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Lukrative Nischen

Ein Gespräch mit dem Bankberater bringt manchmal nicht nur die erhoffte Geldspritze, sondern auch einen Auftrag. So erging es jedenfalls Erik Lohse, Gründer der MBJ Services in Hamburg. Als Lohse Ende vergangenen Jahres sein mobiles Photovoltaik-Testlabor vorstellte, hatte der Berater eine Idee. Das Finanzinstitut hatte gerade einen Solarpark mit einer Leistung von 260 Kilowatt in Schleswig-Holstein finanziert.

Um die Finanzierung von 480.000 Euro besser abzusichern, beauftragte das Geldinstitut Lohse, 50 der 1.100 Module zu testen. Mit seinem Prototyp machte der Jungunternehmer sieben defekte Module ausfindig. Das alarmierte die Bank und den Betreiber. Sie ließen ihn daraufhin die ganze Anlage ausmessen. Vier Tage später war Lohse fertig. „Die Quote entsprach in etwa dem ersten Test“, berichtet er. Von dem Ergebnis überzeugt, gewährte die Bank ihm den gewünschten Kredit.

Insolvenzen von Modulherstellern und Projektierern, Entlassungen bei Systemanbietern, Auftragseinbrüche im Handwerk: Der Photovoltaikmarkt scheint derzeit keine günstigen Voraussetzungen für die Existenzgründung zu bieten. Doch Lohse und andere Firmengründer lassen sich davon nicht abschrecken. Sie setzen auf Geschäftsideen, die sich an einem konsolidierenden Markt orientieren.

Mit einer Modulfertigung braucht heutzutage kein Gründer mehr bei einer Bank vorzusprechen. Dass die Produktion von Solarmodulen abgesehen von wenigen Ausnahmen ins Ausland abwandern wird, scheint eine allgemein akzeptierte Tatsache zu sein. „Das Marktumfeld ist sehr viel rauer geworden“, bestätigt Hansjörg Lerchenmüller, Senior Vice President von Soitec Solar, Hersteller von Konzentratormodulen in Freiburg. Heute noch Geld für eine Technologieentwicklung zu erhalten, stelle er sich sehr schwierig vor.

Lerchenmüller selbst hatte Glück. 2005 gründete er aus dem Fraunhofer ISE heraus das Start-up Concentrix Solar. Das Team brachte Konzentratormodule, die in dem Solarinstitut entwickelt worden waren, zur Marktreife. „Es war damals nicht schwer, einen Investor zu finden“, erzählt Lerchenmüller. Good Energies,genau der Investor, den man wollte, stieg ein. 2009 übernahm der französische Halbleiterkonzern Soitec das Unternehmen. „Wir hatten eine Super-Technologie, und wir waren zum richtigen Zeitpunkt da“, blickt Lerchenmüller zurück.

Investoren zurückhaltend

Dass es im Moment tatsächlich schwer ist, Startkapital in größerem Maße zu bekommen, zeigt das Beispiel von Smartblue. Die Physiker Philipp Geiger und Günter Seel gründeten das Unternehmen 2010 in München. Sie entwickeln und vertreiben eine internetbasierte Überwachungslösung, bei der jedes einzelne Modul fernüberwacht wird. Das erste Jahr überbrückten die beiden noch aus ihrem Privatvermögen. Erst im November 2011 gewannen sie den Zuschlag für Fördergelder aus dem High-Tech Gründerfonds. Mit über 80 Prozent Bundesmitteln investiert der Fonds in eine kleine Zahl von innovativen Unternehmen. Damit können Geiger und Seel ihr Unternehmen mit zwölf freien und festen Mitarbeitern nun weiter aufbauen.

Lohse von MBJ Services erhielt 25.000 Euro aus dem Pro-Ideenfonds der Stadt Hamburg. Er weiß: „Wenn man nur 100.000 Euro braucht, ist es schwer, einen Kredit zu bekommen. Vielen Banken ist dieser Betrag zu gering.“ Deshalb ist er froh, dass es den Gründungszuschuss vom Staat gibt. Unter den hunderten von Handwerksbetrieben, die in der Boomphase auf den Photovoltaikzug aufsprangen, wird es zwangsläufig eine Marktbereinigung geben. Trotzdem siehtPeter Lückerath, Dozent für Umwelt- und Energietechnik aus Velbert, auch hier noch Chancen für Fachhandwerker. „Die Montage ist eine Aufgabe des klassischen Handwerks“, begründet er dies. „Die Chinesen werden hier niemals Anlagen bauen.“

Freiberufler gefragt

Axel von Perfall, Geschäftsführer der auf die Erneuerbare-Energien-Branche spezialisierten Personalberatung Alingho, sieht einen Bedarf an hoch qualifizierten Fachkräften. „Flexible Beschäftigungsverhältnisse sind im Kommen“, beobachtet er. „Bei dem unberechenbaren Markt wollen die Unternehmen flexibel sein.“ So wie es für weniger qualifizierte Mitarbeiter Zeitarbeitsmodelle gebe, so würden hoch qualifizierte Mitarbeiter wie Ingenieure immer häufiger als Freiberufler beziehungsweise Dienstleister tätig und unterstützten Firmen zeitlich befristet als Projektmanager, erläutert von Perfall. Erst Ende Februar konnte er einen Bauingenieur an einen Münchner Projektierer vermitteln, der kurzfristig bis zum 9. März einen Projektleiter für einen Solarpark in Ostdeutschland gesucht hatte. „Wenn es gut läuft, kann er voraussichtlich länger in der Firma bleiben“, sagt von Perfall. Er selbst gründete seine Personalberatung im Jahr 2007 in München und baut gerade in Berlin eine zweite Niederlassung auf.

Auf hoch qualifizierte Mitarbeiter setzt auch Franz Hauk, Gründer und Geschäftsführer von Maxsolar im bayerischen Traunstein. Bevor Hauk 2009 den Fachbetrieb für mittelgroße Anlagen auf Gewerbe- und Industriedächern gründete, studierte der heute 28-Jährige an der TU München Energietechnik. Anschließend promovierte er in Kraftwerkstechnik. Die Geschäftsidee entstand aus dem Kontakt zu einem Architekten und Unternehmer in der Region heraus. Letzterer war schon länger am Solarmarkt interessiert. Als es die Gelegenheit gab, in Eggstädt eine 1,2-Megawatt-Anlage auf einem Industriegebäude zu bauen, gründete Hauk hierfür zusammen mit zwei Partnern Maxsolar.

„Wir bedienen den Markt, bei dem Handwerksbetriebe abwinken und der für die großen Projektierer zu klein ist“, beschreibt Hauk seine Nische. Denn im Chiemgau, der eine hohe Solardichte hat, gibt es eine Vielzahl von Betrieben, die Photovoltaikanlagen anbieten.

Abheben gegen Pfusch

Daneben versucht er, sich mit firmeninternem Ingenieurwissen abzuheben. „Wir sind der Meinung, dass im Markt viel gepfuscht wird“, sagt Hauk, der 2011 eine Weiterbildung zum Photovoltaik-Gutachter absolvierte. Dem versucht er abzuhelfen, indem er bevorzugt Ingenieure, Elektrotechniker und Meister in der Planung und Beratung beschäftigt. Montiert werden die Anlagen von eigenen Teams aus Dachdeckern, Zimmerern und Elektrikern.

Anlagen mit insgesamt über 15 Megawatt Leistung baute Maxsolar seit 2009. 20 festangestellte Mitarbeiter arbeiten für Hauk, der schon mit 16 Jahren seine erste Firma gründete. Mit den beiden Partnern zusammen betreibt er außerdem selbst Anlagen mit mehr als drei Megawatt Leistung. „Wir wollen als Energieversorger auftreten“, erklärt er. Dadurch könne er sich auch besser in die Lage von Investoren hineinversetzen, was im Geschäftsalltag helfe. Seit 2011 ist Maxsolar auch in Italien und Bulgarien aktiv. „Dadurch machen wir uns von den lokalen Entwicklungen im Photovoltaikmarkt unabhängiger“, begründet Hauk diesen Schritt. Zudem baut er den Geschäftszweig Qualitätssicherung aus. Das Unternehmen bietet Wartungsverträge an, mit denen Betreiber den Betrieb ihrer Anlage komplett abgeben können.

Eine ähnliche Idee hatte Smartblue. Das Unternehmen nahm früher als ursprünglich geplant die Überwachung von bestehenden Anlagen für Installationsfirmen in sein Portfolio auf. Damit reagierten die Firmenchefs auf den sich verändernden Markt. „Der Markt für Neuanlagen wird stagnieren“, sagt Philipp Geiger. „Mit dem neuen Produkt wollen wir Start-up-Installationsfirmen im Bereich Service für ihren Bestand unterstützen.“

Qualitätssicherung nimmt zu

Service, Wartung, Anlagenüberwachung: Dies sind die Bereiche, in denen auch Torsten Zschiedrich, Leiter der Akademie für Erfolgstraining in Dörnten im Harz, Neugründungen für denkbar hält. „Es sind jetzt viele Anlagen am Netz, die nicht gut laufen“, spricht er ein offenes Geheimnis aus. Diese Anlagen zu optimieren, Fehler zu finden und auszumerzen werde zunehmend gefragt sein. Sowohl Betreiber von bestehenden Anlagen als auch Investoren und Banken werden dies verstärkt fordern. „Auch mobile Überwachungssysteme werden gefragt sein“, glaubt Zschiedrich.

Damit dürfte Erik Lohse mit der eingangs erwähnten Firma MBJ Services im Trend liegen. Er profitierte von der Zusammenarbeit mit der MBJ Solutions, die Elektrolumineszenzgeräte für Modulhersteller baut. Hier entstand gemeinsam die Idee, ein mobiles Photovoltaik-Testlabor zur schnellen und kostengünstigen Vor-Ort-Prüfung zu entwickeln. Lohse ersann eine mobile Station, die mehrere Elektrolumineszenzkameras, eine Thermografiekamera und einen LED-Flasher beinhaltet. 200 bis 300 Module kann er damit an einem Tag kontrollieren.

Nach einer mehr als einjährigen Entwicklungsphase gründete er im September 2011 die Firma, mit der er dieses Produkt nun vermarktet. Sechs hat er bereits verkauft, davon eines an den Modulhersteller Sunergy Europe mit Sitz in Hamburg, drei weitere an BEC Engineering in München. Das Ingenieurbüro bietet für internationale Projekte Überwachung und Fehleranalyse an. „Das mobile Testlabor eignet sich aber auch für Firmen, die sich extra für diesen Service gründen wollen“, sagt Lohse. Für den Vertrieb überlegte er sich ein Franchisemodell. Die Kunden zahlen einen einmaligen Betrag für das Gerät. Anschließend erhält MBJ für jede Prüfung Lizenzgebühren.

Schlanke Strukturen hält Lohse für wichtig, wenn man eine Firma gründet. Er ist derzeit noch allein im Unternehmen und beschäftigt einige Freiberufler. Mitte dieses Jahres will Lohse Mitarbeiter fest einstellen. Er schätzt sein Netzwerk an Dienstleistern wie Komponentenherstellern und Montagepartnern. Sie fertigen die Bestandteile für die Teststation, montieren sie auf den Autoanhänger und liefern die mobilen Testlabore schlüsselfertig an MBJ. Das Team braucht dann bloß noch die Software für die Messungen aufzuspielen.

Mentoren helfen

Unternehmerische Erfahrung nutzen zu können ist nach Aussagen von Hansjörg Lerchenmüller von Soitec Solar und Franz Hauk von Maxsolar Gold wert. „Der Senior Partner als Mentor in meiner Firma hat mir sehr geholfen“, sagt Hauk.

Einen guten, erfahrenen Unternehmer zur Seite zu haben erspare einem Firmengründer viele Fehler. Er erfahre aber auch eine „phantastische Unterstützung“ durch die Unternehmer, die er als seine Kunden gewinnen konnte. Außerdem seien neben einer überzeugenden Geschäftsidee und ausreichend Startkapital auch Leuchtturmprojekte wichtig, ergänzt Hauk. Ein solches war die 230-Kilowatt-Anlage auf dem neuen Verwaltungsgebäude des Uhrenherstellers Fossil Europe in Grabenstätt. Außerdem habe es ihm geholfen, dass er bereits Unternehmererfahrung hatte.

Auch Gelassenheit hilft und wie Lerchenmüller von Soitec Solar sagt, die Fähigkeit, nach Rückschlägen „immer wieder aufzustehen“. Wer das alles mitbringt, hat auch in dem sich wandelnden Photovoltaikmarkt gute Geschäftschancen.

Ina Röpcke

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