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Puzzeln mit Variablen

Michael T. will schon seit langem zu einer Firma wechseln, die ihm mehr Handlungsspielraum bietet. Der 43-jährige Elektroingenieur arbeitet seit sechs Jahren als Projektentwickler für ein etabliertes Solarunternehmen mit rund 60 Mitarbeitern, denkt jedoch immer wieder über einen Wechsel in den Vertrieb nach. Michael T. erhofft sich dadurch mehr Sicherheit und ein ähnlich gutes Gehalt wie in seiner jetzigen Position, die mit 3.800 Euro plus attraktiven Zusatzleistungen vergütet wird. Dabei ist dem Ingenieur klar, dass die Karten im Gehaltspoker anders gemischt sind als vor drei Jahren, als er sich für die Projektleitung bei seinem jetzigen Arbeitgeber bewarb.

Studie bietet Überblick

Michael hat sich an eine Personalagentur gewandt, die sich auf die Erneuerbare-Energien-Branche spezialisiert hat, doch er möchte sich auch in Eigenregie übersein mögliches Gehaltsspektrum informieren. Einen guten Überblick verschafft ihm die Gehaltsstudie vom Photovoltaikzentrum – Michael Ziegler, die 2011 zum zweiten Mal erhoben wurde und bisher die einzige brancheninterne Gehaltsstudie von nennenswertem Umfang ist. Für die Studie wurden die Aussagen von 3.890 Branchenmitgliedern ausgewertet, fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Wer die Entwicklung der Gehälter zwischen 2009 und 2011 genau nachzeichnen möchte, sollte die Erwartungen jedoch nicht zu hoch stecken: Die Studie wurde in einigen Bereichen stark erweitert, so dass sich „beide Studien nur in einigen Punkten miteinander vergleichen lassen“, wie Autor Ziegler sagt. Dennoch bietet sie Jobwechslern und Personalverantwortlichen eine Fülle von Anhaltspunkten für ihre Gehaltsverhandlung.

Assistent, Angestellter, Abteilungsleiter: Dass man auf der Gehaltsleiter mitdem Funktionsbereich nach oben steigt, ist altbekannt. Aber wie viel Spielraum auf den einzelnen Stufen möglich ist, darüber sind sich die wenigsten Jobsuchenden im Klaren. Angehende Assistenten etwa können laut Studie mit einem Jahresgehalt zwischen 21.600 Euro und 29.400 Euro (unterer und oberer Viertelwert) rechnen. Bei Angestellten reicht die Spanne zwischen den unteren und oberen 25 Prozent fast doppelt so weit, von 25.200 Euro bis 39.000 Euro. Und bei Abteilungsleitern unterscheiden sich die niedrigste und die höchste Gehaltsstufe sogar um 22.000 Euro: von 36.000 Euro im unteren Viertel bis zu 58.200 Euro im oberen Bereich, variable Gehaltskomponenten nicht eingerechnet. So zumindest lautete das Ergebnis der Studie aus den Jahren 2010/2011.

Bei Unternehmen mit Tarifverträgen werden tätigkeits- und leistungsabhängige Gehälter über mehrere Stufen definiert, was Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Arbeitgeber und Mitarbeiter erhöht. Bei Bosch Solar beispielsweise liegt die Eingruppierungsspanne für akademisch qualifizierte Beschäftigte zwischen 3.200 und 4.200 Euro plus Sonderleistungen. „Bei Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, beobachten wir in aller Regel ein sehr hohes Gefälle zwischen Beschäftigten mit und ohne Managementfunktion. Auch die Leistung von Fachexperten wird oft nicht genug honoriert“, erklärt Detlef Wetzel, zweiter Vorsitzender der IG Metall.

Jobwechsler Michael T. glaubt, dass Unterbezahlung nur in kleinen Betrieben ein Problem sei – große Unternehmen könnten schließlich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit höhere Gehälter zahlen. Studien-Autor Michael Ziegler geht von einem differenzierteren Bild aus: „Laut den Ergebnissen der letzten Studie lässt sich in Kleinstbetrieben mit bis zu fünf Mitarbeitern deutlich mehr verdienen als in größeren Unternehmen. Erst ab einer Beschäftigtenzahl von 5.000 Mitarbeitern steigt das Jahresbruttogehalt wieder über 40.000 Euro“, sagt der Solarmarktanalyst.

Finanzspezialisten gefragt

Auch wenn es um die Abteilung oder den betrieblichen Bereich mit den besten Verdienstmöglichkeiten geht, sind pauschale Aussagen schwer zu treffen. Der Gehaltsstudie zufolge führten 2010/2011 vor allem Mitglieder der Geschäftsleitung oder des strategischen Managements die Gehaltsliste an (Mittelwert: 64.200 Euro im Jahr), daneben die Bereiche Forschung & Entwicklung (42.600 Euro) sowie die Bereiche Ingenieurwesen/Entwicklung/Konstruktion (42.000 Euro). Dicht auf ihren Fersen folgten die Aus- und Weiterbilder (42.000 Euro), die Projektmanager (42.000 Euro) und die Einkäufer (39.000 Euro). Demgegenüber beobachtet Christian Röther von der Personalberatung Sunjob Consult, dass gerade Spezialisten aus dem Banken- und Finanzierungsumfeld stark gefragt sind: „Hier ziehen die Gehälter an.“ Auf der Liste der gut dotierten Jobs taucht außerdem der Vertriebssektor auf, der in der Studie mit einem mittleren Jahresgehalt von 36.000 Euro ausgewiesen wird. Dieses Fixgehalt wird um variable Entgeltbestandteile angereichert, die zwischen 6.000 und 13.500 Euro pro Jahr liegen können.Attraktive Gehälter warten auch nach wie vor auf Mitarbeiter, die bereit sind, für ihren Arbeitgeber eine hohe Mobilität an den Tag zu legen. Nach Angaben der Studie des Photovoltaikzentrums verdienen Mitarbeiter am meisten, wenn sie sowohl im In- als auch im Ausland reisen (durchschnittlich 42.400 Euro jährlich), gefolgt von Mitarbeitern, die ausschließlich ins Ausland reisen (38.000 Euro). Auch bei diesen Mitarbeitern dürfte es sich in der Mehrheit um hochrangige Vertriebsmitarbeiter handeln, deren Gehaltsangaben sich lediglich auf die fixe Gehaltskomponente beziehen. Finanzielle Einschnitte sind in diesem Funktionsbereich 2012 eher unwahrscheinlich, glaubt Axel von Perfall von der Personalberatung Alingho: „Der zunehmende Wettbewerb durch die asiatischen Anbieter hat die Nachfrage nach Top-Vertriebsleuten stark angeregt.“ Ähnlich hoch im Kurs stehen zurzeit Projektentwickler „mit sehr guten regionalen Kontakten zu Behörden und anderen Marktakteuren“, wie Axel von Perfall präzisiert. Diese Beobachtung teilt er mit Judith Lohse, seit eineinhalb Jahren Leiterin Personal und Assistentin des Vorstands bei Green City Energy. Die Projektexperten aus München beobachten die jüngsten Entwicklungen im deutschen Markt mit Vorsicht und versuchen, sich so vielseitig wie möglich aufzustellen. „Wir halten ein technisches Expertenteam mit langjähriger Erfahrung im Einsatz, das vor allem in der Planung und der technischen Due Diligence tätig ist. Für den Bau greifen wir auf externe Fachkräfte zurück“, erklärt Judith Lohse.

Die Gehaltsstudie wirft auch Fragen auf, die manchen Jobsuchenden auf den ersten Blick entmutigen könnten. Zum Beispiel angesichts der Bildungsabschlüsse und der damit korrespondierenden Gehaltshöhe. Lohnt sich eine akademische Ausbildung für Mitarbeiter der Photovoltaikbranche? Sieht man davon ab, dass bestimmte technische Kompetenzen nur an (Fach-)Hochschulen vermittelt werden, so trägt laut Studie der Besuch einer Hochschule relativ wenig zur Höhe des Gehalts bei: Ein Mitarbeiter mit Abitur oder Fachabitur verdiente pro Jahr im Mittel nur 1.680 Euro weniger als ein Mitarbeiter mit FH- oder BA-Abschluss und 3.074 Euro weniger als ein Universitäts- oder MBA-Absolvent. Verglichen mit den Beträgen, die ein junger Berufstätiger in der Zeitspanne einesfünfjährigen Studiums verdienen könnte, ist dieser Unterschied nicht übermäßig groß. Auch Detlef Wetzel von der IG Metall beobachtet diese Entwicklung mit Sorge: „Unsere Beobachtung ist, dass vielfach Beschäftigte mit einer hohen Branchenidentifikation in die Solarbranche gehen und dafür auch bereit sind, auf Einkommen zu verzichten. Leider werden Versprechen nach künftigen Gehaltssteigerungen oftmals nicht eingehalten, so dass so mancher enttäuscht abwandert.“

Erfahrung zahlt sich aus

Die Experten sind sich einig: Die Berufserfahrung spielt immer noch eine deutlich größere Rolle in der Gehaltsfrage als die Qualifikation. Diese Tatsache ist besonders für Akademikerinnen bedauerlich, deren Anteil an technischen Studiengängen sich in den letzten Jahren zwar zögerlich, aber doch hoffnungsvoll erhöht hat. Bildet man aus allen Gehaltsgruppen die Schnittmenge, dann erwartet Frauen in der Solarbranche ein Gehalt, das im Durchschnitt 17,4 Prozent unter dem Gehalt ihrer männlichen Kollegen liegt. Dieser Wert ist nicht alleindamit zu begründen, dass 84 Prozent aller Teilzeitstellen und Minijobs mit Mitarbeiterinnen besetzt werden, denn wenn Photovoltaik-Fachfrauen eineFührungsposition erreichen, liegt die Gehaltsdifferenz im Schnitt sogar bei 18,9 Prozent.

Doch gilt diese Beobachtung auch für Unternehmen, die einem gewerkschaftlichen Tarifvertrag angehören? Ein wichtiges Ziel der tariflichen Bindung besteht ja darin, geschlechtliche Diskriminierung in der Gehaltsgestaltung auszuschalten. „Natürlich wirken gesellschaftliche Verhältnisse trotzdem in tarifgebundene Unternehmen hinein und Frauen stoßen auf die ‚gläserne Decke‘“, räumt Detlef Wetzel von der IG Metall ein. Die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen seien jedoch in tarifgebundenen Betrieben deutlich geringer bis nicht existent bei gleicher Tätigkeit. „Bei nicht tarifgebundenen Firmen in der Solarbranche beobachten wir, dass Frauen in derRegel mit 20 Prozent oder mehr Abschlag gegenüber ihren männlichen Kollegen rechnen müssen.“ Für weibliche wie männliche Mitarbeiter gilt gleichermaßen, dass ihr Einkommen mit zunehmender Berufserfahrung steigt. Allerdings ist in vielen Aufgabengebieten nicht die Anzahl der insgesamt abgeleisteten Berufsjahre, sondern die Berufserfahrung innerhalb der Photovoltaikbranche entscheidend für die Gehaltsgestaltung; bei Führungskräften hingegen spielt sie eine relativ geringe Rolle (siehe auch photovoltaik 09/2011). Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Unternehmenszugehörigkeit, die der Studie zufolge „das Gehalt nicht nur geringfügig, sondern deutlich steigen lässt.“ Ihre Schubkraft spürten treue Mitarbeiter bislang vor allem zwischen dem fünften und dem zehnten Jahr der Betriebszugehörigkeit. Interessanterweise verlangsamt sich das Gehaltswachstum bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mehr als zehn Jahre im Unternehmen mitgearbeitet haben. „Gerade in dienstleistungsstarken und forschungsintensiven Unternehmen wird Unternehmenstreue sehr groß geschrieben. Nicht zuletzt um einen Know-how-Transfer zu vermeiden, denn Mitarbeiter dieser Branche wechseln in der Regel branchenintern“, erklärt Christian Röther von Sunjob Consult.

Schöne Extras möglich

Was die Zusatzleistungen betrifft, so klaffen die Ergebnisse der Studie und die Beobachtungen von Marktexperten deutlich auseinander. Michael Ziegler zufolge ist der Firmenwagen die am weitesten verbreitete Zusatzleistung, gefolgt von vermögenswirksamen Leistungen, Bonus- oder Prämienzahlungen, Weihnachtsgeld und Altersvorsorge durch Gehaltsumwandlung. Das sind schöne Extras, aber wie Axel von Perfall von Alingho glaubt, bietet die Photovoltaikbranche „noch nicht das volle Spektrum der möglichen Gehaltskomponenten an: Es gibt zwar ein variables Gehalt und betriebliche Altersvorsorge, aber es fehlt an Arbeitszeitkonten, Umzugsgeld und anderen etablierten Zusatzleistungen.“ Michael T. wird also sehr genau hinsehen müssen, wenn er die Angebote potenzieller Arbeitgeber prüft.

Die Gehaltsstudie "Das verdient die Solarbranche wirklich" ist für 499 Euro netto erhältlich.

www.photovoltaikstudie.de/gehaltsstudie

Birte Pampel

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