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Mehr Raum für Photovoltaik

Auf einen ausgedehnten Urlaub nach dem Prüfungsstress musste Stefanie Kayser aus Zeitmangel verzichten. Denn nach der Abschlussprüfung vor der Berliner Handwerkskammer blieb der frischgebackenen Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik nur eine knappe Woche. Dann begann sie mit ihrer Arbeit beim Solarunternehmen Cleanenergy, Berlin. Inzwischen ist die Gesellin mittendrin und kniet sich in die neuen Aufgaben richtig rein. „So wie es jetzt aussieht, werde ich wohl seltener Anlagen installieren“, schätzt sie nach den ersten Monaten. „Eher bin ich im Büro, nehme Aufträge entgegen und plane sie durch.“ Hinzu kommen Vor-Ort-Termine bei den Kunden. Für eine optimale Planung muss sie das Dach oder die für die Solaranlage vorgesehene Fläche messen und schauen, was wo montiert werden kann und wo später die Leitungen am besten entlanglaufen.

Kayser fühlt sich für ihre jetzige Arbeit gut ausgebildet. Sie ist eine der – vorerst letzten – Absolventinnen des vom Berliner Frauenbildungsträger Life e.V. initiierten StrOHMerinnen-Projekts (siehe photovoltaik 04/2009). Hier wurden seit 1997 knapp 40 junge Frauen zur Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik ausgebildet. Für diese standen nicht nur die in der Ausbildungsverordnung vorgesehenen Inhalte auf dem Lehrplan. Zusätzlich haben die Initiatoren des überbetrieblichen Modellprojekts den für die Photovoltaik relevanten Teil der Solarteurprüfung integriert. Ein dazugehörendes Zertifikat hat Stefanie Kayser nun in der Tasche und kann damit punkten. Sie vermutet zu Recht: „In einem normalen Betrieb hätte ich das Zertifikat wohl nicht bekommen und hätte den Schritt in die Photovoltaik nicht gemacht.“ Denn die üblichen Lehrpläne sehen diese Prüfung nicht vor. Gesellen müssen erst eine zweijährige Berufspraxis vorweisen. Danach können sie sich für eine von anerkannten Bildungszentren angebotene Weiterbildung zum Solarteur oder zur Fachkraft für Solartechnik anmelden.

Breit ausbilden und qualifizieren

An dieser Konstruktion muss sich für Systemanbieter und Generalunternehmer, die mit Handwerksbetrieben zusammenarbeiten, derzeit nichts Gravierendes ändern. Eine gute Elektronikerausbildung plus die spätere Zusatzqualifikation sei völlig ausreichend, heißt es übereinstimmend bei der Freiburger SAG Solarstrom und in Hirschberg bei Goldbeck Solar. Uwe Küpper, Forschungs- und Entwicklungsmanager bei Ecostream Germany in Köln, sieht es ähnlich. „Aber es könnte künftig sinnvoll sein, gezielter auszubilden.“

Nicht erst in Zukunft, sondern kurzfristig, meint dagegen Holger Haupt, Inhaber und Meister Sanitär Heizung Klima (SHK) des gleichnamigen Betriebs in Gelsenkirchen. Denn für einen Handwerksbetrieb, der qualifizierte Mitarbeiter unter den Absolventen eines Ausbildungsjahrgangs sucht, seien zwei Jahre eine lange Zeit. Haupt würde stattdessen einen deutschlandweit geltenden, prüfungsrelevanten Schwerpunkt „Erneuerbare Energien“ zusätzlich zur vorgeschriebenen Gesellenprüfung sehr begrüßen. „So könnten wir an den Bewerbungsunterlagen auf einen Blick erkennen, ob die Qualifikation der Gesellen zu unserem Betrieb passt, oder ob wir sie erst anlernen müssen.“ Bei den von außen kommenden Mitarbeitern war Letzteres bisher meistens der Fall, sie brauchten „Nachhilfe“. Anders sieht es bei den von ihm ausgebildeten Junghandwerkern aus: Die sind nach ihrer Prüfung auch in Bezug auf erneuerbare Energien fit, weil sie tagtäglich mit dem Thema in Berührung kommen. Denn Haupt hat seinen Betrieb vor Jahren spezialisiert. Er bietet seinen Kunden die Installation energieeffizienter und regenerativer Wärmesysteme sowie von Photovoltaikanlagen an – dies in Kooperation mit einem Elektrohandwerker.

Haupt und ähnlich spezialisierte Handwerksbetriebe sowie die dort beschäftigten Mitarbeiter und Auszubildenden müssen wohl noch eine Weile warten, bis der Anteil der erneuerbaren Energien in den Lehrplänen flächendeckend so groß ist, dass er prüfungsrelevant wird. Erst vor knapp sechs Jahren wurden die Ausbildungsberufe des Elektro- und SHK-Handwerks komplett neu strukturiert. Eine grundlegende Anpassung an die Markterfordernisse steht normalerweise nur alle 10 bis 15 Jahre an. Daher vertreten insbesondere die Bildungsexperten in den Fachverbänden die Ansicht, dass es ein falsches Signal wäre, kurz nachdem die ersten Absolventen dem Markt zur Verfügung stehen, schon wieder etwas Neues anzubieten. Zumal die erneuerbaren Energien in die Lehrpläne längst eingezogen seien. Darüber hinaus erweise sich eine stark spezialisierte Ausbildung für den weiteren Berufsweg als schädlich: Denn Spezialisten fänden nur in einem engen Marktsegment Arbeit.

„In 2003 haben wir bewusst die Inhalte des Ausbildungsberufs Elektroniker so formuliert, dass wir sehr flexibel sind“, erklärt Bernd Dechert, Geschäftsführer Technik beim Zentralverband des Elektrohandwerks (ZVEH), Frankfurt/Main. „Indem der Lehrplan entsprechend ausgestaltet und angepasst wird, können neue Technologien nach und nach in die Ausbildung hineinwachsen. Folglich müssen wir nicht gleich wegen aktueller Entwicklungen einen neuen Beruf aufbauen.“

So steht im Ausbildungsrahmenplan für werdende Elektroniker der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik gleich als Erstes der Unterpunkt „Konzipieren von Systemen“. Die Art der Systeme bleibt offen, so dass es sich durchaus auch um solche handeln kann, die regenerative Quellen nutzen. Etwas konkreter wird es unter Punkt 2, der das Installieren und Inbetriebnehmen von „dezentralen Energieversorgungs- und Energiewandlungssystemen einschließlich Nutzung regenerativer Energiequellen“ als zu vermittelnde Qualifikation fordert. Dechert verweist noch auf den geltenden Rahmenlehrplan. „Dort steht die PV explizit drin.“

Das stimme zwar, bestätigt Theo Bühler, Geschäftsführer des Wissenschaftsladens in Bonn. „Aber man muss doch sehen, was mit den vorhandenen Gestaltungsspielräumen tatsächlich passiert.“ In der Praxis würden sie kaum ausgeschöpft, die erneuerbaren Energien nach wie vor vernachlässigt. „Für jemanden, der in diesem Bereich qualifiziert arbeiten will, sind die bisherigen Vertiefungsmöglichkeiten zu gering. Vor allem, wenn er keinen Ausbildungsbetrieb gefunden hat, der in dem Geschäftsfeld arbeitet. Es wundert mich nicht, dass diese Auszubildenden Defizite haben.“

Mehr relevante Inhalte gefragt

Es bestehe Handlungsbedarf, meint Bühler und führt als Beleg Ergebnisse des von ihm geleiteten Projekts „Ausbildung und Arbeit für Erneuerbare Energien – Statusbericht 2007“ an. Danach äußerten rund 73 Prozent der befragten Betriebe, die für das Berufsbild Verantwortlichen mögen doch mehr entsprechende Inhalte in die vorhandenen Ausbildungsgänge integrieren – und zum Inhalt der Abschlussprüfung erklären. „Trotz solcher Aufforderungen hat sich bislang nicht viel bewegt“, konstatiert der Projektleiter. „Angesichts der Bedeutung, die das Thema für das SHK- und Elektrohandwerk spielt, ist das nicht zukunftsweisend.“ Und die Bedeutung wächst: In den letzten Jahren hat der Anteil jener Handwerksbetriebe deutlich zugenommen, deren Geschäftsfelder rund um die Themen „Erneuerbare Energien“ und „Energieeffizienz“ kreisen. So ermittelte der Zentralverband des SHK-Handwerks (ZVSHK) Anfang 2009, dass allein 20 Prozent der Mitgliedsbetriebe in der Photovoltaik aktiv sind. Und nach der 2007 veröffentlichten Umfrage des ZVEH verdiente vor knapp zwei Jahren bereits jeder dritte der bundesweit 78.000 Elektrohandwerksbetriebe mit der Solartechnik sein Geld. Tendenz: steigend. Dafür sorgen das seit 1. Januar 2009 geltende Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, die Energieeinsparverordnung 2009 und nicht zuletzt das wachsende Interesse der Deutschen an regenerativen Energien.

Der enorme Zuspruch, den dieses Geschäftsfeld vonseiten des Handwerks erfährt, liefert den Befürwortern von Zusatzqualifikationen in der Ausbildung noch ein weiteres Argument. Längst nicht jeder Betrieb, der mit erneuerbaren Energien sein Geld verdienen will, setzt auf Weiterbildung und verfügt über die notwendige Fachkenntnis. Auslegungs- und Installationsmängel nehmen zu, sehr zum Ärger der Anlagenbetreiber – und der Anlagenanbieter. Mit für Handwerksbetriebe konzipierten Herstellerschulungen plus Zertifikat und umfassenden Qualitätssicherungsmaßnahmen wird versucht, diesen Missstand einzudämmen. Diese Absicht verfolgt auch der vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) und vom ZVEH initiierte Anlagenpass. Ein weiterer Schritt wären besser qualifizierte Auszubildende. Entsprechende Lerninhalte vorausgesetzt, würden sie sich bereits während der Ausbildung mit den Besonderheiten der Anlagen vertraut machen, die mit erneuerbaren Energien Strom oder Wärme produzieren – intensiver als bisher.

Kurzfristig reagieren

Davon, dass sich in der Ausbildung kurzfristig und ohne den üblichen bürokratischen Aufwand etwas ändern könne, ist Bühler fest überzeugt. Gerade im Elektrohandwerk sei die Basis mit der neuen Struktur der Ausbildungsverordnung gelegt. Nun gelte es, die Gestaltungsspielräume systematisch und flächendeckend auszuschöpfen, den Anteil der erneuerbaren Energien in der grundständigen Ausbildung auszuweiten sowie Vertiefungsmöglichkeiten anzubieten, die echtes Gewicht hätten und für Betriebe und Absolventen sichtbar wären. „Dazu muss nicht sofort ein neuer Ausbildungsberuf entstehen. Aber aufgrund der gesammelten Erfahrungen sollten die Verantwortlichen schon prüfen, wie sinnvoll es wäre, ein eigenständiges Ausbildungsprofil mit diesem Akzent zu entwickeln.“

Dem SHK-Handwerk empfiehlt er den Blick über die Grenze nach Österreich. Dort wurde im Juli 2008 der Modullehrberuf „Installations- und Gebäudetechnik“ aus der Taufe gehoben. Neben dem für alle geltenden Grundmodul können die Auszubildenden aus drei Hauptmodulen – Gas- und Sanitär-, Heizungs- oder Lüftungstechnik – wählen. Wer sich weiter spezialisieren will, kann das tun. In einem zusätzlichen vierten Lehrjahr stehen Spezialmodule zur Wahl, zum Beispiel Ökoenergietechnik. Eine sinnvolle Struktur, meint Bühler. „Sinnvoller jedenfalls, als die Mitarbeiter erst zwei Jahre nach der Berufsschulzeit auf lange Kurse zu schicken.“

Die Zeit arbeite eher für als gegen ein eigenständiges Ausbildungsprofil, prognostiziert der Leiter des Stuttgarter Solar Energie Zentrums (SEZ), Jörg Veit. „Der Anteil der Themen Erneuerbare Energien und Energieeffizienz wird im Berufsbild enorm wachsen.“ Als Indikator dafür sieht er den Zuspruch, den die vorhandenen Fortbildungsmaßnahmen schon heute finden. „Wenn so eine Fortbildung stark nachgefragt wird, wirkt das auf die Ausbildung zurück.“ Zuerst durch überbetriebliche Maßnahmen und später mit einem eigenen Berufsbild in der grundständigen Ausbildung. Aber anders als bei derzeit neu entstehenden Studiengängen sollte das nicht allzu eng fokussiert ausfallen. „Einen Elektroniker oder eine Elektronikerin Fachrichtung Photovoltaik halte ich für wenig sinnvoll.“

Zukünftige Elektroniker Fachrichtung Erneuerbare Energien und Energieeffizienz oder mit ähnlichen Schwerpunkten versehene Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik wären allerdings denkbar und durchaus wünschenswert. Bereits heute beklagen viele Betriebe den Mangel an qualifiziertem Nachwuchs. Attraktive, bei Schülern und Abiturienten – weiblichen wie männlichen – positiv besetzte Zukunftsberufe rund um Ökothemen könnten Abhilfe schaffen, sofern das Handwerk seine Berufsprofile damit nicht nur schmückt, sondern sie auch mit Inhalten ausgestaltet.

Stefanie Kayser, die sich nach dem Abitur für die Ausbildung zur Elektronikerin entschied, fände eine neue Fachrichtung Erneuerbare Energien interessant. Nur: „Zu schmal dürfte der Schwerpunkt nicht sein. Mir hat es besonders gut gefallen, dass ich während meiner Ausbildung in ganz unterschiedliche Fachgebiete reinschauen konnte.“

Claudia Treffert

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