So richtige Cash Cows – im Markt etablierte Produkte, die stabile und hohe Gewinne erwirtschaften – sind echte Kühe bei den aktuellen Milchpreisen schon lange nicht mehr. Da kamen vielen Landwirten Photovoltaikanlagen als neue Einnahmequelle gerade recht. Bei den vielen Dachflächen auf Scheunen und Ställen war es kein Wunder, dass ein Großteil der Anlagen seit Beginn des Photovoltaik-Booms 2004 auf Höfen installiert wurde. Doch es gibt eine Kehrseite der Medaille, und die hängt mit den speziellen Gegebenheiten in der Landwirtschaft zusammen. Leicht brennbare Gebäude, mangelhafte Erdung und vernachlässigte elektrische Anlagen sind nur einige Gründe dafür, dass die meisten Brände an PV-Anlagen in der Landwirtschaft auftreten und dass sie in der Regel zum Totalschaden führen. Um die Gefahr einzudämmen, sind Installateure, Anlagenbetreiber und Feuerwehren gefordert.
Genau drei Jahre war es am 24. April her, dass die 45-Kilowatt-Anlage von Matthäus Moser im niederbayerischen Geratskirchen abbrannte. Und der Stall auf dem Hof seines Vaters, auf dem der Junior die Anlage betrieb, noch dazu. Das Schreckensszenario in der Montagnacht hat Moser noch vor Augen: ein lichterloh brennender Stall, einstürzende Holzbalken, verschmorte Solarmodule und Rauchschwaden, die kilometerweit zu sehen waren. 170 Feuerwehrleute rückten an, um den Brand zu löschen. Der Stall, in dem bis zu dem Morgen noch 1.000 Enten gemästet wurden, brannte bis auf die Grundmauern ab.
Die Kriminalpolizei schloss Eigenverschulden aus. Die Versicherung konnte keine Montagemängel feststellen. Darüber hinaus konnte Moser beiden nachweisen, dass er seine Anlage sorgfältig beobachtet und gewartet hatte. „Anderthalb Jahre ist sie einwandfrei und nachweisbar gut gelaufen“, sagt Moser, der den Ertrag fast täglich kontrollierte und an einem Monitoring teilnahm. Umso ärgerlicher war der Brand. Der Totalschaden für den Stall, das Inventar und die PV-Anlage belief sich auf knapp 450.000 Euro. Die Versicherung kam zwar für das neue Gebäude und die neue Anlage auf. Einen Verlust musste Moser trotzdem hinnehmen. Sein zweites Solarstromkraftwerk mit den gleichen Modulen und Wechselrichtern war 20.000 Euro teurer als die erste Anlage. Für die Differenz musste der Betriebswirt alleine aufkommen.
In der Regel Totalschaden
„Brandschäden bei Photovoltaikanlagen sind erfreulicherweise sehr selten“, sagt der Solarsachverständige Christian Keilholz aus Oberbergkirchen. Die Gründe dafür sind das meist relativ geringe Brandrisiko, zum Beispiel bei Einfamilienhäusern, und der hohe Sicherheitsstandard in der Elektrotechnik. Wenn es brennt, sind die Folgen umso verheerender. Wie eine Untersuchung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt, waren nur zwei Prozent der Schadensfälle an PV-Anlagen im Zeitraum 2004 bis 2007 durch Feuer verursacht. Gleichzeitig lag die Schadenssumme im PV-Sektor bei 26 Prozent der Beträge, die die GDV-Mitgliedsunternehmen an ihre Kunden auszahlten. Es folgten Zahlungen für Schäden durch Sturm (25 Prozent), Überspannung (14 Prozent), Schneedruck (zwölf Prozent) und Diebstahl (acht Prozent).
„Die häufigsten Brandschäden gibt es in der Landwirtschaft“, sagt Uli Motzer, Schadenregulierer bei der Württembergischen Versicherung. Trotzdem versichert sein Unternehmen, nach eigenen Angaben einer der größten Photovoltaikversicherer im Land, noch Anlagen auf landwirtschaftlichen Gebäuden. Andere Versicherungen haben sich davon schnell wieder verabschiedet. Die HSB Engineering Insurance Ltd. beispielsweise ist seit Mitte der 1990er Jahre im Photovoltaiksektor tätig. Landwirtschaftliche Anlagen erwiesen sich als kritisch, berichtet Manfred Schaefer, HSB-Repräsentant für Deutschland. „Wir haben dann schnell entschieden, dass wir für diese Anlagen keine Versicherungen mehr anbieten.“ Grundsätzlich hält er PV-Anlagen aber nicht für stärker gefährdet als andere Elektroinstallationen. Die Probleme in der Landwirtschaft sind anders gelagert. Sie beginnen bei den Gebäuden, auf denen die PV-Anlagen installiert werden. In vielen Fällen gibt es in den Scheunen, Unterständen oder Maschinenhallen keine bestehenden Elektroinstallationen. Dadurch fehlen in der Regel auch Fundamenterder, also elektrisch gut leitende Verbindungen zum Erdreich, und andere Erdungseinrichtungen, über die im Fehlerfall hohe Ströme abfließen können.
Problem: Lange Leitungswege
Werden die Anlagen auf abseits gelegenen Gebäuden errichtet, sind die Wege zum Einspeisepunkt deutlich länger als im Wohnhaus oder in einem gewerblich genutzten Gebäude. Diese langen Leitungswege müssen sorgfältig geplant und installiert werden, was häufig nicht der Fall ist. „Die Mängel sind vorrangig auf der Montageseite zu finden“, weiß Christian Keilholz aus seiner Gutachtertätigkeit. Uli Motzer von der Württembergischen Versicherung kann dies nachvollziehen. „Wir haben häufig die Vermutung, dass ein Montagefehler zum Brand führte.“ Allerdings hat er meist mit Totalschäden zu tun, und da ist die Beweisermittlung schwierig. Wenn ein Gebäude und eine PV-Anlage komplett abgebrannt sind, ist es nahezu unmöglich, die Brandursache zu finden. So war es auch bei Matthäus Moser. Zwar berichtete die Lokalpresse umgehend nach dem Brand, dass der Wechselrichter Feuer gefangen hatte. Dies ist laut Moser aber falsch. „Welcher technische Defekt den Brand ausgelöst hat, konnte nicht herausgefunden werden.“
Problem: Lose Kabel
Einig sind sich die Experten, dass viele Fehlerquellen auf der Gleichstromseite liegen. Als „diffuse Zustände“ bezeichnet Motzer die vielen losen Kabel, die er häufig zwischen dem PV-Generator und den Wechselrichtern sieht. Witterungsbedingte Einflüsse können dann zu Beeinträchtigungen, Kurzschlüssen und im nächsten Schritt zu Brand führen.
Ist ein Kabel ungenügend am Montagegestell oder in den Leitungswegen befestigt, bewegt es sich bei Wind und Sturm. Jahrelange Pendelbewegungen können dazu führen, dass sich die Verbindung löst. Oder das Kabel scheuert am Metall. In einem schleichenden Prozess, der sich über Jahre hinziehen kann, liegt der Draht dann irgendwann frei.
Eine weitere Gefahr bei losen Kabeln ist der Leiterbruch mit Lichtbogenbildung. Wenn ein Kabel zum Beispiel durch Pendelbewegungen abbricht, liegt die Kabellitze, das Strom leitende Drahtgeflecht, frei. Dadurch kann sich ein Lichtbogen gegen die metallische Unterkonstruktion bilden. In der Folge kann es zum Kurzschluss und Brand kommen. Ebenso kann Schnee, der vom Dach rutscht, lose Kabel mit sich reißen oder Kabelverbindungen trennen. Um diese Gefahren zu vermeiden, müssen die Leitungen in den Nuten der Montageprofile sicher eingelegt werden oder mit UV-beständigen Kabelbindern sicher fixiert werden.
Uli Motzer sieht noch ein weiteres Risiko bei losen Kabeln. Sie locken Marder an. „Das zieht sich wie ein roter Faden durch“, sagt er. „Wo Kabel locker herunterhängen, verbeißen Marder die Kabel eher.“ Bei einer mangelhaften Erdung kann nach einem Marderbiss der Fehlerstrom nicht abfließen. Die Leitung überhitzt, und es kommt zum Brand. Dabei mögen die Nager durchaus nicht alle Kabelsorten, weiß Motzer aus seiner inzwischen 15-jährigen Erfahrung als Schadenregulierer. „Marder haben Vorlieben, je nach Weichmacher und anderen Lockstoffen in den Kabeln und Steckern.“ Matthäus Moser aus Geratskirchen vermutet, dass bei ihm ein Marder oder ein anderer Nager am Werk war und einen Kurzschluss auslöste. Nachgewiesen werden konnte es jedoch nicht.
Eine weitere häufig anzutreffende Brandursache sind falsch dimensionierte und ausgelegte Leitungen. „Durch die Vorgabe eines zulässigen Spannungsfalles von einem Prozent auf den DC-Leitungen tritt eine Überhitzung der Leitungen in der Praxis allerdings kaum auf“, sagt Willi Kirchensteiner, Leiter des Bildungszentrums für Solartechnik (BZS) in München. Fehler seien eher bei schlechter Crimpung der Leitungen an den Steckern zu befürchten. Crimpung ist das Verquetschen von Steckverbinder und Leitung mit einer Crimpzange. „Hier findet man öfter Fehler durch herausrutschende Leitungen, die bei voller Last einen Lichtbogen mit gefährlicher Zündenergie verursachen können“, sagt Kirchensteiner.
Problem: Schlechte Crimpung
Damit ein bestimmter Strom durch die Leitung fließen kann, braucht man einen entsprechenden Kabelquerschnitt. Sind der Stecker und die Leitung schlecht gecrimpt, ist der Kabelquerschnitt an dieser Stelle reduziert und der Stromdurchfluss gehemmt. Bei zu hohem Stromdurchfluss kommt es in diesen Fällen zu Übergangswiderständen und zu Wärmebildung. Die Erwärmung wiederum führt zu immer größeren Kontaktproblemen bis hin zum vollständigen Unterbrechen des Stromdurchflusses – oder sogar bis hin zum Brand.
Weitere Fehlerursachen liegen in der schlechten Qualität der Materialien. Für Photovoltaikanlagen sollten spezielle Kabel und Stecker verwendet werden, denen witterungsbedingte Einflüsse wie Ozon und UV-Strahlung nichts anhaben können. Andernfalls wird die Isolierung spröde und brüchig. Das Material verschleißt schneller und erfüllt seine elektrischen Eigenschaften nicht mehr. Aus den gleichen Gründen müssen die Leitungen extreme Temperaturschwankungen von minus 20 bis plus 40 Grad im Tagesverlauf aushalten können. Hilfestellungen finden Installateure beispielsweise beim TÜV Rheinland, der bestimmte PV-Kabel freigegeben hat. Doch Qualität kostet, und so greifen Installateure oft zu billigen Produkten, um Geld zu sparen.
Das ist ein Punkt, der Uli Motzer in Rage bringen kann. „Es ist ein großer Fehler, im Verkauf eine möglichst hohe Rendite zu einem möglichst geringen Preis in den Mittelpunkt zu stellen“, betont er und geht sogar noch weiter. „Die Ansicht, die hier vorherrscht, ist trügerisch.“ Viele Kunden würden davon ausgehen, dass sie aus der Pflicht seien, wenn eine Anlage erst einmal installiert und am Netz ist. Für viele sei die PV-Anlage „eine Cash Cow und Ende“. „Die muss 25 Jahre schnurren und Geld bringen“, meinten viele Anlagenbetreiber und kämen nicht auf die Idee, dass sie sich selbst um die Wartung kümmern und Instandhaltungsrücklagen bilden müssen.
Problem: Dreck und Feuchtigkeit
Schlampig oder vernachlässigt seien die elektrischen Installationen in der Landwirtschaft zudem häufig, meinen Fachleute wie Motzer und Schaefer. Vielen Anlagenbetreibern sei nicht bewusst, dass Wechselrichter vor Staub, Dreck und Feuchtigkeit geschützt werden müssen. Dies ist umso wichtiger, wenn die Geräte in Scheunen oder Ställen montiert sind, wo neben der Staubbelastung feuergefährliches Material wie Stroh und Heu lagert.
Richtig gemacht hat es Matthäus Moser. Da in dem Entenstall viel Stroh lagerte, hat er einen staubfreien und abschließbaren Wechselrichterraum im Stall eingerichtet. Diesen hielt er noch zusätzlich in Schuss, da er bei seiner PV-Anlage, einer der ersten in der Region, häufig Besucher hatte. Die Wechselrichter sollten Landwirte aber lieber nicht selbst reinigen, da sie unter gefährlicher Spannung stehen. Stattdessen sollten sie dafür sorgen, dass die gesamte Anlage regelmäßig gewartet wird. Auch Wärmestaus bei Wechselrichtern bedeuten Feuergefahr. Viele der Stromwandler sind beispielsweise für Temperaturen bis 40 Grad Celsius geeignet, nicht aber für 50 bis 60 Grad Celsius, die es auf einem Spitzboden geben kann. Wenn in dem Fall keine ausreichende Wärmeabfuhr möglich ist, sinkt im günstigen Fall lediglich der Wirkungsgrad des Wechselrichters. Im schlimmsten Fall entzündet sich ein Feuer.
Bricht ein Feuer nicht direkt an der Anlage, sondern im Gebäude aus, kann die Bauweise von landwirtschaftlichen Gebäuden zur schnelleren Verbreitung beitragen. „Viele Hallen sind freitragend, die Dachstühle sind nicht sonderlich geschützt“, weiß Jürgen Mayer, Elektroingenieur und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Weinstadt in Baden-Württemberg. Wenn unten in der Halle ein Feuer ausbricht, steigt die Hitze ohne Umwege nach oben. Das Feuer greift auf die Dachhaut und die PV-Module über.
Neues Feld für die Feuerwehr
Die Feuerwehr ist bei solchen Gebäuden extra vorsichtig, da die Einsturzgefahr hoch ist. Doch muss der Löschzug den Brandort auch erst einmal erreichen. Bei einem einsam gelegenen Aussiedlerhof kann der Weg weit sein. Hinzu kommt, dass Feuerwehren im ländlichen Raum nicht so gut ausgestattet sind wie ihre Kollegen in der Stadt. Da kommen kleinere Löschfahrzeuge, und die haben vielleicht zu wenig Wasser im Tank. Der Weg zum nächsten Hydranten ist häufig weit. Die Chancen, viel von dem Gebäude und der Anlage zu retten, sinken weiter. Für die Feuerwehr sind Brände an Photovoltaikanlagen ein neues Feld, das noch mit Unsicherheit behaftet ist. „Das Problem ist, dass man die Anlagen nicht mit einem Zentralschalter komplett stromlos schalten kann“, sagt Mayer. Problematisch sind die Stringkabel des PV-Generators zu den Wechselrichtern. Auf der Wechselstromseite kann man die Anlage abschalten, doch dann steht die Gleichstromseite immer noch unter Spannung.
Für die Feuerwehr gibt es dann manchmal nur noch einen Ausweg: auf Nummer sicher gehen, Abstand halten und eventuell nicht löschen. Da dies allerdings nicht der Auftrag von Feuerwehren ist, schulen immer mehr Einheiten ihre Kräfte für Brände an Photovoltaikanlagen. „Der Leidensdruck für die Feuerwehren wird höher“, sagt Jürgen Mayer. Er würde sich zum Beispiel eine ferngesteuerte Trennfähigkeit bei Photovoltaikanlagen wünschen.
Steigen könnte der Leidensdruck auch in der Landwirtschaft. Interessant sind die Geldanlagen für Landwirte nach wie vor, und in Regionen wie Niedersachsen, die im Vergleich zu Bayern und Baden-Württemberg einen Nachholbedarf haben, wird kräftig gebaut. Auch wenn die Zahl der Schadensfälle bei etwa zwei Prozent bleiben würde – mit der steigenden absoluten Zahl an Anlagen würde die Zahl an Bränden und Totalschäden zunehmen.
Markt lockt Neueinsteiger
Eine Gefahr sieht Uli Motzer darin, dass der boomende Photovoltaikmarkt viele Neueinsteiger aus den unterschiedlichsten Branchen und Gewerken anlockt. „Jeder fühlt sich berufen, Photovoltaikanlagen zu installieren, Dachdecker, Heizungsinstallateure und Zimmermänner“, stellt er fest. Die tollsten Dinge habe er da schon erlebt und nicht selten gedacht: „Schuster, bleib bei deinen Leisten.“ Installateuren rät er, die Anlage „möglichst sauber zu planen“ und geeignete, hochwertige Materialien zu verwenden. Seine Versicherung behält sich einen Regressfall vor, falls ein Planungs- oder Installationsfehler nachgewiesen werden kann.
Den Landwirten empfiehlt er nun andererseits nicht, wieder allein auf ihre Ursprungsprodukte zu setzen. Allerdings könnten sie ihre PV-Anlage auf dem Dach ein bisschen mehr wie die Milchkuh im Stall betrachten. Die tägliche Aufmerksamkeit des Bauern können beide gut gebrauchen.