Bei der Württembergischen Versicherung war der Elektriker schon mehrfach negativ aufgefallen. Doch der Fall, den Schadengutachter Uli Motzer im vergangenen Jahr zu sehen bekam, verschlug ihm dann doch die Sprache. Auf dem Video, das der Anlagenbetreiber mit seiner Schadensmeldung mitgeschickt hatte, sah Motzer, wie sich die Photovoltaikanlage vom Dach hob und wieder senkte. „Wie die Flügel eines Vogels haben sich die Module bewegt“, erinnert er sich. Vor Ort fand er die Ursache schnell. „Der Elektriker hatte die Anlage mit keiner einzigen Schraube an den Dachbalken befestigt. Er hatte die Haken lediglich in die Dachlattung eingehängt“, erzählt derGutachter. Beim nächsten Sturm schob sich der Wind zwischen die Dacheindeckung und die Anlage und brachte sie zum Abheben. „Installationsfehler sind ein Riesenfeld“, sagt Motzer und beklagt das lückenhafte Wissen vieler Handwerker, die Solarstromanlagen planen und montieren.
Ein Grund für die zahlreichen Installationsfehler ist die Tatsache, dass Photovoltaikanlagen noch immer nicht einem Gewerk zugeordnet sind. Und so lockte der boomende Markt neben Elektrikern auch Dachdecker, Zimmerer, Stukkateure, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und andere gelernte und ungelernte Handwerker an.„Dass so viele an den Anlagen arbeiten, ist das Manko daran“, meint deshalb auch Karsten Callondann, Referent des Teams Schadenverhütung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Bei Versicherungen gelten Fehler in der Planung und Montage als die Hauptursache für Schadensfälle. „Wir wissen, dass es ein großes Schadenspotenzial ist“, sagt Christian Lübke, Sprecher für den Bereich Schaden- und Unfallversicherung beim GDV. Um seine Aussage zu untermauern, verweist Lübke auf eine Untersuchung zu Schadensursachen an Solarstromanlagen, die der GDV von 2004 bis 2007 bei seinen Mitgliedsunternehmendurchführte. Darin gehen 26 Prozent des gemeldeten Schadensumfangs auf Feuer zurück, 25 Prozent auf Sturm, 14 Prozent auf Überspannung und 12 Prozent auf Schneedruck. In den meisten Fällen waren dies Folgen von mangelhafter Planung und Montage. Der GDV veröffentlichte die Ergebnisse 2009, eine aktuelle Erhebung ist geplant. „Die Größenordnungen stimmen auch heute noch“, bestätigt Lübke nach Rückfrage in den Fachabteilungen.
Kaleidoskop der Gewerke
Photovoltaikanlagen sind elektrische Anlagen und deshalb – zumindest theoretisch – Elektrofachkräften vorbehalten. Im Idealfall ist die Planung und Installation einer Solarstromanlage aber das Zusammenspiel diverser Gewerke, wie die folgende Schilderung der Arbeitsabläufe und Zuständigkeiten zeigt.
In der Planungsphase ist die Lebensdauer des Daches zu überprüfen, ebenso wie seine Statik und die Lastverteilung der Photovoltaikanlage. „Das sollte ein Statiker machen“, empfiehlt Callondann vom GDV. Basis für die Dimensionierung des Montagesystems einschließlich der Befestigungen und aufzubringenden Belastung ist die Norm DIN 1055 „Einwirkungen auf Tragwerke“. Teil 4 befasst sich mit Windlasten, Teil 5 mit Schnee- und Eislasten. Für Photovoltaikanlagen sind dies die wichtigsten wetterbedingten Einflüsse.
Handelt es sich um eine in die Gebäudehülle integrierte Anlage, so sollte zusätzlich ein Architekt oder Baufachmann involviert sein, bei der Fassadenintegration noch ein Fassadenbauer. DasAnbringen der Unterkonstruktion für eine Aufdachanlage ist eine konstruktive Tätigkeit. Dies könnte theoretisch ein Elektriker, Dachdecker und jeder andere Handwerker machen. Damit das Dach nicht undicht wird, darf die Dachhaut allerdings nicht verletzt werden. Auch können nicht fachgerechte Verkabelungen über die Dachhaut oder unter derselben zu Undichtigkeiten und Hohlraumbildungen führen. Die Folge sind Wasserschäden, im schlimmsten Fall verrottet die Holzkonstruktion des Daches.
„Elektriker haben in der Regel keine Ahnung vom Dachaufbau“, bemängelt Callondann. Beim GDV erkennen seine Kollegen und er dies zum Beispiel an verbogenen Dachhaken, die sie bei der Abwicklung von Schadensfällen zu sehen bekommen. Für sämtliche Arbeiten an der Dachkonstruktion und -belegung wie Dachziegeln ist der Dachdecker deshalb der ideale Mann.
Ausschließlich Elektriker
Nun geht es an das Verlegen der Solarleitungen. Dies dürfen nur Elektrofachkräfte. Denn Leitungen, Anschlussdosen und Module sind Teile der elektrischen Anlage beziehungsweise elektrische Betriebsmittel. „Eine Hilfskraft darf nicht an der Leitung arbeiten“, betont Burkhard Schulze, Inhaber des gleichnamigen Elektrofachbetriebes in Calvörde und Delegierter des Zentralverbandes der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). Er sieht es gar nicht gern, wenn Handwerker anderer Gewerke an den elektrischen Anlagen tätig werden. Photovoltaikanlagen fallen in den Anwendungsbereich der Norm DIN VDE 0100 „Errichten von Niederspannungsanlagen“. Sie gilt für die Planung, Errichtung und Prüfung neuer elektrischer Anlagen und sieht vor, dass nur Elektrofachkräfte an solchen Anlagen arbeiten dürfen. Schulze hält dies für sinnvoll und nennt als ein Beispiel die kurzschlusssichere Verlegung von Leitungen, die nicht jedermann beherrscht. So dürfen Photovoltaikleitungen beispielsweise nicht über scharfe Ecken und Kanten geführt werden. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Kunststoffmantel beschädigt wird und die Kabellitze, das Strom leitende Drahtgeflecht, frei liegt. Wenn sich nun ein Lichtbogen bildet, kann es zum Kurzschluss kommen.
Eine andere kritische Tätigkeit ist der Überspannungsschutz. Nicht vorhandener und falsch eingebauter Überspannungsschutz zählt zu den Hauptschäden, die den Mitgliedsfirmen des GDV gemeldet werden. So weiß ein Zimmerer oder Heizungsbauer vielleicht nicht, dass die Gefahr von Überspannungsschäden zunimmt, je größer die Schleife ist. Nichts Böses ahnend, verlegt er ein Photovoltaikkabel in einer großen Schleife. Beim nächsten Gewitter schlägt der Blitz ein und bewirkt in der Stromleitung eine Induktionsspannung. Den Zählerkasten setzen und anschließen darf ausschließlich ein Elektromeister, der in das Installateurverzeichnis des jeweiligen Netzbetreibers eingetragen ist. Dies ist in Paragraf 13 der Niederspannungsanschlussordnung verankert. Der Elektromeister kauft einen geeichten und registrierten Zählerkasten beimNetzbetreiber, installiert ihn, prüft die Anlage und unterschreibt die Anmeldung. Diese so eindeutig definierte Zuständigkeit scheint eine der wenigen klaren Vorgaben in der Arbeitsabwicklung zu sein, die auch tatsächlich genau so eingehalten wird. Allerdings kann sie auch nicht ohne Weiteres umgangen werden.
Erlaubt ist es weiterhin, dass ein Elektromeister andere einweist. Die unterwiesenen Personen dürfen die elektrischen Arbeiten dann unter Aufsicht durchführen. Die fachliche Verantwortung obliegt aber immer dem, der unterschreibt.
Fachmann für den Brandschutz
„Eigentlich müsste auch noch ein Baufachmann dabei sein“, fährt Callondann fort. Baufachleute sind unter anderem Experten für Brandschutz in Bauwerken. Ein Baufachmann prüft beispielsweise bei Reihenhäusern, auf deren Dächern eine Photovoltaikanlage gebaut werden soll, wo sich die Brandschutzmauern befinden. „Da muss irgendwo eine Brandschutzmauer sein“, sagt Callondann. Manchmal ragt sie 30 bis 40 Zentimeter aus einem Dach heraus, manchmal ist sie aber auch gar nicht sichtbar. Solche Mauern, die Feuer abwehren, dürfen nicht mit Solarmodulen überbaut werden. Ebenso dürfen Bündel von Photovoltaikleitungen nicht über Brandschutzmauern verlegt werden. „Wenn es keinen Baufachmann gibt, so muss sich zumindest der Hauptplaner erkundigen, wo die Brandschutzmauern sind“, fordert Experte Callondann.
Wenn sich auf dem Dach eine Blitzschutzanlage befindet, wie es bei öffentlichen Gebäuden Vorschrift ist, sollte auch noch ein Blitzschutzfachmann dabei sein. Er überprüft, wie die Photovoltaikanlage fachgerecht in die bestehende Blitzschutzanlage einbezogen werden kann. Fehlt noch die Sicherungstechnik für den Diebstahlschutz. Wird zum Beispiel eine Videokamera installiert, so wird auch hierfür noch ein Fachmann benötigt.
Mit offizieller Erlaubnis
In der Summe sind dies Fachleute aus fast zehn verschiedenen Bereichen. Dass dies in der Realität kaum machbar ist, ist leicht vorstellbar. Gerade bei kleinen und mittleren Anlagen würde die Einbindung all dieser Fachleute den Planungsaufwand erschweren und die Kosten in die Höhe treiben. Fragt man in Solarfachbetrieben nach, wer die Anlagen montiert, so heißt es schnell: Elektriker.
Doch Tatsache ist, dass auch Handwerker anderer Gewerke Photovoltaikanlagen montieren dürfen. Dies geht auf die Handwerksordnung zurück. Hier heißt es in Paragraf 5: „Wer ein Handwerk (…) betreibt, kann hierbei auch Arbeiten in anderen Handwerken (…) ausführen, wenn sie mit dem Leistungsangebot seines Gewerbes technisch oder fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen.“ Damit hat ein Dachdecker oder eine SHK-Fachkraft die Legitimation, Photovoltaikanlagen anzubieten und zu montieren. Gleichwohl bedeutet es aber auch, dass er sich damit auf das Terrain des Elektrohandwerks begibt.
Deshalb wurde erst einmal auf oberster Ebene für entsprechende Vereinbarungen gesorgt. So unterzeichneten der ZVEH und der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) 2002 ein Abkommen, das es SHK-Anlagenmechanikern erlaubt, Solarstromanlagen zu montieren. 2003 wurde diese Regelung in die neue Ordnung für die SHK-Meisterprüfung aufgenommen. Eine ähnlicheVereinbarung gibt es zwischen dem ZVEH und dem Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH). In diesem Gewerk ist die Erlaubnis, Photovoltaikanlagen zu installieren, seit vier Jahren in der Meisterprüfungsordnung verankert.
Gleichwohl ist den Zentralverbänden bewusst, dass es damit nicht getan ist. Sowohl Friedrich Göbel, Referent für Berufsbildung beim ZVSHK, als auch Wolfgang Werner, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes des Dachdeckerhandwerks Bayern mit Sitz in München, betonen, dass Fortbildungen nötig sind, um auch tatsächlich in dem Feld aktiv zu sein. Und so bieten die Verbände ihren Mitgliedern entsprechende Schulungen an.
Für den ZVSHK nennt Göbel eine Weiterbildung, in der SHK-Meister Grundlagen der Elektroinstallation erlernen. Der Kurs mit insgesamt 340 Stunden wurde vor dem Hintergrund eingeführt, dass sie beim Heizungsbau hin und wieder elektrische Arbeiten ausführen müssen, zum Beispiel beim Anschließen einer Wärmepumpe. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass in solchen Fällen jedes Mal ein Elektriker kommen muss. Diese „große Schulung“ decke die Photovoltaik und andere Elektroinstallationen ab, erläutert Göbel. Momentan sei die Nachfrage aber gering. Er selbst hält die Montage solcher Anlagen für „kein Teufelswerk“. „Das ist inzwischen eine bekannte Technik, das kann jeder“, meint Göbel.
Solarausbildung für Dachdecker
Der Zentralverband für Dachdecker bietet seit acht Jahren dreitägige Solarlehrgänge an. Dies berichtet Ottmar Rühle, Dachdeckermeister und Ausbilder im Bundesbildungszentrum für Dachdecker in Mayen. Die Weiterbildungen beinhalten Photovoltaik und Solarthermie und drehen sich in erster Linie um die Anlagenauslegung und Montage. „Eine Photovoltaikanlage zu montieren ist aber nur in Verbindung mit einem Elektriker möglich“, betont Rühle.
Regional bieten die Landesinnungen Schulungen an, so zum Beispiel der Landesinnungsverband des Dachdeckerhandwerks Bayern. „Der Dachdecker kann unseren dreitägigen Kurs absolvieren, dann darf er unter Aufsicht eines Elektrikers die Arbeiten ausführen“, berichtet Wolfgang Werner von der bayerischen Landesinnung. In diesem Jahr wollte die Innung den Kurs zum ersten Mal anbieten. Allerdings fiel er wegen zu geringer Anmeldungen aus. Dafür fand im Dezember die zweitägige Fortbildung „Sachkunde Photovoltaik“ statt, die die Landesinnung zusammen mit dem TÜV Rheinland veranstaltete.
Elektriker machen Dächer kaputt
Den Dachdeckern wird gern der schwarze Peter in die Schuhe geschoben, wenn es um Montagemängel geht. Dies missfällt Thomas Meuter, Dachdeckermeister und Inhaber von Karl Schlösser Bedachungen in Neuwied. „Die Elektriker beschweren sich immer, dass wir das nicht können. Dabei machen einige von ihnen uns die Dächer kaputt. Besonders dann, wenn sie nicht mit einem Dachdecker zusammenarbeiten“, sagt er und erzählt von durchbohrten und gedübelten Dachschindeln. Vielen Elektrikern fehle außerdem das Wissen über harte Bedachungen, erklärt er. Als solche wird die Dachabdichtung beziehungsweise Dachkonstruktion bezeichnet, die nach ihrer Bauart und den verwendeten Bauprodukten widerstandsfähig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme ist.
Wissen bündeln
Dass Elektrofachkräften gewisses Know-how fehlt, ist auch im ZVEH bekannt. Und so räumt Burkhard Schulze vom Elektriker-Zentralverband ein: „Bei den Gestellen ist man gut beraten, wenn es ein Dachdecker macht. Der hat Einblickin statische Dinge und weiß, wie er die Haken am besten unter die Dächer bringt.“ Eine Möglichkeit, Fachwissen zu bündeln und Montagefehler zu vermeiden, sind gewerkeübergreifende Kooperationen. Sie werden von den Verbänden befürwortet. Gleiches tut Jörg Veit, Bereichsleiter am Stuttgarter Elektro Technologie Zentrum (ETZ), das Solarteure ausbildet. Er sieht noch einen anderen Vorteil in der Zusammenarbeit: „Der Dachdecker ist viel schneller auf dem Dach.“ So lassen sich Zeit und Montagekosten einsparen. Das ETZ trage seinen Teil zu einer umfassenden Ausbildung bei, sagt Veit. In einem Teil der 240-stündigen Weiterbildung dreht es sich um Dachkunde. Auf dem Lehrplan stehen Werkstoffkunde, die Konstruktion von Steil- und Flachdächern und Statik. Auf dem Dach des ETZ üben die Teilnehmer,Indachanlagen bei Steildächern zu installieren sowie wie Aufdachanlagen bei Steil- und Flachdächern.
Um das Wissen aus möglichst vielen Gewerken einzubinden, hat Karsten Callondann vom GDV noch eine andere Idee. Er empfiehlt, Gesellen aus anderen Gewerken einzustellen und das Fachwissen so in das eigene Unternehmen zu holen. Diese Empfehlung hat Dachdeckermeister Meuter in seinem Betrieb bereits umgesetzt. Unter seinen zehn Mitarbeitern sind auch Zimmerer, Klempner und Elektriker. „Ich halte mich an die Auflagen und lasse nur diejenigen, die dafür ausgebildet sind, die entsprechenden Tätigkeiten ausüben“, sagt der Firmenchef. Es wäre zu wünschen, dass möglichst viele Handwerksbetriebe seinem Beispiel folgen. Auf die Mängelquote bei den Versicherern würde sich dies sicher positiv auswirken.