Strom vom Dach im Gebäude zu verwenden, ist nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern ein soziales Gebot. Denn das zentralistische Stromnetz frisst zu viel Geld – und verstärkt die Armut von Millionen Menschen. Ein Vermieter aus Oldenburg zeigt, was heute schon machbar ist.
Der Mensch ist ein Lebewesen, und als solches, sagen wir mal: dezentral veranlagt. Er ist frei und mobil, unabhängig, bezieht seine Energie aus seiner Umwelt: Sauerstoff, Wärme, Strom und Lebensmittel. Wo er sich auch befindet, ist er faktisch autark, biologisch gesehen.
Thomas Henne kennt sich aus im Metier. Der Mediziner weiß, was seine Patienten gesundmacht und was krank. Krank machen Geldsorgen und die zweite Miete, die vielen Haushalten auf die Taschen drückt. Denn in den vergangenen Jahren sind die Kosten für Strom enorm angestiegen.
Netzstrom wird Luxus
Auch die Zahl der Menschen in Deutschland, die sich Strom eigentlich nicht mehr leisten können, steigt stetig. Schon sind Energieversorger dazu übergegangen, säumige Stromkunden zur Vorkasse zu bitten, etwa durch Prepaid-Chipkarten. Andere drehen ihren Kunden bei Außenständen von 100 Euro den Strom gänzlich ab. So etwas geschieht mitten im reichen Deutschland: Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Derzeit liegen die Strompreise für Mieter im Bundesdurchschnitt zwischen 24 und mehr als 30 Cent je Kilowattstunde. Der Grund sind überzogene Gebühren für das veraltete Stromnetz, die unverschämte Umlage zur Förderung der Offshore-Windkraft (die ganz nebenbei die Netzkosten in die Höhe treibt) und die EEG-Umlage, gemeinhin als Sonnensteuer bezeichnet.
Das Haus des Dr. Henne
Aber: Das zentralistische Stromnetz ist auf diese Weise nicht zu retten. Da kommt Thomas Henne ins Spiel, mit seinem Projekt in Oldenburg. Dort hat der Mediziner ein 40 Jahre altes Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten (52 bis 69 Quadratmeter) komplett auf Selbstversorgung umgestellt. Was bisher nur für Einfamilienhäuser sinnvoll und machbar schien, kommt nun auch in den Kommunen und Städten an. „Eigentlich wollten wir nur die oberste Geschossdecke dämmen und die Gasheizung erneuern“, erinnert sich Thomas Henne. „Aber dann haben wir uns entschieden, Nägel mit Köpfen zu machen.“
Henne präsentierte sein „Henne-Haus“ auf der Photovoltaiktagung Ende September in Düsseldorf, als Musterbeispiel für ein gelungenes Mieterstromprojekt. „Statt des alten Flachdachs haben wir ein geneigtes Dach aufgesetzt, dafür war eine Baugenehmigung erforderlich“, erzählt er. „Auf dieses Schrägdach konnten wir 28,8 Kilowatt Solarmodule von Aleo Solar montieren, mit 15 Grad Neigung, zwei Generatoren nach Ost und West.“
Vom Vermieter zum Energielieferanten
Thomas Henne war der Besitzer der Immobilie, nun ist er auch der Energielieferant für seine Mieter. Der Sonnenstrom wird für die Wärmepumpe zur Warmwasserbereitung (Sensotherm BTW von Brötjemit 300 Litern Speichervolumen) genutzt und direkt an die Mieter abgegeben. Nur Überschüsse gehen ins Stromnetz. Als Stromspeicher dienen zwei Hauskraftwerke S10 E-12 von E3/DC. Sie sind die Schaltzentrale der elektrischen Ströme, mit je 15 Kilowattstunden Speicherkapazität.
Für den Winter hat Henne zwei Mikro-Blockheizkraftwerke E-Vita 25S (mit Stirlingmotor) von Remeha installiert, die er als Kaskade laufen lässt. Sie stellen ein Kilowatt elektrische und 5,5 Kilowatt thermische Leistung bereit. Für sehr kalte Tage stehen zwei Spitzenlastkessel (Gasbrennwert) zur Verfügung.
Erzielt sogar eine kleine Rendite
Der erzeugte Strom der Remeha-Geräte wird über einen Schuko-Stecker direkt ins Hausnetz eingespeist und verbraucht oder über die AC-Seite der Stromspeichersysteme vollautomatisch zwischengespeichert.„Damit verbrauchen wir in der Summe 68,5 Prozent weniger Gas als früher“, rechnet er vor. „Auch der Strombedarf ist deutlich gesunken. Knapp 21.000 Kilowattstunden produzieren wir selbst aus Photovoltaik.“
Trotz seiner Investitionen erzielt Henne eine Rendite von einem bis zwei Prozent, durch den Stromverkauf an seine Mieter. „Sie sind die Gewinner“, fasst er zusammen. „Auch ich als Vermieter kann profitieren, weil bei der Sanierung noch was auf die Kaltmiete rumkommt. Verlierer sind die Energieversorger.“ (Heiko Schwarzburger)
Den vollständigen Innovationsreport zum Mieterstrom und zahlreiche nützliche Tipps zu diesem Thema lesen Sie in der nächsten Ausgabe der Fachzeitschrift photovoltaik, die am 15. Dezember 2016 erscheint. Abonnenten können den Artikel und zahlreiche Produktneuheiten nach dem Erscheinen auch online lesen – im Abobereich unserer Webseite.