Die weltweiten Raumfahrtprogramme ließen nach Ende des Apollo-Programms der Vereinigten Staaten nach. Dessen krönender Abschluss war der historische Mondspaziergang. Die Solar Power Corporation wandte sich nun der Vermarktung von Solarzellen auf der Erde zu. Die Beteiligten am Wettlauf im All machten sich zunehmend Sorgen um ihre berufliche Zukunft. Um den schlechten Aussichten entgegenzuwirken, wandte sich die NASA der Photovoltaik auf der Erde zu, als ob es sich um eine weitere Mission ähnlich dem Mondflug handeln würde. Ziel war die Weiterbeschäftigung der Ingenieure in einem anderen Arbeitsfeld.
Bei der NASA war man von einer großzügigen staatlichen Förderung als Universallösung überzeugt. Dieser Ansatz war eine Überraschung für alle, die mit der Raumfahrtkultur der NASA nicht vertraut waren, räumte der verstorbene Dr. Allan Rothwarf ein. Er erinnerte sich, dass die Hauptvorträge an einer von der NASA finanzierten Konferenz von einem Ingenieur von Texas Instruments und einem Wissenschaftler der RCA gehalten wurden. Beide präsentierten eine Analyse der Frage, was unternommen werden müsse, um Photovoltaik wirtschaftlich zu machen und amerikanische Haushalte, Unternehmen und Fabriken mit elektrischem Strom zu versorgen. Rothwarf zufolge argumentierte der Ingenieur, dass „für den Zeitraum von 1973 bis 2000 eine Subvention von einer Milliarde Dollar nötig sei. Dieser Geldbetrag sollte möglichst einem einzigen Unternehmen, also Texas Instruments, zukommen, um das Ziel der wirtschaftlichen Produktion der Photovoltaik zu verfolgen.” Der Vortrag des RCA-Wissenschaftlers ging in eine ähnliche Richtung, er beanspruchte jedoch nur eine halbe Milliarde Dollar.
Staatlicher Kurswechsel
Im starken Gegensatz zum Wunsch der Regierung, die amerikanische Photovoltaikindustrie zu unterstützen, entgegnete zu jener Zeit Elliot Berman bei einer Aussage vor dem Kongress: „Für dieses Geschäft besteht kein Finanzierungsbedarf mit Bundesmitteln. Gegenwärtig gibt es eine kommerzielle Lösung für die Verwendung von photovoltaischen Geräten aus Silizium, die auf der Erde dort zur Stromerzeugung eingesetzt werden, wo es Sonnenlicht gibt und andere Energieformen teuer sind.“ Zum Beispiel unterrichtete Berman den Kongress darüber, dass „Solarenergie bereits erfolgreich in Strom umgewandelt wird“ und „Warnleuchten sowie Warnhörner auf unbemannten Offshore-Plattformen und Seebojen in der ganzen Welt versorgt“. Sollte der Kongress daran interessiert sein, das kommerzielle Wachstum der Photovoltaik zu unterstützen, dann müsse die Bundesregierung laut Berman einen Kurswechsel zu Gunsten der amerikanischen Bevölkerung einleiten, anstatt sich der Industrie zuzuwenden. So drängte er zum Beispiel den Kongress dazu, Warnlichter und Schutzvorrichtungen überall dort vorzuschreiben, wo Straße und Bahn sich kreuzten. Berman war der Auffassung, dass solch eine Politik sowohl Leben retten als auch die Photovoltaik fördern würde, da viele der 175.000 ungeschützten Bahnübergänge in den Vereinigten Staaten damals weit von jeglichen Stromquellen entfernt waren.
Berman konnte die Regierung nicht zum Handeln bewegen. Im Jahr 1974 jedoch überzeugte ein Vertreter von Solar Power, der zuvor in der Bahnbranche tätig gewesen war, die Führungsebene bei Southern Railway davon, testweise mit einem Solarmodul ein Bahnübergangssignal in der Nähe von Rex (Georgia) mit Strom zu versorgen. Da man den neumodischen Siliziumscheiben wenig zutraute, schlossen die Bahnarbeiter die Solaranlage zur Sicherheit mit ans Stromnetz an. Bob Mitchell, der lange Jahre bei Southern Railway tätig war, sagte: „Wir alle beäugten die Technik mit etwas Skepsis.“ Dann geschah etwas Witziges, was viele zum Nachdenken anregte. Mehrmals in jenem Winter sorgte Eisbildung für einen Ausfall der Stromversorgung. Und der einzige Strom, der im Umkreis von Meilen verfügbar war, kam von der Solaranlage. „Es geschah genau das Gegenteil von dem, was man erwartet hatte“, gluckste Arthur Rudin, der die Module installiert hatte und regelmäßig wartete. „Aus diesem Grund war man von der Technik begeistert.“ Mitchell beschrieb es so: „Rex zeigte Southern Railway, dass Solarenergie funktionierte.“
Während das Solar-Experiment in Rex reibungslos weiterlief, befand sich Southern Railway an der Trestle-Brücke am Pontchartrain-See unweit von New Orleans mitten in einem Dilemma. Gerade erst waren farbige Signalleuchten installiert worden, die mehr Strom benötigten. Eine Versorgung über das Stromnetz war nicht möglich. „Meilenweit gibt es hier nur sumpfiges Gelände“, so Bob Mitchell. Es hätte ein Vermögen gekostet, Masten im See zu verankern, und Masten auf dem danebenliegenden Deich zu platzieren war aufgrund der Hochwasserschutzbestimmungen nicht möglich. So versuchte es Southern Railway mit einem mit Flüssigpropangas betriebenen thermoelektrischen Generator. Unglücklicherweise zog dieser in der Abenddämmerung Mückenschwärme aus dem Schilf im Sumpf an. Beim Flug über den Luftkanal versengten sich die Insekten die Flügel und fielen in den Generator hinein. Es sammelten sich so viele tote Mücken an, dass die Luftzufuhr des Motors verstopfte. Wie sehr man auch sprühte – die Mücken konnte man nicht fernhalten.
Batterien Marke Eigenbau
Daraufhin nahm die Bahngesellschaft Abstand von den thermoelektrischen Generatoren und testete den Einsatz von nicht wiederaufladbaren Primärbatterien. Die Gleisarbeiter von Southern Railway bauten ihre eigenen Primärbatterien zusammen. Für deren Herstellung gossen sie Wasser und Schwefelsäure in ein Gefäß mit einer Bleiplatte. Für jedes Signal wurden 32 dieser Batterien benötigt, die zusammen fast 300 Kilogramm auf die Waage brachten. Die Batterien Marke Eigenbau funktionierten zwar, waren jedoch sehr wartungsintensiv. Am Pontchartrain-See waren Herstellung und Wartung der Batterien von allen Einsatzorten am kostenintensivsten, weil das Salzwasser des Sees nicht verwendet werden konnte und extra Süßwasser zu den Signalen geschafft werden musste. So war Southern Railway gezwungen, sich nach anderen Energiequellen umzusehen.
Der verstorbene J. T. Hudson, leitender Mitarbeiter in der Kommunikations- und Signalabteilung von Southern Railway, sagte dazu: „Wir hatten in Rex gute Erfahrungen mit Solarenergie gemacht, also war sie uns einen Versuch wert.“ Die Entscheidung wurde 1975 gefasst, und „die Module arbeiten immer noch“, bestätigt Bob Mitchell, der bei der Erstinstallation vor Ort war. Die einzige Sorge war salziges Spritzwasser. Wird die Salzschicht zu dick, dann laden die Module die Akkus nicht mehr ordnungsgemäß auf. Mitchell erklärte dazu: „Mit etwas Wasser und Seife kann man die Module säubern und abspülen, so einfach ist das. Dann sind sie für die nächsten zwei bis drei Monate wieder einsatzbereit.“
Wachsendes Vertrauen in die Technik
Durch den Erfolg am Pontchartrain-See wuchs das Vertrauen in die Technik. Daraufhin setzte Southern Railway sie verstärkt ein – besonders für die Gleisfreimeldeanlage. Was die Flugsicherung bei Flugzeugen ist, das ist die Gleisfreimeldeanlage bei der Bahn: Zwischen den Zügen wird ein Mindestabstand eingehalten, um Frontalzusammenstöße und Auffahrunfälle zu vermeiden. In Anwesenheit eines Zuges verändert sich die Stromstärke im Schienenstrang. Ein Decoder misst diese Veränderung, interpretiert sie und schaltet dann Signale und Weichen, um für alle Züge in der Umgebung eine sichere Durchfahrt zu ermöglichen. Vor 1976 kamen bei Southern Railway die nicht wiederaufladbaren, selbst in Gefäßen hergestellten Batterien ebenfalls für die Gleisfreimeldeanlage zum Einsatz. Kosten verursachte jedoch nicht nur der Arbeitsaufwand, den die Batterien erforderten, sondern auch neue gesetzliche Bestimmungen wie etwa die Regelung zur Offshore-Entsorgung. Bob Mitchell erklärte: „Bevor Umweltschutz von Bedeutung war, konnten wir Schwefelsäure einfach neben den Gleisen entsorgen. Jetzt sollte man sich dabei lieber nicht erwischen lassen! Wir dürfen die Batterien noch nicht einmal selbst entsorgen. Wir müssen jemanden beauftragen, das für uns zu tun.“ Wie auch bei Offshore-Plattformen haben gesetzliche Umweltschutzmaßnahmen der Photovoltaik Auftrieb gegeben.
Durch eine weitere Regierungsanordnung sind einige Dienstwagendächer bei Southern Railway mit Solartechnik ausgestattet worden. Zudem ist seit 1976 aufgrund einer US-weiten Regelung Rückbeleuchtung an Zügen vorgeschrieben.
Dienstwagen auf Langstrecken hatten genug Strom, um der Regelung zu entsprechen, Dienstwagen auf Regionalstrecken jedoch nicht. Zunächst versuchte man, den Strom mithilfe eines Keilriemens an der Hinterachse des Dienstwagens zu erzeugen. Bei der Fahrt sollte sich der Riemen dann drehen und Strom erzeugen. Er löste sich jedoch unentwegt, und die ständige Vibration zerstörte das Generatorsystem. Wieder einmal wandte sich Southern Railway der Photovoltaik zu. Anfang 1979 waren testweise zwölf Solarinstallationen in Betrieb. Sie funktionierten so hervorragend, dass Southern Railway alle 80 auf Regionalstrecken eingesetzten Dienstwagen auf Solarenergie umstellte. Dazu bemerkte John F. Norris, Leiter der Kommunikations- und Signalabteilung bei Southern Railway: „Soweit uns bekannt ist, wurde hier zum ersten Mal Solartechnik auf Zügen eingesetzt.“
Angst vor Haftungsfragen
Trotz des Erfolgs in Rex (Georgia) setzt Southern Railway an anderen abgelegenen, ungeschützten Bahnübergängen bisher keine Solarenergie ein. Das muss von der US-Regierung erst noch vorgeschrieben werden. Dennoch werden einige Bahnübergänge in den Vereinigten Staaten mit Solarstrom betrieben, wie etwa entlang der Strecke von Burlington Northern Santa Fe in Ost-Arizona und in der Nähe von Phoenix. „Diese Region bietet sich aufgrund der ganzjährigen satten Sonneneinstrahlung für jede Solaranwendung geradezu an“, sagte James Le Vere, Manager für spezielle Bahnprojekte, und fügte hinzu: „Diese Orte ans Stromnetz anzubinden hätte Hunderttausende Dollar gekostet. Hinzu kommt, dass viele Menschen die über die Bahnübergänge führenden Straßen benötigen, jedoch wesentlich weniger Bahnverkehr als auf einer durchschnittlichen Bahnstrecke herrscht.“ Folglich kommen die Bahnübergangssignale nur wenige Male am Tag zum Einsatz, wodurch sichergestellt ist, dass der in den Batterien gespeicherte Solarstrom stets ausreicht. Im Allgemeinen jedoch und besonders in nördlichen Breiten scheuen Bahngesellschaften davor zurück, Photovoltaik an Bahnübergängen einzusetzen. „Wenn die Batterien versagen und keiner bekommt es mit, dann ist die Katastrophe da“, so Le Vere. „Hier haben wir es dann mit der motorisierten Öffentlichkeit und vielen Gerichtsverfahren zu tun. Der Haftungsaspekt ist einfach zu heikel.“
Solarstrom hat der Bahn jedoch bereits dabei geholfen, sich von der Last der Strommasten zu befreien, die stetige Wachsamkeit und Wartung erfordern. Anfänglich wurden beim Bau von Bahnstrecken Telegraphenleitungen gleich mitinstalliert, worüber die Bahnhöfe zunächst telegraphisch und später auch telefonisch über Ankünfte, Verspätungen, den Zustand der Strecke und andere für den sicheren und reibungslosen Betrieb der Bahn wichtige Umstände informiert wurden. Als man Mitte der 1970er Jahre dann drahtlos über Mikrowellen kommunizieren konnte, war kabelgebundene Telekommunikation überholt.
Kansas City Southern war führend beim Ablegen der veralteten Technologie, weil sich die Wartung der Stromkabel an den Strecken des Unternehmens in Louisiana und Arkansas als besonders schwierig erwiesen hatte. Die lange Vegetationsperiode in der Region bedeutete für das Wartungspersonal zusätzliche Arbeit. „Wir mussten gegen die Vegetation, vermodernde Masten und Hurrikan-Schäden ankämpfen“, beschwerte sich Stanley Taylor, Ingenieur bei Kansas City Southern, in der Kommunikations- und Signalabteilung. „Wir mussten gegen alles ankämpfen, was durch viel Sonne und Regen verursacht wird.“
Taylor räumte ein, dass sein Unternehmen nach dem Abbau der Masten eine Anbindung an einen Energieversorger zum Betrieb der Gleisfreimeldeanlage bevorzugt hätte. Es war jedoch nicht zu rechtfertigen, tausende Dollar aufzuwenden, um eine Anlage mit niedrigem Energiebedarf zu betreiben. Die Ausgabe hätte sich niemals amortisiert. Kansas City Southern lehnte autonome Dieselgeneratoren als Ersatz-Energiequelle ab, weil laut Taylor „Dieselgeneratoren eine ineffiziente und veraltete Technologie sind“. So entschied man sich 1977 für die Nutzung von Solarenergie überall dort, wo die Anbindung durch einen Stromversorger nicht möglich war.
Problematische Details gelöst
Andere Bahngesellschaften ziehen nach, wenngleich der korrekte Einsatz der neuen Technik einen Lern- und Zeitaufwand bedeutet. In den nördlichen Bundesstaaten haben Bahngesellschaften es schwerer, den Umgang mit Photovoltaik in den Griff zu bekommen. Dort müssen die Akkus während der kurzen Wintertage mit häufigen Bewölkungsphasen einen hohen Ladestand haben. Im Sommer hingegen dürfen sie nicht überladen werden, wenn die Sonne um fünf Uhr morgens auf, und gegen 21 Uhr wieder untergeht. Kansas City Southern hat das knifflige Problem gelöst, indem das vorhandene Modul um ein Zusatzmodul erweitert wurde. Dieses Zusatzmodul kann problemlos aufgestellt und eingebunden und so an sonnenarmen Tagen neben dem permanenten Modul betrieben werden. Im Sommer wird es vor der Sonne verborgen, um eine Akku-Überladung zu vermeiden.
„Im Verlauf der Jahre haben Bahnunternehmen viel über die Installation von photovoltaischen Systemen hinzugelernt und große Schritte unternommen, um die Ausfallsicherheit zu erhöhen“, teilte James Le Vere mit. „Je nach Anschlusskosten durch den Stromanbieter sehen viele Gesellschaften die Verwendung von Solarenergie zum Betrieb ihrer Anlagen als eine attraktive Alternative zur Netzstromanbindung. Die Gesellschaften haben sich nicht aufgrund ihres sozialen Verantwortungsgefühls der Solarenergie zugewandt. Je nach Situation entspricht die Solarenergie ihren Bedürfnissen einfach mehr als alle anderen Energiequellen.“
Das nächste Kapitel handelt vom Einzug der Photovoltaik in die Kommunikationstechnologie.