Es war ein gut gemeinter, aber leider wenig effektiver Versuch, den Uli Motzer, Schadengutachter bei der Württembergischen Versicherung, auf einem Bauernhof zu sehen bekam. Um die Photovoltaikkabel in dem Stall zu schützen, hatte der Landwirt einen Kabelkanal installieren lassen. Leider gefiel es aber auch Mäusen darin bestens. Von dem Gehäuse geschützt, bissen sie die Leitungen an. Der Landwirt beschloss daraufhin, den Deckel lieber offen stehen zu lassen. Den Feuerwehrleuten wäre in einem solchen Fall nicht mehr zu helfen gewesen. Unter Umständen wären sie im Löscheinsatz durch die offen liegenden Kabel mit gefährlichen Gleichstromspannungen in Berührung gekommen.
Doch genau das soll nicht passieren. Seitdem das Thema Feuergefahr durch Photovoltaikanlagen in den bundesweiten Medien hochkochte, arbeiten Solar-, Elektro- und Feuerwehrverbände an der Frage: Wie müssen Anlagen gebaut sein, damit sie weder Brände verursachen noch Feuerwehrleute im Löscheinsatz gefährden? Die Verlegung von Photovoltaikleitungen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Hierfür gibt es neben Normen auch Empfehlungen, die nicht immer praktikabel sind.
„Das Problem beginnt schon damit, dass Leitungen nicht nach elektrotechnischen, sondern nach finanziellen Kriterien ausgewählt werden“, sagt Burkhard Schulze, Sicherheitsexperte und Bundesbeauftragter für das Normenwesen im Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). So würden Handwerker immer wieder Leitungen mit zu geringen Querschnitten wählen, um ein paar Cent zu sparen. Hinzu kommt laut Schulze, dass vielen Installateuren, sofern sie nicht aus dem Elektrohandwerk kommen, die Normen für die Leitungsverlegung nicht bekannt seien. Die wichtigste Norm ist die DIN VDE 0100-712 für das Errichten von Niederspannungsanlagen, insbesondere Teil 7, in dem die Anforderungen an Photovoltaikanlagen abgedeckt sind.
Darüber hinaus ist die DIN VDE 100-520 maßgeblich. Der Leitfaden für elektrische Anlagen beschreibt Anforderungen an eine erd- und kurzschlusssichere Leitungsverlegung. Dass hier oft nachlässig gearbeitet wird, bestätigt Solargutachter Christian Keilholz. „Bei den letzten 30 begutachteten Photovoltaikanlagen habe ich bei der überwiegenden Anzahl erhebliche Mängel bei der DC-Leitungsführung festgestellt“, berichtet er. In seiner Statistik rangieren Fehler in der Leitungsverlegung – nach Mängeln an der Befestigung – an zweiter Stelle. Insbesondere im Modulbereich seien die Leitungen „überwiegend ohne Schutz und Führung verlegt“, beobachtet Keilholz. Das Gegenteil sei jedoch in der Norm als anerkannte Regel der Technik vorgeschrieben. Kabelbinder führen Leitungen, Kabelkanäle bieten Schutz. Der Tübinger Systemanbieter MHH Solartechnik beispielsweise hat eine Schiene seines Montagesystems so konstruiert, dass die Kabel darin verlegt werden können.
Im Außenbereich: Brandabschnitte beachten
Doch Solarkabel werden bekanntermaßen nicht nur direkt an den Modulen und von Modul zu Modul verlegt, sondern auch über mehr oder weniger weite Strecken vom Generator zum Wechselrichter hin. Dies kann in einem Gebäude oder außerhalb des Gebäudes sein. Auf diesen Strecken ist eine sichere Verlegung besonders wichtig, um Feuerwehrleute im Löscheinsatz zu schützen. Denn während diese wissen, dass sie bei den Modulen mit Gleichspannung führenden Leitungen rechnen müssen, können sie abseits der Module nicht ohne Weiteres erkennen, wo DC-Leitungen verlaufen. Es ist für sie dann nicht so leicht, die vorgegebenen Sicherheitsabstände beim Löschen von einem Meter beziehungsweise fünf Metern einzuhalten.
Projektierer müssen deshalb bei der Anlagenplanung die Landesbauordnung sowie, je nach Gebäudetyp, Regelwerke wie die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR), die Musterbauordnung und die Muster-Industriebaurichtlinie beachten.
In der Musterbauordnung ist zum Beispiel festgehalten, dass Brandabschnitte berücksichtigt werden müssen. Ein Brandabschnitt ist ein Bereich, der laut Bestimmungen ausbrennen könnte. Es darf kein Feuerüberschlag auf andere Brandabschnitte möglich sein. Bei Reihenhäusern gilt jedes einzelne Haus als Brandabschnitt. Um das Nachbarhaus zu schützen, sind sie durch Brandschutzwände voneinander getrennt.Diese feuerfesten Wände ragen in der Regel ein wenig über das Dach hinaus. Module und andere brennbare Komponenten wie Solarleitungen dürfen nicht über diese Brandschutzwände hinweg verlegt werden. Bei den Leitungen ist in diesem Zusammenhang von einem Zündschnureffekt die Rede. Das Feuer könnte über sie von Haus zu Haus übergreifen. In der Praxis ist dieser Montagefehler häufig zu sehen.
Sollte es einmal nicht zu vermeiden sein, Leitungen über eine Brandschutzwand hinweg zu verlegen, so müssen Monteure sie zumindest geschützt verlegen. Die Ausnahmen sind in der Musterbauordnung (Paragraf 40) definiert. Brandschutzumhüllungen für Kabel gibt es bereits für andere Industriezweige. Doch die Hersteller von Brandschutzprodukten entdecken den Photovoltaikmarkt gerade für sich. So bringt Obo Bettermann aus Menden, ein Hersteller von Blitz- und Überspannungsschutz, in diesem Jahr eine witterungsbeständige Bandage für Solarkabel auf den Markt.
Ebenso wenig dürfen Photovoltaikleitungen durch feuerwiderstandsfähige Wände, zum Beispiel zwischen zwei Doppelhaushälften, hindurchgeführt werden. Falls auch dies einmal nicht anders möglich sein sollte, muss der Monteur dieDurchführung schotten. Das heißt, dass er die Mauer so wieder verschließen muss, als wenn das Loch nicht da wäre.
Für DC-Leitungen, die außerhalb eines Gebäudes installiert sind, hat eine Expertenkommission von Bundesverband Solarwirtschaft, ZVEH, DGS, der Berufsfeuerwehr München sowie der Bundesvereinigung der Fachplaner und Sachverständigen im vorbeugenden Brandschutz (BFSB) noch diverse Tipps parat. In ihrer Broschüre „Brandschutzgerechte Planung, Errichtung und Instandhaltung von PV-Anlagen“ weisen sie darauf hin, dass die Leitungen für Einsatzkräfte erkennbar sein müssen. So sollten sie zum Beispiel im Übersichtsplan für Einsatzkräfte eingetragen sein. Außerdem müssen sie so montiert sein, dass die Isolation nicht beschädigt werden kann. Zum Beispiel dürfen sie nicht über scharfe Ecken und Kanten verlegt werden. Weiterhin sollte die DC-Leitung außerhalb oder geschottet von Rettungswegen oder anderen Zugängen von Einsatzkräften verlegt sein. Auf Flachdächern dürfen Kabel nicht auf Flächen liegen, auf denen sich Wasserlachen bilden können. Grundsätzlich gilt, dass Gleichspannungsleitungen ab einer Länge von einem Meter, die nicht spannungsfrei geschaltet werden können, möglichst feuerwiderstandsfähig oder außerhalb des Gebäudes verlegt werden sollten.
Schutz im Innenbereich möglich
In einem verrauchten oder dunklen Haus ist es für Feuerwehrleute noch schwerer zu erkennen, wo Gleichstromleitungen verlegt sind. Deswegen gilt hier: Wenn die Landesbauordnung keine Feuerwiderstandsklasse für die Leitungsanlage vorschreibt, so müssen die Leitungen zumindest feuerhemmend verlegt sein. Dafür gibt es verschiedene bauliche Maßnahmen.„Eine Verlegung unter Putz wäre ideal“, sagt Solargutachter Christian Keilholz. Allerdings weiß er auch: „Aus Kostengründen lässt sich das in den seltensten Fällen durchsetzen.“ Und wenn, so kommt die Unterputzverlegung noch am ehesten bei Neubauten in Frage. Allerdings gibt es auch Bauweisen, bei denen diese Schutzmaßnahme gar nicht möglich ist. Bei einem Betonbau beispielsweise, bei dem alle Elemente gegossen sind, gibt es gar keinen Putz, unter dem Leitungen verlegt werden könnten. Ebenso ist in einem Trockenbau – zum Beispiel, wenn ein Dach mit Gipskartonplatten ausgebaut wird – keine Unterputzverlegung möglich. Dass die Unterputzverlegung wohl eher Wunschdenken ist, bestätigt Uli Motzer von der Württembergischen Versicherung. „In den vergangengen sieben Jahren habe ich an die 1.000 Anlagen gesehen“, sagt Motzer. „Unter Putz verlegte Kabel habe ich kein einziges Mal gesehen.“ Eine andere Möglichkeit ist die Ummantelung mit Brandschutzverkleidungen. Platten, um Kabeltrassen zu verkleiden, gibt es aus Gips, Kalziumsilikat oder auch zementgebunden.
Die dritte Möglichkeit ist die Verlegung in Brandschutzkanälen und -schächten. Gelegentlich sieht man herkömmliche Kunststoff- oder Metallkanäle, in denen Installateure die Solarkabel versteckt haben. Sie bieten sich allerdings höchstens aus optischen Gründen an, zum Beispiel bei der Verlegung außen am Haus. Ernst Meck, Hersteller von Lochblechen und Blechverkleidungen in Nürnberg, bietet Lochblechkanäle an. Allerdings sagt Vertriebsmitarbeiter Mario Popp auch ausdrücklich, dass sie lediglich vor Mäusen und anderen Tieren schützen. Personen schützen können solche Kanäle im Brandfall nicht. Kunststoff schmilzt bei Feuer, Metall leitet. Kabelkanäle für Photovoltaikanlagen müssen deshalb besondere Eigenschaften aufweisen.
Zu den wenigen Herstellern von Photovoltaik-Kabelkanälen, die es bisher gibt, zählt Günther Spelsberg aus Schalskmühle. Spelsberg stellte auf der Intersolar 2011 den Leitungsschutzkanal PV Lifeline vor. Der Hersteller wirbt damit, dass PV-Leitungen darin „zu jeder Zeit vollständig gekapselt und gegen mechanische Einflüsse geschützt“ seien. Der Kanal mit Feuerwiderstandsklasse F 30 besteht aus einem selbsttragendenu-förmigen Metallgehäuse, pulverbeschichtetem Stahlblech und ist mit mineralischen Brandschutzbauplatten ausgekleidet. Durch den orangefarbenen Anstrich ist er für Einsatzkräfte außerdem leicht zu erkennen. Darüber hinaus könne der Kanal auch über mehrere Geschosse verlegt werden, ohne dass eine zusätzliche Abschottung nötig sei, teilt Spelsberg mit. Der Kanal eignet sich besonders für Industriebauten und die spätere Nachrüstung.
Auch Obo Bettermann stellt auf der Messe Light + Building, die im April in Frankfurt stattfindet, einen neuen Photovoltaik-Kabelkanal vor. „Der Kanal kann direkt an die Decke oder die Wand montiert oder auf Schienen abgehängt installiert werden“, sagt Produktmanager Stefan Ring. Gefertigt sei der Kanal aus Glasfaserleichtbeton. Außerdem ist er für Flucht- und Rettungswege klassifiziert, so dass er auch in diesen Bereichen installiert werden darf. Ring hält alle Gebäudetypen für Einsatzmöglichkeiten, vor allem aber öffentliche Gebäude, in denen es schärfere Anforderungen an den Brandschutz gibt. Er eigne er sich aber auch für kleinere Gebäude.Eine Verpflichtung, solche Kabelkanäle für Photovoltaikanlagen zu verwenden, gibt es derzeit nicht. Zwar ist die VDE-Anwendungsrichtlinie 2100-712 in Arbeit, in der bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen für den Brandschutz definiert werden, doch auch sie wird nur Empfehlungscharakter haben, wenn sie voraussichtlich in diesem Jahr verabschiedet wird. Darin sind auch die baulichen Maßnahmen Verlegung unter Putz, in Brandschutzkanälen und außen am Gebäude festgehalten.
Empfehlungen bald amtlich
„Sobald die Richtlinie kommt, werden wir uns daran halten“, sagt Stephan Neuner, Geschäftsführer des Photovoltaikfachbetriebes Connect Solar in Zweibrücken. Er biete sogar jetzt schon Kabelkanäle mit an, erzählt er. In Angeboten für die evangelische Kirche habe er sie mit aufgenommen. Erfolg hatte er damit nicht, die niedrigeren Kosten wurden dem Brandschutz vorgezogen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Verlegung im stillgelegten Kamin. „Grundsätzlich spricht nichts dagegen“, sagt Burkhard Schulze vom ZVEH. Kaminehalten Feuer gut stand und sind, sofern sie gewartet werden, dicht. Allerdings ist hier die Zugbelastung der Leitungen zu beachten. Denn Solarleitungen haben eine Eigenlast. Wenn sie viele Meter herunterhängen, so dehnen sich die Leitungen durch die Last aus. Das strapaziert die Isolation. Um das zu verhindern, müssen die Leitungen hier alle paar Meter befestigt werden. „Die Fachkraft muss entscheiden, ob sich die Montage im Kamin eignet“, resümiert Schulze.
Dies gilt für alle baulichen Maßnahmen, die für den Brandschutz empfohlen werden. Ob Schulze vom ZVEH, Dirk Quardt, Leiter des Bereichs Produktmanagement bei Spelsberg, oder David Wedepohl, Pressesprecher des BSW-Solar: Sie alle sind der Meinung, dass der Installateur geeignete Brandschutzmaßnahmen auswählen muss. Ein Anfang ist gemacht, wenn er die Leitungen normgerecht installiert. Anlagenbetreiber können ihren Beitrag leisten, indem sie sich für einen Kabelkanal entscheiden. Auch Mäuse sind den Experten zufolge kein Problem, wenn man den richtigen Kanal wählt und auch den Deckel immer schön geschlossen hält.