Dezentrale Energieerzeugung nimmt zu. Nicht nur immer mehr Eigenheimbesitzer haben eine Photovoltaikanlage auf dem Dach oder ein Mini-Blockheizkraftwerk im Keller. Auch immer mehr Mieter in Mehrparteiengebäuden beziehen ihren Strom aus eigener Erzeugung.
Angesichts von mehr als einem Drittel aller Menschen in Deutschland, die in Mehrfamilienhäusern wohnen, hat Mieterstrom einen großen Effekt auf die Einsparung von Kohlendioxid in Gebäuden.
Während die Rechtslage und die Umsetzung für Eigenheimbesitzer relativ klar ist, sind sogenannte Mieterstrommodelle deutlich komplexer. Weder die Rechtslage noch die regulatorischen Bestimmungen sind immer eindeutig. Entsprechend unterschiedlich kann die technische Umsetzung sein.
Der Neubau boomt. Mit Ausnahme von Flüchtlingsunterkünften unterliegen alle neuen Gebäude seit Anfang dieses Jahres den verschärften Energieeffizienzregeln (EnEV 2016). Sie wirtschaftlich sinnvoll zu erfüllen, dazu sind Mieterstromprojekte prädestiniert.
Die Treiber der Nachfrage
Anders als beispielsweise eine zusätzliche Gebäudedämmung oder Lüftungsanlagen, die in der Praxis oftmals durch falsches Nutzerverhalten nicht den erwünschten Effekt haben, erbringen Maßnahmen der dezentralen Energieerzeugung zuverlässige Einspareffekte.
Geschickt umgesetzt erleichtert es Mieterstrom zudem, die Anforderungen an den jährlichen Primärenergiebedarf zu erfüllen, die für die hohen KfW-Förderungen KfW 40 und KfW 40 Plus gelten. Neben effizienter Heiztechnik und Dämmmaßnahmen ist hierfür die Energieerzeugung und Speicherung vor Ort hilfreich; bei KfW 40 Plus ist sie sogar Voraussetzung.
Für Immobilienbesitzer und Mieter gleichermaßen interessant ist die Wirkung der dezentralen Energieerzeugung als Strompreisbremse, zumal in den letzten zehn Jahren der Strompreis für Haushaltskunden um fast 48 Prozent gestiegen ist. Zusammen mit dem sinkenden Börsenstrompreis aufgrund steigender erneuerbarer Energiegewinnung und der Tatsache, dass Netzentgelte, Abgaben und Umlagen rund 80 Prozent des Strompreises ausmachen, wächst das Interesse an Geschäftsmodellen zur Vermarktung von Strom aus eigener Herstellung.
Hinzu kommt, dass Immobilienbesitzer eine Zusatzrendite vom Mieterstrompartner erhalten. Sie liegt bei Blockheizkraftwerken (BHKW) bei mindestens 20 Prozent und bei Photovoltaikanlagen bei rund zehn Prozent. Das macht Mieterstrom deutlich attraktiver als die Netzeinspeisung. Aus wirtschaftlicher Sicht wird mit der sinkenden Einspeisevergütung und strengeren Energieeffizienzregeln im Zuge der EnEV der Direktverbrauch immer attraktiver.
Eine Blackbox namens Mieterstrom
Die Energieversorgung von Mietern mit Strom und Wärme aus eigener Erzeugung erfordert sowohl tiefe als auch breite Kenntnisse des Energiemarktes. Weil die Erzeugung und Belieferung der Mieter aber nicht das Kerngeschäft von Immobilienbesitzern und Wohnungsbaugesellschaften ist, fehlt in der Regel das nötige Fachwissen.
Eine Lösung dieses Dilemmas bietet die Kooperation mit externen Dienstleistern wie beispielsweise Energieversorgern über ein Contracting für den Mieterstrom. Damit verantwortet der Partner die ganzen Energiemarktthemen wie beispielsweise die Abführung von Umlagen und Netzentgelten, die Tarifgestaltung, die Reststromlieferung, die verbrauchsgenaue Abrechnung sowie den Kundenservice.
Schnittstellenkompetenz ist A & O
Bei Mieterstromprojekten sind sowohl regulatorische und rechtliche als auch diverse technische Aspekte und Vermarktungsthemen zu beachten. Zudem gibt es kein Standardmodell, denn die Umsetzung fällt je nach Situation unterschiedlich aus. Deshalb ist Schnittstellenkompetenz gefragt, um die einzelnen Partner und Marktteilnehmer zu koordinieren und ihre Rollen zu definieren.
Beliebt sind modulare und flexibel gestaltete Mieterstrommodelle, die den einzelnen Bedürfnissen und Vorgaben gerecht werden. Dabei können die Marktteilnehmer je nach Umsetzung andere Rollen übernehmen, wodurch sich die rechtliche Konstellation teilweise stark verändert.
Grundmodell für solaren Mieterstrom
Um die vor Ort erzeugte Energie sinnvoll zu nutzen, wird sie bevorzugt in das Hausnetz des Mehrparteiengebäudes eingespeist. Sie deckt entweder direkt den aktuellen Energieverbrauch der Mieter oder lädt – sofern vorhanden – einen Batteriespeicher. Erst wenn die vor Ort erzeugte Energie nicht abgenommen werden kann, wird der Überschuss in das öffentliche Netz eingespeist. Für den umgekehrten Fall, dass mehr Energie benötigt wird als vor Ort bereitgestellt werden kann, wird Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen.
Weil es jedem Mieter freisteht, an einem Mieterstrommodell teilzunehmen, ist stets eine alternative Fremdbelieferung durch einen dritten Energieversorger zu gewährleisten. Zudem reichen die Energieerzeugungsanlagen vor Ort meist nicht aus, um jederzeit den kompletten Strombedarf eines Mehrparteiengebäudes wirtschaftlich sinnvoll zu decken.
In der Folge setzt sich der Energiebezug eines Mieters, der sich für Mieterstrom entscheidet, aus vor Ort erzeugtem Strom und Netzstrom zusammen. Um hier den Überblick zu wahren, das heißt den jeweiligen Strombezug pro Mieter berechnen zu können, sind komplexe Messkonzepte und Abrechnungsmodelle gefragt.
Nach Auffassung der Clearingstelle EEG hat sich hier das Summenzählerkonzept als gängiges Messkonzept für die Direktlieferung und den Eigenverbrauch etabliert. Es wird von den Netzbetreibern generell anerkannt, bedarf aber zur Umsetzung stets der Abstimmung mit dem jeweiligen Verteilnetzbetreiber.
Mieter, die an Mieterstrommodellen teilnehmen, besitzen nach wie vor einen eigenen Stromverbrauchszähler für die Messung der von ihnen verbrauchten Energiemenge. Im Gebäude selbst misst jeweils ein Zähler an der Erzeugungsanlage und gegebenenfalls am Speicher die Energiemengen innerhalb des Hausnetzes.
Konzept der Summenzähler
Das Hausnetz verfügt ferner über einen zentralen Hausanschlusspunkt mit dem öffentlichen Netz. Alle Energiemengen, die aus dem Netz bezogen werden, sowie die gesamte Einspeisung der Erzeugungsanlage werden über den Summenzähler erfasst, auch Zweirichtungszähler genannt.
Über dieses Summenzählerkonzept verteilt sich die direkt verbrauchte Energiemenge nur auf die am Mieterstrom teilnehmenden Mieter. Trotz des physikalischen Verbrauchs der vor Ort erzeugten Energie durch den fremdbelieferten Mieter wird dieser bilanziell nur den teilnehmenden Mietern gutgeschrieben.
Entscheiden sich Mieter gegen die Teilnahme an der Direktlieferung, müssen die Strommengen über einen virtuellen Zählpunkt abgezogen werden. Insbesondere für die unterschiedliche Belastung des Netzstroms und des Lokalstroms mit Netzentgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen ist eine Auftrennung durch das Summenzählermodell wichtig.
Im Grunde kommt es bei Mieterstromprojekten auf drei Kernfaktoren an: Den lokalen Energiebedarf, die Lage des Objektes und die mögliche Leistung der Energieerzeugungsanlage. Eindeutige Werte, ab denen sich Mieterstrom lohnt, gibt es nicht. Alle drei Faktoren spielen bei der Entscheidung zusammen.
Wirtschaftliche Aspekte
So kann Mieterstrom schon ab fünf Mietern sinnvoll sein, sofern der Stromverbrauch über 100.000 Kilowattstunden pro Jahr liegt, ein kontinuierlicher Wärmebedarf besteht und Energieerzeugungsanlagen installiert werden können, die zum lokalen Verbrauch passen. Umgekehrt können Objekte mit über 50 Mietern unattraktiv sein, wenn keine geeignete Energieerzeugungsanlage realisiert werden kann, weil zum Beispiel der Platz fehlt oder das Dach zu schattig ist.
Zur wirtschaftlichen Betrachtung simuliert Polarstern bei seinen Mieterstromprojekten die Energiemengen im Mehrfamilienhaus anhand realer Profile für die Lasten und die Erzeugung. Das ermöglicht eine bessere Annäherung an den tatsächlichen Verbrauch als eine Berechnung anhand von Standardlastprofilen der Netzbetreiber. Zur Simulation der Energieerzeugung aus Photovoltaik werden ebenfalls reale Erzeugungsprofile genutzt.
Regulatorische Fragen
Vor der Realisierung einer Kundenanlage müssen mit dem Netzbetreiber einige Fragen geklärt werden. Dabei sind Sonderregelungen an der Tagesordnung, um die Hausanschlüsse auf einen Punkt reduzieren zu können und die Energiemengen pro Mieter eindeutig zu messen.
Die Lieferung von Mieterstrom an die Mieter erfolgt ausschließlich innerhalb des Hausnetzes. Ein Hausnetz ist nach Paragraf 3 Nummer 24a EnWG eine Kundenanlage und als solche von der Definition des Energieversorgungsnetzes nach Paragraf 3 Nummer 16 EnWG ausgenommen.
Weil das öffentliche Stromnetz zur Weiterleitung des erzeugten Stroms an die Mieter nicht benötigt wird, entfallen die Netzentgelte in voller Höhe für den lokal erzeugten und genutzten Strom, nicht jedoch für den Netzstromanteil. Mit einem Anteil von rund 25 Prozent am durchschnittlichen Hausstrompreis ergibt sich ein Kostenvorteil für den lokal erzeugten und genutzten Strom gegenüber Strom aus dem Netz.
Genauso ist Mieterstrom von allen mit der Nutzung des öffentlichen Netzes verbundenen Strompreisbestandteilen befreit, wie zum Beispiel von der Konzessionsabgabe, dem KWK-Aufschlag, der Abgabe nach Paragraf 19 StromNEV, der Offshore-Haftungsumlage und der Umlage für abschaltbare Lasten. Ferner ist in vielen Fälle eine Befreiung von der Stromsteuer möglich.
Rechtliche Anforderungen
Wichtig bei Mieterstrom ist Rechtssicherheit aufseiten des Messkonzepts und des Geschäftsmodells. Wird vor Ort erzeugter Strom direkt vor Ort genutzt, beeinflusst das die rechtliche und steuerliche Stellung des gelieferten Stroms und des Stromlieferanten.
Für den Anlagenbetreiber selbst ist bei der Direktlieferung die Einstufung als Energieversorgungsunternehmen nach EEG beziehungsweise als Energieversorgungsunternehmen nach EnWG entscheidend. Daraus ergeben sich neben der Pflicht zur Zahlung der vollen EEG-Umlage auch weitere Rechte und Pflichten des Anlagenbetreibers gegenüber Netzbetreiber und Letztverbrauchern.
Das bedeutet im Einzelfall eine erhebliche Arbeitsbelastung und hohe Kosten, da der Anlagenbetreiber meist nicht auf standardisierte Prozesse zurückgreifen kann. Auch sind spezielle energiewirtschaftliche Kenntnisse sowie gegebenenfalls Investitionskosten in IT-Infrastruktur und Registrierungsgebühren erforderlich, sodass die Nachfrage nach spezialisierten Partnern für die Realisierung von Mieterstrom kontinuierlich steigt.
Ein Tarif – ein Vertrag
Ein weiterer Vorteil kann sich für den Immobilienbesitzer ergeben, wenn er nicht gleichzeitig Anlagenbetreiber ist. Denn verkauft er nicht selbst die erzeugte Energie direkt an seine Mieter, entfällt für ihn die Gewerbesteuerpflicht.
In der Endkundenkommunikation muss Mieterstrom vor allem einfach und wirtschaftlich attraktiv gestaltet sein. Dazu braucht es standardisierte Prozesse und eine transparente Abrechnung, die zusammen mit einem preiswerten Mieterstromangebot die Mieter überzeugen. So war es beispielsweise im Fall eines sozialen Wohnungsbaus mit 300 Mietern im Münchner Stadtteil Aubing.
Auf dem Dach des Gebäudes befindet sich eine 90 Kilowatt starke Solaranlage. Im Keller ist ein BHKW mit 20 Kilowatt elektrischer Leistung installiert. Damit liegt der Anteil der Eigenversorgung bei über 60 Prozent. Als Mieterstrompartner verantwortet Polarstern hier den gesamten Prozess von der Planung, der Umsetzung des Messkonzepts bis hin zur Betreuung von Energiemarktthemen, der Vermarktung und der Stromlieferung bei Engpässen in der Energieerzeugung vor Ort.
Polarstern GmbH
Grüne Energieprodukte für Haushalte und Unternehmen
Der Energieversorger Polarstern gestaltet mit grünen Energieprodukten für Haushalte und Unternehmen in ganz Deutschland den Weg in die gemeinsame Energiezukunft. Dazu bietet Polarstern „Wirklich Ökostrom“ und „Wirklich Ökogas“ aus jeweils 100 Prozent erneuerbaren Energien sowie weltweit Lösungen zur dezentralen Energieversorgung. Polarstern ist seit 2011 aktiv.
Das Unternehmen trat als erster Energieversorger mit Ökogas aus komplett organischen Reststoffen auf und brachte die ersten flexiblen Mieterstrommodelle. 2016 hat Polarstern als erster Energieversorger eine Gemeinwohlbilanz erstellt. Zertifiziert sind Ökostrom und Ökogas von Polarstern durch den TÜV Nord und das Grüner Strom Label; empfohlen unter anderem von der Verbraucherplattform Eco Top Ten des Öko-Instituts und der Umweltorganisation Robin Wood. Das Magazin Ökotest benotet Polarsterns Ökostromprodukte mit „sehr gut“.
Die Autoren
Florian Henle
ist Mitgründer und Geschäftsführer des Ökoenergieversorgers Polarstern in München. Vor der Gründung von Polarstern hat er in der Schweiz ein Start-up für regenerative Hochleistungsschmierstoffe mitaufgebaut. Studiert hat Florian Henle internationale Betriebswirtschaft an der FH Landshut und in Cambridge.
Manuel Thielmann
arbeitet in der Geschäftsentwicklung von Polarstern. Er ist Ansprechpartner für die Konzeption und die praktische Umsetzung von Mieterstromprojekten in ganz Deutschland. Am Lehrstuhl für Elektrische Energiespeichertechnik der TU München hat er die Integration von Batteriespeichern in Mehrfamilienhäusern erforscht.