Torobekova Kalisa ist gebürtige Kirgisin und studiert in ihrem Heimatland Agrarmanagement. Gerade verbringt sie zwei Semester an der Fachhochschule Weihenstephan in der Nähe von München. Im vergangenen Herbst absolvierte die 25-Jährige ein vierwöchiges Praktikum bei dem Solarfachbetrieb Solar-Partner Süd im Chiemgau. „Bei uns hat sie CAD-Grundlagen gelernt und Dokumentationen für Photovoltaikanlagen erstellt“, sagt Peter Wühr, technischer Leiter und zuständig für die Praktikanten imBetrieb. Er äußert sich sehr positiv über die fleißige und wissbegierige Studentin.
Neben Studenten schnuppern auch Schüler, Teilnehmer an Solarfortbildungen und Umschüler bei Solar-Partner Süd rein. Manche bleiben bis zu drei Monate. Seitdem das mittelständische Unternehmen Kontakt zu einer Auslandsorganisation knüpfte, klopfen immer häufiger Interessenten aus Polen, Rumänien und Georgien an. „Manchmal wird es schon fast zu viel. Da ist man froh,wenn mal keiner da ist“, sagt Wühr und lacht. Praktika will er aber auf jeden Fall weiter anbieten. „Das ist eine Investition in die Zukunft.“ Praktika geben jungen Menschen die Chance, in das Berufsleben hineinzuschnuppern. Berufseinsteiger und -umsteiger können auf die Weise verschiedene Berufsfelder kennen lernen. Insbesondere in einem noch jungen Berufsfeld wie dem Solarhandwerk sind solche Gelegenheiten gefragt. Doch nicht immer ist ein Praktikum ein Erfolgfür beide Seiten. Firmen und Praktikanten sind gefordert, dazu beizutragen, dass es keine verschenkte Zeit ist und beide Seiten davon profitieren. „Ein Praktikum hat mehr Nutzen für den Praktikanten als für den Betrieb“, sagt Peter Wühr aus jahrelanger Erfahrung.
Schüler, Studenten, Umsteiger
Freiwillige Helfer gibt es aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten. An Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien sind ein- oder zweiwöchige Praktika Pflicht. Andrea Süren, Beraterin im Bildungszentrum der Wirtschaft in Essen, hält das für sinnvoll. „Die Jugendlichen haben überhaupt keine Ahnung, was die Arbeitswelt bedeutet. Sie könnennicht früh genug damit anfangen, unterschiedliche Berufsfelder kennen zu lernen“, sagt sie.
Auch in vielen Studiengängen sind Betriebspraktika vorgeschrieben. Üblich sind drei Monate in den Semesterferien oder ein Praxissemester. Dem jungen Erwachsenen erspart solch ein Praktikum einen Praxisschock, wenn er seine erste Stelle antritt.
So plötzlich die Freiheit im Studium gegen einen festen Arbeitstag mit vorgegebener Struktur und manch ungeliebter Verpflichtung einzutauschen, fällt einigen schwer. Für die neuen Studiengänge wie Regenerative Energien und Umweltenergietechnik, aber auch für klassische Felder wie Versorgungstechnik bietensich Praktika in Solarfachbetrieben geradezu an.
Wenn sich ein Berufstätiger beruflich verändern möchte, tut er ebenfalls gut daran, seinen neuen Wunschberuf erst einmal in der Realität kennen zu lernen. Die Teilnehmer von Weiterbildungen zu Solarfachkräften, wie angehende Solarteure und Geprüfte Fachkräfte Solartechnik, brauchen Praxiserfahrung. Nachdem sie 200 Stunden lang die Schulbank gedrückt haben, sollen sie dann Photovoltaikanlagen planen und bauen.
Arbeitslose und Langzeitarbeitslose werden vom Arbeitsamt verpflichtet, tätig zu werden, oder sie tun es aus freien Stücken, damit sie den Anschluss an die Berufswelt nicht verlieren. „Manche haben Schwierigkeiten, morgens aufzustehen, oder sie können sich nicht mehr eingliedern. Dafür ist ein Praktikum wichtig“, sagt Andrea Süren vom Bildungszentrum der Wirtschaft.
Fuß in der Tür
All diese Aspiranten haben durch Praktika diverse Vorteile. Sie verschaffen sich einen Eindruck, ob ein Beruf zu ihnen passt. Manche finden so einen Ausbildungsplatz oder eine neue Beschäftigung. Doch was haben die Firmen davon? „Für uns ist es ein Vorteil, wenn ein Auszubildender vorher ein Praktikum bei uns gemacht hat“, sagt Matthias Junker, Inhaber von Junker Elektrotechnik im norddeutschen Reppenstedt. So kennt er den neuen Mitarbeiter schon einmal, und der neue Azubi weiß, worauf er sich einlässt.
Manchmal kommt es auch vor, dass ein Unternehmen einen besonders talentierten und engagierten Praktikanten einstellt, obwohl eigentlich keine Personalaufstockung geplant war. Und wenn keine feste Stelle dabei herausspringt, so doch zumindest ein Kontakt zur Branche und eine Referenz im Lebenslauf.
Viel Idealismus
In der Summe sind das viele Menschen, die jedes Jahr Praktikumsplätze benötigen. Für viele von ihnen gilt: „Viel guter Wille, aber wenig Erfahrung“, wie Thomas Hartmann, Geschäftsführer von Hartmann Energietechnik im schwäbischen Rottenburg-Oberdorf, es ausdrückt. Wenn Unternehmen dennoch Praktikumsplätze anbieten, dann tun sie es aus den unterschiedlichsten Motiven. Oftmals ist Idealismus im Spiel. ZumBeispiel bei Claudio Fischer-Zernin-Schmitt, Miteigentümer der Umweltfreundliche Haustechnik (UFH) GmbH in Süd-Niedersachsen.
Der Fachbetrieb hat acht Festangestellte und beschäftigt hin und wieder Schüler, Umschüler und Langzeitarbeitslose als Praktikanten. „Ich habe das Gefühl, ich tue mit meiner Arbeit etwas Sinnvolles, und das möchte ich gern weitergeben“, sagt Fischer-Zernin-Schmitt. „Außerdem macht es Spaß. Meist sind es junge Leute, und man ist ja selbst mal jung gewesen.“ Ähnlich klingt es bei Willi Harhammer, Geschäftsführer von Ikratos Solar- und Energietechnik in Weißenohe. „Ich biete Praktika an, weil ich sozial eingestellt bin. Und weil ich nur einmal auf der Welt bin“, sagt er. Peter Wühr von Solar-Partner Süd sieht darin eine Notwendigkeit: „Ich bin überzeugt, dass wir Fachkräfte brauchen.“ Es sei jetzt schon schwer, im Bereich der erneuerbaren Energien die nötigen Fachkräfte zu finden. Der Betrieb will dazu beitragen, dass der Engpass nicht noch größer wird.
Die Dauer von Praktika ist unterschiedlich. Bei Schülern sind bis zu 14 Tage üblich, Studenten bleiben auch mal ein Vierteljahr. Schülerpraktika sind in der Regel unbezahlt, Studenten erhalten eine Entlohnung. „Die Bezahlung hängt von der Dauer, den Vorkenntnissen und dem Nutzen ab, den uns ein Praktikant bringt“, sagt Thomas Hartmann. Peter Wühr handhabt es ähnlich. Ausländische Praktikanten – dies sind bei ihm oft Privatpersonen –, die für drei oder vier Wochen bleiben, erhalten freie Kost und Logis, berichtet er. „Studenten können am besten eingebunden werden. Sie erhalten einen Praktikantenvertrag und ein Gehalt von ein paar hundert Euro im Monat.“ Stefan Gebert, der Ressourcenmanagement an der Fachhochschule Deggendorf studiert, hat ein solches Praktikum bei Solar-Partner Süd absolviert. Von seinen Kommilitonen weiß er, dass sie in Praktika zwischen 300 und 800 Euro im Monat erhalten. Wenn ein Praktikum mit einer Projektarbeit verbunden ist, zahlt Solar-Partner Süd auch schon einmal 1.500 Euro.
Wege zum Praktikum
Oftmals kommen die Praktikanten über private Kontakte zu den Firmen. Wobei Thomas Hartman eines gar nicht mag: „wenn Eltern für ihre Kinder fragen“. Ein Praktikum sei eine Chance, eine Bewerbung zu schreiben, und die sollten die jungen Leute nutzen, begründet er dies.
Junker Energietechnik ist in der Innungsbörse registriert und erhält daher Anfragen auch auf diesem Weg. Praktikumsbörsen und Anzeigen in Fachzeitschriften sind weitere Möglichkeiten. Solar-Partner Süd sucht aktiv nach Studenten, die Praktika absolvieren wollen. Dafür ist der Betrieb bei Hochschulen in Deggendorf, München, Amberg und im österreichischen Wels gelistet. „Wenn man einmal in solch einer Liste ist, bekommt man immer wieder Anfragen“, sagt Wühr.
Anfragen von Schülern gibt es zuhauf. Sie können aber meist nur leichte Hilfsarbeiten machen wie beim Tragen oder bei der Ablage helfen. Den größeren Nutzen für die Firmen bringen Studenten oder andere Praktikanten, die länger als ein paar Tage bleiben. Sie können eingearbeitet werden und anschließend praktisch mithelfen. Die Kirgisin Kalisa hat in den vier Wochen ihres Praktikums viel gelernt. Sie half den Beratern bei der Anlagenplanung, sie war auf Baustellen dabei und hat auf dem Dach mitmontiert. „Ich wollte immer alles selber sehen und mitmachen“, sagt Kalisa über sich selbst. Weil sie daskonnte, sei das Praktikum „sehr interessant“ gewesen.
Vielseitig muss es sein
Längst nicht jeder Praktikant darf auf das Dach. Dabei liegt es im Ermessen der Firmen, wen sie mitmontieren lassen. Matthias Junker lässt grundsätzlich keine vorübergehend Beschäftigten auf das Dach. Das ist ihm zu gefährlich. „Ich traue es 14- oder 15-Jährigen nicht zu, ein Dach sicher zu besteigen“, sagt er. Thomas Hartmann lässt sich von den Praktikanten glaubwürdig versichern, dass sie schwindelfrei sind. Danach müssen sie über Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit, Spannung und sonstige Gefahren instruiert werden. Dann erst geht’s in die Höhe.
Matthias Krebs aus Neunkirchen-Seelscheidt bei Köln ging für sein Praktikum nach Schwaben. Fast sechs Monate war der 19-Jährige Praktikant bei Hartmann Energietechnik. Er war bei der Photovoltaikmontage dabei, hat Kollektoren gebaut, Daten verwaltet, das Firmenjubiläum mitorganisiert und auf Messen geholfen. „Auf einer überregionalen Schule durfte ich als Referent für die Energiewende-Rechner auftreten“, sagt er zufrieden.
Das Praktikum verbucht er als Erfolg, weil es sehr vielseitig war. „Aber die Vielseitigkeit darf auch nicht zu Lasten der Kontinuität gehen“, mahnt er. Das wäre der Fall, wenn ein Praktikant alle drei Tage etwas Neues machen müsste und sich in kein Aufgabenfeld richtig einarbeiten könnte. Außerdem sei es gut, feste Ansprechpartner zu haben. „Das muss nicht ein einziger Betreuer sein“, sagt Krebs. Er selbst hatte fünf. Denen rechnet der 20-Jährige es hoch an, dass ihnen bewusst war, dass er dort war, um zu lernen, und noch nicht alles konnte. „Die Leute gehen dann gelassener mit einem um“, weiß er nun.
Für den Erfolg förderlich sei auch ein positives Betriebsklima und wenn es einem Spaß macht, was man tut. Dass Letzteres wichtig ist, meint auch Andrea Süren. Stefan Thaler, der im vergangenen Jahr das Sommersemester bei Solar-Partner Süd verbrachte, äußert sich ebenfalls positiv. „Das Praktikum hat mir einen tiefen Einblick in die Arbeitswelt ermöglicht. Und es war ein Motivationsschub für das Studium, zu sehen, wofür man das macht.“
Der Wille zählt
Solche engagierten Praktikanten wünschen sich die Firmen. „Wenn sie motiviert sind, läuft’s. Wenn nicht, dann nicht“, sagt Willi Harhammer. „Die Noten sind zweitrangig, der Schwerpunkt muss passen“, sagt Thomas Hartmann über die Einstellungskriterien. Willi Harhammer will vor allen Dingen „den rechten Willen“ sehen, und der Praktikant muss sich integrieren lassen.
Ebenso wie die anderen Befragten hat er schon sehr unterschiedliche Erfahrungen mit seinen Praktikanten gemacht. So resümiert er: „Die Schüler sind meist etwas naiver.“ Studenten seien gebildeter,dafür aber auch etwas eingebildeter. „Aber“, so rückt er dann gleich zurecht, „ein Student, der den richtigen Willen hat, macht auch Spaß.“ Etwas kritisch gegenüber Studierenden ist auch Matthias Junker: „Manche machen sich eine völlig falsche Vorstellung. Für die ist das dann eine Ernüchterung. Sie gehen davon aus, dass sie den ganzen Tag im Büro sitzen und Anlagen planen. Wenn sie dann handwerklich arbeiten sollen, sind viele schnell wieder weg.“ Andererseits hatte er auch schon Praktikanten, die so begeistert waren, dass sie am liebsten gleich bei ihm angefangen hätten.
Fischer-Zernin-Schmitt von UFH gesteht ein, dass er Doktoranden gegenüber Bedenken hat. „Wenn einer zu viel studiert hat, ist die Frage, ob er auch mit einem Akkuschrauber umgehen kann.“ Langzeitarbeitslose und Umschüler seien „interessiert und nett“.
Kein Problem mit Studenten hat Peter Wühr: „Die haben es alle super gemacht“, blickt er zurück. Gern würde er häufiger Studentinnen beschäftigen. „Doch die machen nach dem Gespräch meist einen Rückzieher, wenn sie hören, dass wir technisches Geschick voraussetzen“, bedauert er. Zugleich lobt er Torobekova Kalisa, doch sie geht in diesem Herbst nach Kirgisien zurück. Dort will sie vielleicht in der Solarbranche tätig werden. Bei Solar-Partner Süd reißt der Praktikantenstrom derweil nicht ab. Im März absolvierten zwei Franzosen ein Training, um das Erlernte danach in Georgien anzuwenden.