichtigen und sich bei Aufbau und Inhalt an Denkmustern von Frauen orientieren. Interessanterweise würde sich das gemäß der Untersuchung nicht nachteilig auf junge Männer auswirken.
Den Schluss zu ziehen, nur mit intensiver Frauenförderung und reinen Frauenausbildungs- und -studiengängen ließe sich die Situation verbessern, wäre sicher vorschnell. Wahrscheinlich könnte so ein Vorgehen sogar in eine ungeplante Richtung führen. Das zeigen die aktuellen Probleme der Jungen an Schulen. Diese ziehen wegen intensiver Förderung der Mädchen immer öfter den Kürzeren. Darüber hinaus treffen Frauen und Männer spätestens im Arbeitsleben zusammen. Es muss kein Fehler sein, wenn sie das im Vorfeld „geübt“ und sich aufeinander eingestellt haben.
Weitaus hilfreicher wäre es allerdings, den Frauen besondere Angebote zu machen und das soziale Umfeld zu verbessern. Wenn Universitäten und Hochschulen ihre bestehenden Angebote an junge Familien deutlicher kommunizieren und weiter ausbauen, signalisiert das den Frauen: Hier bist du richtig, hier kannst du Studium und Familie miteinander verknüpfen. „Das spricht unsere Studentinnen auf jeden Fall an“, weiß Gabriele Hecker aus Erfahrung. Sie ist Dekanin und Initiatorin des Frauenstudiengangs in Furtwangen. „Und den männlichen Studenten gefällt es ebenso, wenn sie erfahren, dass natürlich auch ihnen unsere Angebote zur Kinderbetreuung offen stehen.“
Außerdem ist die gezielte Ansprache wichtig. Dazu gehören beispielsweise die Berufsbezeichnungen. Eine 2004 vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) herausgegebene Studie hat diese näher untersucht. Darin wird festgestellt, dass die Bezeichnungen von Berufen und die Assoziationen, die diese wecken, einen großen Einfluss darauf ausüben, welche Berufe für Jugendliche interessant erscheinen. Sicher nicht nur für Jugendliche, wie die Frage von Anita Priller nahelegt: „Warum muss ich mich Solarteur nennen, obwohl es für Frauen Solarteurin heißen könnte?“
Weibliche Vorbilder gefragt
In anderen Weiterbildungskursen können Frauen sich zur Fachkraft für Solartechnik qualifizieren. Ein bewusst geschlechtsneutral gewählter Begriff, wie Wolfram Seitz-Schüle durchblicken lässt. „Darauf achten wir. Unsere Materialien für die Projekte an Schulen haben wir deshalb geschlechtsunabhängig aufgebaut.“ Dass das allein den Zuspruch der Frauen für das technische Handwerk verbessert, wagt er zu bezweifeln. „Es wäre sicher hilfreich, die Ausbildungsthemen anders zu benennen, sie frauengerechter zu kommunizieren und den jungen Frauen weibliche Vorbilder zu zeigen. Denn nach außen wirkt das technische Handwerk eher männlich.“
Gerade weibliche Vorbilder hält Lena Schnabel für ausgesprochen wichtig. „Wenn es in der Familie oder im Bekanntenkreis eine Ingenieurin oder Handwerkerin gibt, die sich in der Orientierungsphase mit den jungen Frauen unterhält, dann denken diese eher über ein technisches Studium oder eine Ausbildung nach“, meint die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Ganz besonders, wenn die erfahrene Frau auch noch erfolgreich ist und zufrieden wirkt. Eine 2004 vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium herausgegebene Untersuchung kommt zum gleichen Ergebnis. Danach fungieren Studentinnen, die technische Studiengänge vorstellen, für Schülerinnen durchaus als Vorbilder.
Maria Roos, Anita Priller oder Lena Schnabel sind solche Vorbilder. Nicht nur, weil sie ein technisches Studium, eine technische Ausbildung und entsprechende Weiterbildungen erfolgreich abgeschlossen haben. Alle drei arbeiten in ihrem Beruf und verbinden dies teilweise noch mit dem Aufbau einer Familie. Alle drei signalisieren jungen Frauen: Technik ist weder dröge noch nur männlich. Ein für Handwerk und Industrie sicher wichtiges Signal.PV-Stellenmarkt