95 Prozent, 96 Prozent, 97 Prozent – Wechselrichterhersteller überbieten sich gerne damit, wie effektiv ihre Produkte den Strom der Solarmodule in netzfähigen Wechselstrom wandeln. Doch das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass darin der Wirkungsgrad des so genannten MPP-Trackers nicht enthalten ist. Dass der immer hundertprozentig funktioniert, bezweifeln viele Experten. Ob das nicht „nur die halbe Wahrheit“ sei, fragte zum Beispiel Roland Bründlinger von der Wiener Firma Arsenal-Research in einem Beitrag beim Symposium Photovoltaische Solarenergie, das diesen März im Kloster Banz stattfand.
Die Forschungsfirma hat sekundengenau aufgelöste Daten von Solaranlagen daraufhin analysiert, ob der Wechselrichter wirklich das Maximum aus den Modulen herausholt. Experte Bründlinger ist deshalb meist dabei, wenn sich der Normungsarbeitskreis „DKE K373.0.3“ trifft. Das Gremium soll die Vorschriften festlegen, wie das Verhalten der entscheidenden Bauteile künftig getestet und dem Kunden gegenüber spezifiziert werden muss. Es geht vor allem um den MPP-Tracker. Die Abkürzung steht für Maximum-Power-Point-Tracker. Das ist der Regelungsmechanismus, der den „Punkt der maximalen Leistung“ sucht.
Datenblätter unvollständig
Das Problem: Der beste Wechselrichter nutzt nichts, wenn er den Arbeitspunkt nicht richtig festlegt. Das ist ähnlich wie bei einem Umzug. Die Frage, ob man besser einen schweren oder zwei leichte Kartons trägt, ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Im ersten Fall ist man langsamer, muss aber nur einmal gehen, im zweiten Fall ist man schneller, läuft jedoch doppelt. In Wechselrichtern soll der MPP-Tracker den optimalen Arbeitspunkt finden: die Belastung, bei der dem Solargenerator die meiste Leistung entzogen werden kann.
In den Datenblättern ist bisher aber nicht einmal durchgehend der Tracker-Anpassungsgrad zu finden. Er soll angeben, wie gut der MPP-Tracker funktioniert. Nach einer Untersuchung von Arsenal und dem Wechselrichterhersteller SMA ist nur aus vier von 56 Datenblättern genau zu entnehmen, wie die Daten zu interpretieren sind.
Außerdem streiten sich die Experten, ob die Angabe des Anpassungsgrades überhaupt ausreicht.
Suchstrategie entscheidend
Auch wenn nach Ansicht von Bründlinger bei den meisten erhältlichen Wechselrichtern die statischen Verluste durch einen nicht optimal funktionierenden MPP-Tracker gering sind, gibt es Ausnahmen. „Bei schwankender Einstrahlung fallen einige Geräte bis auf 92 Prozent zurück“, hat er in seinem Vortrag festgestellt. Bei manchen Modellen gehen also acht Prozent der Sonnenenergie verloren, weil der Wechselrichter nicht im richtigen Arbeitspunkt läuft. Schuld seien „fehlerhafte Algorithmen.“
Man darf sich den MPP-Tracker dabei nicht physikalisch getrennt vom eigentlichen Wechselrichter vorstellen. In den modernen Geräten steuert eine Software, wie stark der Wechselrichter einen Solargenerator belastet, indem sie das Potenzial am Wechselrichtereingang regelt. Das Potenzial, das der Solargenerator spürt, bestimmt die Stromstärke durch die Anlage. Die Experten beschreiben diesen Zusammenhang mit den Strom-Spannungs-Kennlinien. Der optimale Punkt liegt dort, wo das Produkt des Stroms und der Spannung maximal ist. Er variiert mit Einstrahlung und Temperatur.
Damit die Elektronik den Änderungen folgen kann, muss der MPP -Tracker ständig kleine Testballons steigen lassen. Er verändert das Potenzial am Wechselrichtereingang in kleinen Schritten und analysiert, ob sich dadurch eine höhere Leistung erzielen lässt. Wenn ja, korrigiert er den Arbeitpunkt. Wenn nein, behält er den vorhergehenden Arbeitspunkt bei.
Die Strategie, nach der ein MPP-Tracker den Arbeitspunkt sucht und analysiert, gehört vermutlich zu den bestgeschützten Geheimnissen der Hersteller, da darin ihr Know How liegt. Manche MPP-Tracker verbringen nämlich viel Zeit mit der Suche an Arbeitspunkten, die nicht optimal sind, und verschenken dadurch Leistung. Andere kommen mit wenig Zeit an nicht optimalen Punkten aus. Genau das beschreibt der Anpassungsgrad. Umso höher die Prozentzahl liegt, umso besser nutzt ein MPP-Tracker und der damit verbundene Wechselrichter die Energie, die die Photovoltaikanlage bereitstellt.
Allerdings hilft ein guter Anpassungsgrad nur, wenn der MPP-Tracker erst einmal den richtigen Arbeitspunkt gefunden hat.
Das ist nicht immer der Fall, wie auch der Erlanger Physikprofessor Martin Hundhausen beobachtet hat. Bei einer Anlage, auf die konstruktionstechnisch bedingt einige Stangen je nach Sonnenstand verschieden hohe Schatten werfen, reagiert der Wechselrichter nicht so, wie es sein sollte. „Der Tracker fängt beim Suchen des MPP bei hohen Spannungen an, findet das erste Leistungsmaximum.“ Dort bleibt er zunächst stehen. „Er findet also den wirklichen Höchstwert nicht.“
Experten bezeichnen das als lokales Leistungsmaximum, das immer dann auftreten kann, wenn eine Anlage teilweise verschattet ist. Der MPP-Tracker bemerkt nicht, dass es andere Arbeitspunkte gibt, bei denen die Leistung deutlich größer wäre. „In diesem Fall liefert die Anlage 150 Watt, könnte aber 800 Watt leisten.“ Es wäre also sinnvoll, zunächst die Leistung für alle möglichen Potenziale auszumessen und erst dann den optimalen Arbeitspunkt festzulegen. Manche MPP-Tracker können das – für den Kunden ist nur nicht ersichtlich welche.
Dynamische Größe gesucht
Doch die Frage ist auch, wie schnell ein Tracker den optimalen Arbeitspunkt finden muss, wenn sich die Sonnenstrahlung oder die Temperatur ändert. „Sehr schnell“, sagt Wolfgang Oelmaier vom gleichnamigen Elektronik-Hersteller aus dem schwäbischen Ochsenhausen. Bei seinem Unternehmen gehört das zur Philosophie. Nach eigenen Angaben sind seine Wechselrichter, die nach sechs Jahren Entwicklung seit kurzem am Markt sind ein großer Erfolg. Das führt er vor allem auf den MPP-Tracker Algorithmus zurück, „der sehr schnell ist und dazulernt.“ Er springt angeblich nicht oft zwischen verschiedenen Potenzialen hin und her, sondern „weiß genau, wo er hin muss.“ Oft würde vergessen, dass Modulfelder keinen idealen Kennlinienverlauf haben. „Die Strings haben Einbrüche in der Kennlinie.“ Wenn sich ein MPP-Tracker aber im Laufe seines Betriebes die Eigenschaften des Solargenerators merkt, die zum Beispiel durch Verschattungen erzeugt werden, könnte also ein höherer Ertrag möglich sein. Bis zu acht Prozent Mehrertrag gegenüber nicht so cleveren MPP-Trackern will Oelmaier dann auch gemessen haben.
Dass die Trackerdynamik, über die die Datenblätter bisher meist nichts verraten, eine entscheidende Rolle spielt, sehen jedoch nicht alle Beteiligten so. „Schnelligkeit allein sagt nichts über die Güte eines MPP-Trackers aus“, sagt etwa Thomas Mühlberger, Leiter der Photovoltaiksystemtechnik bei Fronius. Bei schnellen Verfahren könne es sein, dass die Regelung den optimalen Punkt verlässt, obwohl Abwarten besser wäre. Zum Beispiel bei kurzfristigen Änderungen, wenn eine Wolke schnell vorbei zieht. „Es hängt vom Betriebszustand ab, wie ein MPP-Tracker arbeiten sollte“. Nach dem Einschalten der Anlage muss die Strategie zum Suchen des optimalen Arbeitspunktes anders sein als bei Dauerbetrieb unter blauem Himmel.
Peter Kremer, Obmann des DKE-Komitees K373 und damit auch Ober-Chef des Unterausschusses K73.0.3, der für die Tracker-Normung zuständig ist, will es deshalb genau wissen. „Ist neben dem statischen Anpassungsgrad die Dynamik bei bestimmten Einstrahlungsbedingungen für das Funktionieren des MPP-Trackers überhaupt relevant?“, fragt er. Eventuell ist es nämlich gar nicht notwendig, dass der MPP-Tracker alle Zehntelsekunden den Arbeitspunkt anpasst. „Denn die MPP-Spannung des Photovoltaikgenerators ändert sich sehr träge“, sagt Kremer, der bis zu seinem Ruhestand bei Siemens gearbeitet hat. Sprich: auch wenn eine Wolkenfront innerhalb kurzer Zeit das Modul verschattet, ändert das Modul nach dieser Theorie seine Kennlinie nur langsam.
Um Klarheit zu schaffen werden zurzeit am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg, am Institut für Solare Energieversorgungstechnik in Kassel und bei Arsenal Research in Wien vorhandene Messdaten der Sonnenstrahlung analysiert. „Die bestehen aus Sekundenwerten, die über ein Jahr gemessen wurden“, sagt der Obmann. In Freiburg werde das zudem an einer realen drei Kilowatt Photovoltaikanlage nachgemessen. „Das Fraunhofer Institut macht eine wissenschaftliche Analyse für die Arbeitgruppe, ob die Annahme ‚Dynamik ist vernachlässigbar‘ vertretbar ist“, sagt Kremer.
Die Arbeiten sind zwar noch nicht abgeschlossen, doch alles deutet darauf hin, dass die Dynamik wirklich nicht so wichtig ist, wie gedacht. Unklar ist vor allem auch, wie sie am besten spezifiziert wer den kann. Zum Beispiel durch den Nachführungswirkungsgrad. Gerd Bettenwort, Vorentwicklungsleiter beim Wechselrichter-Marktführer SMA fordert deshalb verständlicherweise, dass innerhalb des Normenarbeitskreises zunächst „Testprozeduren definiert werden sollten, die eine getrennte Evaluierung des Nachführungswirkungsgrades nach statischen und dynamischen Anteilen ermöglichen.“ Wo man dem Wechselrichterhersteller noch Verzögerungstaktik unterstellen könnte, hat er Heinrich Häberlin auf seiner Seite, Professor an der Fachhochschule Bern und einer der Koryphäen des Fachs.
Bisher hat Häberlin an Hand von plötzlichen Änderungen der Generatoreigenschaften die Güte von MPP-Trackern gemessen. „Die sind vor allem gut, um das Erschrecken, also das Außer-Tritt-Geraten bei Leistungsänderungen des Reg lers zu testen“, sagt er. Aber sie sind nicht unumstritten, denn ein solches Erschrecken des Reglers ist in der Praxis ein selten vorkommender Extremfall, wenn zum Beispiel das Netz kurzzeitig aussetzt. Besser sind Geräte, die das Verhalten von Solargeneratoren praxisnäher simulieren, beispielsweise so, als ob Wolken vorbei ziehen. „Das ist schwierig, denn die meisten Simulatoren sind zu langsam.“ Doch inzwischen könnten das die Simulatoren seiner Gruppe und bei Arsenal Research.
Gesamtwirkungsgrad relevant
Welche Größe schließlich als Maß für das dynamische Verhalten der Wechselrichter definiert werden wird, den Kunden dürfte eine getrennte Analyse der MPP-Güte egal sein. Haeberlin hat deshalb schon vor drei Jahren vorgeschlagen, MPP- und Wechselrichterwirkungsgrad zusammen zufassen zu dem „totalen Wirkungsgrad“. Das hat noch einen weiteren Grund: „Den Wechselrichterwirkungsgrad kann man nicht sinnvoll messen, wenn der Wechselrichter nicht ohnehin schon ein gutes Tracking hat“, erklärt er. Die beiden Größen sind untrennbar miteinander verbunden. Die Norm wird, wenn es nach dem Willen des Ausschussvorsitzenden Peter Kremer geht, jedenfalls „den Umwandlungswirkungsgrad des Wechselrichters und den MPP-Tracker-Anpassungsgrad verknüpfen und die Prüfvorschrift definieren.“
Doch selbst bei der Charakterisierung der Wechselrichter sind noch nicht alle Fragen geklärt. Ihr Wirkungsgrad hängt von der Leistung ab, mit der sie betrieben werden. Die international gültige IEC Wechselrichter-Norm definiert die Leistungs-Stützwerte zehn, 25, 50, 75, 100 und 120 Prozent. „Gerade im unteren Leistungsbereich haben die MPP-Tracker aber Schwierigkeiten“, erklärt Kremer. Wie gut die Wechselrichter dort sind, wird in der bisherigen Norm nicht ausreichend gewichtet. Die Erweiterung für Netzverbundanlagen um die Werte fünf, 20 und 30 Prozent sei deshalb geplant. Momentan diskutieren die Experten noch über die Gewichtungsfaktoren. Kremer will auf jeden Fall noch die Tests am Fraunhofer Institut in Freiburg abwarten.
Der Zeitplan des Obmanns scheint trotzdem ehrgeizig. Bis Ende 2008 will er eine so genannte Vornorm mit Prüfvorschrift für den MPP-Tracker-Testsimulator entwickeln. Im nächsten Schritt geht es darum, sich in Deutschland auf eine Vornorm für den Gesamtwirkungsgrad des Wechselrichters zu einigen, die den Umwandlungswirkungsgrad des Wechselrichters und den MPP-Tracker Anpassungsgrad verknüpfen. Bei SMA ist man jedenfalls skeptisch. Bettenwort gibt zu bedenken, dass beim letzten Treffen der Arbeitsgruppe am 16. Juni Prüfprozeduren vorgeschlagen worden seien, „deren praktische Relevanz und Eignung noch weitgehend unbekannt ist“. Auch Kremer ist sich nicht sicher, ob die anvisierten Termine alle zu halten sind. Zumindest die Vornorm für den Gesamtwirkungsgrad „wird möglicherweise noch nicht in 2008 fertig.“ Steht allerdings erst einmal die Vornorm, „dann wollen wir diese gleich der IEC zur weiteren Bearbeitung und Übernahme anbieten“, sagt er. Das ist nötig, damit sie nicht nur in Deutschland, sondern international beachtet wird.