Schön wäre es, ein Handwerker könnte alles machen. Doch meistens geht das schief. „Häufig sind es keine elektrotechnischen Fachkräfte, die eine Solaranlage aufs Dach bauen. Im ungünstigsten Fall ist es ein Handwerker, der keinerlei Ausbildung im Bereich Blitzschutz hat“, sagt Axel Rüther. Er ist Fachreferent beim Überspannungsschutzhersteller Phoenix Contact und kennt die Problemlage aus den Schulungen, die er gibt.
Dabei sind die Schäden durch Blitzschlag groß. Selbst bei einem Blitzeinschlag in einer Entfernung von 1.500 Metern kann der Blitzstrom in die elektrischen Leitungen des Gebäudes einkoppeln und den Wechselrichter, die Module und andere elektrische Haushaltsgerätedurch Überspannung zerstören. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft sind rund 14 Prozent aller Anlagenschäden auf Überspannung zurückzuführen. Damit steht sie statistisch an dritter Stelle nach Feuer mit 26 Prozent und Sturm mit 25 Prozent.
Noch gefährlicher ist allerdings ein direkter Einschlag ins Dach oder in die Photovoltaikanlage, auch wenn er seltener vorkommt – so selten, dass auch der Versicherungsverband keine Zahlen dazu hat. Der hohe Strom und die damit verbundene extreme Temperatur können den Dachstuhl in Brand setzen und Schäden am Gebäude und der Solaranlage verursachen. Beides lässt sich vermeiden: durch inneren Blitzschutz mit Ableiterndie Gefahr durch Überspannung, durch ein äußeres Blitzschutzsystem die Gefahr durch direkten Blitzseinschlag. Dieses fängt den einschlagenden Blitz mit Fangstangen auf und leitet den Strom sicher durch die Ableitungen in die Erde.
Doch dazu müssen die Gewerke – Solarinstallateur und Blitzschutzfachkraft – zusammenarbeiten. Denn wer keine Ausbildung und mehrjährige Berufserfahrung im Blitzschutz hat, muss vor der Montage der Solaranlage eine Blitzschutzfachkraft (nach DIN VDE 0185-305) zu Rate ziehen, wenn das Gebäude bereits einen äußeren Blitzschutz hat oder einer empfohlen wird. Bei einer gemeinsamen Ortsbesichtigung könnten beide Gewerke dann klären, wiesich Blitzschutz und Photovoltaikanlage am besten vereinen lassen.
Wenn vor dem Bau der Photovoltaikanlage noch kein äußerer Blitzschutz installiert war, muss man zunächst klären, ob ein äußerer Blitzschutz nötig ist. Das ist nicht immer der Fall, denn die Wahrscheinlichkeit eines direkten Blitzeinschlages ist sehr gering und laut dem Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) erhöht eine Solaranlage das Einschlagrisiko nicht. Nur wenn sich diese auf einem sehr exponierten Gebäude befindet oder 30 Zentimeter über das Dach hinaussteht, wird ein äußerer Blitzschutz empfohlen. Der private Anlagenbesitzer kann also für sich entscheiden, ob er sich mit der Installation von Fangstangen und Ableitungen zusätzlich absichern will.
Wolfgang Wegmann, Marktmanager für Photovoltaik beim Überspannungs- und Blitzschutzhersteller Dehn & Söhne, empfiehlt auch für gewerbliche Gebäude einen äußeren Blitzschutz. „Wenn zum Beispiel eine Spedition hochbrennbares Material wie Kunstdünger lagert oder durch einen Blitzeinschlag eine Produktionsanlage ausfallen könnte, kann ein Blitzschutz auch vor wirtschaftlichen Schäden bewahren“, sagt er. Für öffentliche Gebäude ist ein äußerer Blitzschutz sowieso zwingend vorgeschrieben – auch ohne Solaranlage. Denn käme es in Schulen oder Kliniken zu einem Blitzeinschlag und damit zu einem Brand, wären etliche Menschenleben gefährdet.
Auf den Gebäuden, auf denen schon vor Bau der Photovoltaikanlage ein äußerer Blitzschutz vorhanden ist, zeigt sich noch ein anderes Problem, wenn sichSolarinstallateure und Blitzschutzfachkräfte nicht rechtzeitig unterhalten. Denn der äußere Blitzschutz wird durch den Bau einer Solaranlage unter Umständen wirkungslos, wenn man bei der Montage der Module die Blitzschutz-Grundregeln nicht einhält. Und das kommt in der Realität nach Wegmanns Erfahrung durchaus vor. „Die Photovoltaikmodule werden einfach über die Ableitungen gebaut und sämtliche Abstandsregeln missachtet“, sagt er.
Modulplatzierung richtig planen
Wer sich auskennt, dem ist das Problem bekannt. Jegliche Metallteile auf dem Dach, also auch Modulrahmen und Unterkonstruktionen, müssen zu den Ableitungen und den Fangstangen einen Trennungsabstand einhalten, sonst könnte der Blitzstrom in sie einkoppeln. Nach einer Faustregel muss der Abstand zwischen Modulrahmen und Ableitungen rund einen halben Meter betragen. In der Praxis wird dieser genau berechnet und liegt dann meist zwischen 30 und 60 Zentimeter. Zudem müssen bei großen Flachdächern nicht nur an den Dachecken, sondern auch in der Dachmitte Fangstangen aufgestellt werden, damit sich alle Module im Schutzbereich befinden. Das bedeutet, dass Gassen zwischen den Modulen freigehalten werden müssen, damit die Ableitungen, die von den Fangstangen in der Dachmitte hinunter zur Erde führen, genügend Freiraum um sich herum haben.
Anlagenbesitzer können da schnell eine Überraschung erleben, wenn der Blitzschutzfachmann zur Kontrolle des Blitzschutzsystems kommt und diefalsch montierte Solaranlage auf dem Dach entdeckt. „Im schlechtesten Fall müssen Module wieder abmontiert werden, damit der Trennungsabstand wieder hergestellt werden kann“, sagt Wolfgang Wegmann. „Eine ärgerliche Angelegenheit, die man hätte vermeiden können, wenn sich der Anlagenplaner mit dem zuständigen Blitzschutzfachmann besprochen hätte.“ Ein falscher Kompromiss wäre es, auf den Trennungsabstand ganz bewusst zu verzichten und die Ableitungen und die Modulrahmen mit einer extra Leitung zu verbinden. „Durch diese galvanische Verbindung verhindert man bei einem direkten Blitzeinschlag lediglich die Funkenbildung gegen Teile des Photovoltaiksystems. Einen Dachbrand kann man so verhindern, die Photovoltaikanlage wäre aufgrund der direkt eingekoppelten hohen Spannung und Ströme aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zerstört“, erklärt Rüther.
Hochisolierte Leitungen
Eine Alternative sind jedoch hochisolierte Leitungen, sogenannte HVI-Leitungen, die es seit etwa zwei Jahren auf dem Markt gibt und die sich als Ableitungen einsetzen lassen. Diese sind so stark isoliert, dass bei einem Blitzeinschlag ein Überschlag auf andere elektrische Leitungen und andere geerdete Metallteile nicht mehr möglich ist. „Somit kann man sie mit einem deutlich reduzierten Trennungsabstand verlegen, lediglich die ersten 1,5 Meter nach der Fangstange muss die Abstandsregel noch beachtet werden“, sagt Torsten Hoffmann, Produktmanager für Photovoltaiksysteme beim Überspannungs- und Blitzschutzhersteller OBO Bettermann.
Diese Alternativlösung kommt den Anlagenplanern entgegen, räumt sie doch mehr Platz für die Module ein. Vor allemArchitekten, die viel Wert auf eine einheitliche Optik legen und keine Gassen zwischen den Modulen wollen, oder Anlagenbesitzer, die ein Maximum an Stellfläche auf dem Dach wollen, greifenzu dieser Variante. Doch sie ist auch teuer. Es wird nicht nur ein höherer Überspannungsschutz für die Hausleitungen notwendig, die hochisolierten Leitungen kosten außerdem pro Meter zudemrund dreimal so viel wie herkömmliche Ableitungen.
Verschattung minimieren
Doch bei den Diskussionen zwischen den Gewerken geht es nicht nur um die verlorene Modulfläche. Die Fangstangen können die Module zudem verschatten, was man vermeiden sollte. Zwar ist ihr Schatten nur eine dünne Linie, aber diese kann unter Umständen ganze Modulstrings negativ beeinflussen und zu Ertragsverlusten führen.
Die Problematik hat auch der VDE erkannt und deshalb 2009 das Beiblatt „Blitz- und Überspannungsschutz für PV-Stromversorgungssysteme“ zur Blitzschutznorm DIN EN 62305-3 herausgegeben. In diesem wird auf die speziellen Anforderungen in der Photovoltaik wie auch auf die Verschattungsproblematik eingegangen.
Die Lösung ist in diesem Fall eine einfache Formel. Indem man den Durchmesser der Fangstange mit 108 multipliziert, kann man den notwendigen Abstand errechnen, damit kein Kernschatten auf die Module fällt. Eine Stange mit zehn Millimetern Durchmesser müsste also 1,08 Meter Abstand zu den Modulen haben. Dabei würde auch in den Morgen- oder Abendstunden, wenn die Sonne längere Schatten wirft, kein Kernschatten auf die Module treffen, denn dieser bliebe immer im berechneten Bereich von rund einem Meter.
Viel Platz, wenn man bedenkt, dass bei großen Anlagen auch zwischen den Reihen Fangstangen aufgestellt werden müssen. Doch auch hier können Blitzschutzfachkräfte den Anlagenplanern ein Stück weit entgegenkommen. Sie kennen sich mit der Entstehung des Kernschattens aus und können die Höhe derFangstangen variieren, um somit ein paar Zentimeter mehr für die Modulfläche herauszuschlagen. Denn große Fangstangen von etwa drei Metern Höhe haben zwar einen längeren Schatten als kleine Stangen, der zudem auch noch breiter ist, da die Fangstangen einen größeren Durchmesser haben müssen, um der Windlast standhalten zu können, dafür benötigt man jedoch nur wenige von ihnen auf dem Dach, da mit ihrer Höhe auch der Umfang des Schutzbereiches wächst. Kleinere Stangen von etwa 80 Zentimetern haben hingegen einen kürzeren und dünneren Schatten. Da ihr Schutzbereich aber kleiner ist, müssen mehr von ihnen aufgestellt werden.
Auf Blitzschutz Einfluss nehmen
Hier kann man beide Stangenhöhen geschickt kombinieren und der Verschattung ein Schnippchen schlagen: „An die Nordseite der Solaranlage, wo aufgrund des Sonnenstandes nur kurze Schatten entstehen, stellt man hohe Fangstangen auf, und vor und zwischen den Modulen positioniert man mehrere kleine“, empfiehlt Wegmann. Es gibt also durchaus Kompromisse, die sich schließen lassen. Grundlage dafür ist der Dialog zwischen allen Beteiligten: Blitzschutzfachkraft, Gebäudeeigentümer und Solarteur.
In der Realität läuft es nach Erfahrung der Schulungsexperten jedoch oft anders. Axel Rüther von Phoenix Contact kann nur mutmaßen, warum das so ist. Viele Solarinstallateure scheuen es vermutlich, den Auftraggeber auf die Notwendigkeit eines Blitzschutzexperten anzusprechen. „Sei es aus mangelndem Vertrauen in die Wirksamkeit eines solchen Systems oder einfach aus Angst, die höheren Kosten könnten ihn um den Auftrag bringen“, sagt er.