Wer in den Messehallen das nach „Photovoltaik“ häufigste Wort sucht, kommt am Begriff „Aero“ nicht vorbei. Bei Gestellsystemen für das Flachdach zumindest ist er weit verbreitet. MSE 210 Aero, Sunfix Aero, Gehrtec Aero – mit diesen Namen erheben jetzt Schüco, Solarworld und Gehrlicher ihre Kunden gedanklich in die Lüfte. Und wenn nicht Aero, dann vielleicht Air . Bei VM Edelstahl kommt ein System, das laut Aussage der Firma nur an von einer Berechnung vorgegebenen – vermutlich wenigen – Stellen ballastiert werden muss, unter dem Namen Airfix auf den Markt.
Das zeigt nicht nur, dass sich eine Technik durchgesetzt hat, die noch vor drei Jahren die Branchenexperten entzweite.Flachdachsysteme, die mit viel Ballast auf Dächern gegen den Wind geschützt werden mussten, werden heute durch die Bank aerodynamisch optimiert und kommen mit weniger Gewichten aus. Es gibt kaum einen Montagesystemhersteller, der nicht spätestens in diesem Jahr auf den Zug aufgesprungen ist und ein ballastarmes Flachdachsystem im Gepäck hat, das attraktiv für schwach tragende Dächer ist. Die Montagehersteller zeigen mit diesem Schwerpunkt ihrer Neuheiten auch, wo der Photovoltaikmarkt zurzeit am besten läuft – nämlich auf den flachen Dächern großer Lagerhallen und Gewerbebauten. Auf die Revolution der Erfindung folgt so die Evolution, bei der die Innovation ihr Potenzial entfaltet.Trotzdem sind das nicht die einzigen Neuheiten. In allen Segmenten – Flachdach, Schrägdach und Freiland – dreht sich der Wettstreit unter den Anbietern um möglichst geringe Materialkosten, um wenig bis gar kein Werkzeug auf dem Dach und um eine möglichst einfache Montage.
Umbiegen und Nieten
Um Werkzeuge zu sparen, hat etwa Hilti für sein Flachdachsystem MSP-FR einen Fußpunkt aus Aluguss entwickelt, an dem die Montageschienen befestigt werden und der zwei eingeprägte Skalen hat. Dadurch kann der Installateur die Montageschienen ohne Messwerkzeug einpassen.Ebenfalls nur ein Werkzeug braucht man, um die Aufstellwinkel und Windleitbleche des Vario UltraLight von Zentralsolar aus Emsbüren an den Montageschienen zu verschrauben. Der Clou: Die Module werden dann in seitliche Führungsschienen eingeschoben und oben nur durch Umbiegen zweier Biegelaschen fixiert. „Bei bis zu 180 Kilometer pro Stunde Windgeschwindigkeit steht das System ohne zusätzliche Ballastierung auf dem Dach“, sagt Klaus Müller vom Zentralsolar-Vertrieb.
Erstaunlich einfach geht auch die Montage des Flachdachsystems Mach1 vom Schweizer Hersteller Montavent von der Hand. Hier heißt das Rezept: Nieten statt Schrauben. Die Modulklemmen müssen bloß eingeschoben werden. Dann benötigt der Installateur lediglich ein Nietgerät. Auf Wunsch liefert Montavent die stapelbaren Gestelle auch vormontiert, so dass der Installateur noch schneller fertig wird. Ab 50 Kilowattpeak gibt es die prüffähige statische Berechnung kostenlos dazu.
Komplett ohne Werkzeug geht der Installateur mit dem Berliner Modulhersteller Soltecture, ehemals Sulfurcell, aufs Dach. Das neue Flachdachsystem wird ebenfalls vormontiert geliefert. Die rahmenlosen Dünnschichtmodule sind auf dem Gestell, einem gekanteten Blech, befestigt. Die Unterkonstruktionen der einzelnen Module muss der Monteur nur noch ineinanderhaken.
Tragender Modulrahmen
Nicht nur mit einer schnelleren Montage, sondern auch durch Materialeinsparungen senken Hersteller die Systemkosten. Ungewohnt Minimalistisches gab es deshalb beim Marktführer Schletter zu sehen. Für das Flachdachsystem Alugrid nutzten die Entwickler den Modulrahmen als Teil des Gestells. Sie lassen die Querschienen weg, auf denen die Module normalerweise aufliegen. Bei dem neuen System liegt das Modul dagegen hinten auf dem gekanteten Windleitblech auf, das dort so wie bei vielen anderen Systemen der Aerodynamik dient. Vorne werden die beiden Modulecken in eine Klammer eingelegt. „Nicht alle Hersteller geben ihre Module dafür frei, aber immer mehr“, sagt Hans Urban, stellvertretender Geschäftsführer bei Schletter. Dass man den Rahmen nicht aus Stabilitätsgründen braucht, begründet er damit, dass die Schneelasten in diesem Fall geringer seien als bei mehrreihigen Schrägdachanlagen. „Auf einem Modul häuft sich nicht so viel Schnee an.“ Neu ist auch die minimalistische Modulklemme, die ganz ohne Schrauben auskommt. Das gebogene Metallstück, das mit einer Spezialzange um Modulrahmen und Windleitblech gezogen wird, soll zusätzlich Montagezeit einsparen.
Ähnlich macht es der US-amerikanische Montagesystemhersteller Panel Claw. Bei dem Flachdachsystem Polar Bear sind die Befestigungspunkte für den Modulrahmen an Edelstahlfüßen integriert. Diese stehen unter jeder Modulecke und haben flächige Auflager, auf denen die Module aufliegen. Das System kommt also ganz ohne Profile aus. Zusätzlich muss nur noch das Windschott für die aerodynamische Optimierung fixiert werden. Polar Bear eignet sich nach Aussagen des Herstellers für Gebiete mit Windgeschwindigkeiten bis zu 190 Kilometern pro Stunde, der kleine Bruder Grizzly Bear kann 160 Kilometern pro Stunde standhalten. Für den Markteinstieg in Europa kooperieren die Amerikaner mit dem Montagesystemhersteller Wasi, der beide Flachdachsysteme für Panel Claw vertreibt.Der kalifornische Produzent Zep Solar geht noch weit über dieses Konzept hinaus und will den europäischen Montagemarkt revolutionieren. Dafür wirbt Zep Modulhersteller, ihre Module mit Zep-Rahmung herzustellen. Dieser Modulrahmen hat eine umlaufende Nut. Auf Trapezblech- und Schindeldächern werden die Module damit ohne Schienen montiert. Der Installateur hakt den Modulrahmen an den benötigten Fußpunkten ein. Die Module verbindet er seitlich mit kurzen Metalllaschen, die in die Nut greifen. Dadurch entsteht eine mechanisch stabile Modulfläche. Auch für Flachdächer hat Zep ein System parat. Es ermöglicht nach Unternehmensangaben eine schnelle Montage mit vielen Klickverbindungen und nur einem Werkzeug. Für den Vertrieb in Europa hat ZepSolar eine Vertretung in Hamburg gegründet.
Die Nut hat einen weiteren Vorteil. Alle Bauteile und Accessoires, wie zum Beispiel Kabelführung und bei Bedarf sogar Modulwechselrichter, lassen sich in einer umlaufenden Nut im Rahmen festklemmen. Diese nennen die Entwickler aus San José deshalb auch den solaren USB-Port. „Dadurch können wir mit weniger Dachhaken montieren und insgesamt kommt weniger Metall aufs Dach“, sagt Jack West, Geschäftsführer von Zep.
Acht Modulhersteller kooperieren laut Zep Solar bereits mit dem Unternehmen, „Bis Ende des Jahres werden es zehn bis zwölf sein“, sagt West. Der Modulproduzent Trina stellt dabei nicht nur Module mit Zep-Nut her, sondern hat das Zep-System unter dem Namen Trinamount komplett in sein Portfolio übernommen. Die Module mit der Nut verkauft Trina zum selben Preis wie die Standardmodule.
Kunststoff statt Stahl
Während die einen Hersteller vor allem an Profilen sparen und durch clevere Befestigungen die Zahl der nötigen Werkzeuge reduzieren, wechseln andere den Werkstoff mit einem ähnlichen Effekt. So wie sich seit zwei Jahren die aerodynamisch optimierten Gestelle auf dem Siegeszug befinden, so setzt sich immer mehr Kunststoff durch. Centrosolar etwa präsentierte das ballastarme System Ceniq mit Dreieckträgern aus recyceltem Polypropylen. Sie werden mit Aluminiumschienen verbunden. Auf der Rückseite werden die Modulreihen punktuell mit Laschen an der Dachhaut verschweißt, um horizontal wirkende Windkräfte aufzufangen und dadurch den Ballast weiter zu reduzieren. Als UV-Schutz der Kunststoffbauteile bietet Centrosolar Kappen für die exponierten Südkanten an.
Auch Renusol legt mit Kunststoffysystemen nach. Für Dächer, die Ballast vertragen, ist die Kunststoffwanne Console dieses Herstellers bereits seit langem der Klassiker der einfachen Montage. Mit der Console+ hat er ein flacher geneigtes Pendant geschaffen, das man zusätzlich mit einer Windschürze auf der Rückseite ausstatten kann, so dass auch dieses System aerodynamischer wird und dadurch mit weniger Ballast auskommt. Ähnlich ist das SDT Variotwin von Solardirekt aufgebaut. Der Vorteil hier: Die Kunststoffschalen lassen sich zu Reihen zusammenstecken.
Es fällt bei vielen Flachdachsystemen auf, dass die Neigungswinkel flacher sind als noch vor zwei Jahren. Galt noch damals die 30-Grad-Aufständerung für kristalline Module als Optimum, sah man solch steile Winkel in diesem Jahr auf der Intersolar selten. Dass dadurch auch Windlasten reduziert werden, ist nur ein willkommener Effekt. Je flacher die Systeme sind, umso kleiner kann der Installateur den Reihenabstand wählen. „Je günstiger die Module werden, umso mehr Power will man auf die Fläche bringen“, sagt Thomas Pfaff von MHH. Das erhöht zwar nicht den Ertrag pro installierter Leistung, aber die gesamte Strommenge, die man auf der begrenzten Dachfläche erzeugt. Das Novotegra-Systemdes Unternehmens – auch aerodynamisch optimiert und damit ballastreduziert – ständert die Module sogar nur mit 13 Grad auf.
Niedrigere Aufstellwinkel
Ähnlich ist die Motivation einiger Hersteller, neue Ost-West-Systeme zu zeigen. In Ost-West-Richtung lassen sich mehr Module unterbringen, da die Module zu Dreiecken aneinandergestellt werden können und dann nahezu die gesamte Dachfläche abdecken. Auch bei diesen Systemen ist der Neigungswinkel gering. Ein solches System mit dem Namen D-Level hat etwa K2 vorgestellt. Fischer Licht & Metall präsentierte ein Ost-West-System mit der Bezeichnung D-FDG 10°, mit dem rahmenlose Dünnschichtmodule installiert werden. K2 bietet zusätzlich eine Vereinfachung bei der Planung an. „Wir haben viel Geld investiert in das neue Planungstool“, sagt Dirk Makowitz von K2. Ab sofort erhalten registrierte K2-Kunden die Auslegungssoftware K2 Base gratis. Die Version für Schrägdächer ist ab sofort verfügbar, die Flachdachversion wird es ab August geben. Mit diesem Angebot habe der Installateur die Möglichkeit, auch am Wochenende Angebote zu erstellen, eine prüffähige Statik inklusive.
Selbst HB Solar aus Rietberg in Westfalen, Vorreiter bei den aerodynamisch optimierten Montagesystemen, reduziert den Aufstellwinkel. „Zurzeit wird am meisten mit 20 bis 25 Grad verbaut, weil die Modulpreise so stark gesunken sind und die Leute möglichst viel Leistung aufs Dach bringen wollen“, bestätigt Christoph Heer, bei HB Solar verantwortlich für die statische Auslegung des Flachdachsystems Scirocco. HB Solar bietet das System jetzt als Baukasten an. Die Kleinteile für die verschiedenen Bauabschnitte sind in Beuteln zusammengefasst und damit auf der Baustelle schneller zuzuordnen.
Auch im Indachsegment gibt es neue Produkte (siehe auch Artikel Seite 50), obwohl das Thema, im letzten Jahr besonders von den hohen Einspeisetarifen in Frankreich gepuscht, etwas in den Hintergrund zu rücken scheint. So zeigte Schletter mit dem BiPv 2-11 erstmals ein System für die Dachintegration rahmenloser Module. Dafür werden senkrecht Profilschienen mit beidseitiger Wasserablaufrinne auf der Dachlattung verschraubt. Darauf kommt ein konischesSchienenstück, um eine Schindelung der Module zu erreichen, und dann die Abdeckschiene mit dem Dichtgummi. Das CSTB-Zulassungszertifikat für den französischen Markt bereitet Schletter für verschiedene Modultypen gerade vor. Der Vorteil dieses Systems ist, dass handelsübliche rahmenlose Module genutzt werden können.
Viele Indachsysteme nutzen ähnlich wie die Aufdachsysteme eigene Rahmen. In diesem Segment hat der französische Montagesystemhersteller Mecosun jetzt eine neue Rahmung entwickelt. Die Rahmenprofile greifen ineinander und bilden eine dichte Dachhaut. Zu sehen war das System bei Sanyo, die den Indachrahmen am eigenen Modul vorführten. Auch Schüco, Zentralsolar und Solarwatt, alle drei Modulhersteller, präsentierten neue Indachlösungen.
Systeme von Modulproduzenten
Das bestätigt den Trend, dass immer mehr Modulproduzenten ins Montagegeschäft mit einsteigen, um ihren Kunden ein Gesamtpaket anbieten zu können. „One face to the customer“, lautet die Devise auch bei Inventux. „Das Prinzip, alles aus einer Hand zu kaufen, wird immer beliebter“, sagt Franciska Obermeyer, Pressesprecherin beim Modulhersteller Inventux, „denn mit nur einem Ansprechpartner ist der Planungsaufwand geringer.“ Inventux bietet schon länger ein eigenes System aus recyceltem Kunststoff zur Flachdachmontage an, das in diesem Jahr auch als eines von zehn Produkten für den Intersolar Award nominiert wurde. Jetzt stellte das Unternehmen mit dem Montagegestell FixProfile auch ein Einlegesystem für die Schrägdachmontage vor.
Weniger Werkzeuge, weniger Material, schnellere Montage – in den letzten Jahren haben auch die Montagesystemhersteller viel getan, um Systemkosten zu senken. Es könnte allerdings sein, dass so langsam das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Christoph Heer von HB Solar ist jedenfalls skeptisch, was die weitere Preisentwicklung angeht. „Die Kostenreduktion im Montagegestell ist so gut wie ausgereizt“, sagt er, „vielleicht kann ich noch ein kleines bisschen mit einer noch schnelleren Montage herausholen, aber viel ist das nicht.“ Und der Vorteil durch die Fertigung mit Robotern sei komplett von den höheren Aluminiumpreisen aufgefressen worden.