Seit 1982 ist Udo Möhrstedt in der Solarbranche tätig. Auf Besuch bei IBC Solar in Bad Staffelstein erzählt er spannende Anekdoten, blättert in alten Geschäftsberichten. Und er sagt: Das vergangene Jahrzehnt ließ unsere Industrie reifen.
Herr Möhrstedt, Sie haben eigens für unser Gespräch den Geschäftsbericht von IBC Solar aus dem Jahr 2007 mitgebracht. Was dürfen wir daraus entnehmen?
Udo Möhrstedt: Wissen Sie, Herr Schwarzburger, man hat ja schon so vieles vergessen. Deshalb ist das auch für mich sehr interessant, noch einmal einen Blick in die Berichte zu werfen. 2007 resümierten wir gegenüber dem Vorjahr eine weiterhin starke Nachfrage. Wir wuchsen mit dem Markt, unsere Ertragslage verbesserte sich. Doch damals gab es einige Engpässe und Unwägbarkeiten. Ich erinnere mich: Silizium war ein knappes Gut. Damals waren Spotmarktpreise von 200 US-Dollar je Kilogramm keine Seltenheit.
Woran erinnern Sie sich persönlich?
Wir haben damals an Ersol und Q-Cells enorme Vorkasse für Wafer und Solarzellen gezahlt, damit wir überhaupt Solarzellen bekamen. Die Nachfrage in Spanien boomte, das war nach Deutschland der zweitwichtigste Markt, noch vor Japan und den USA. Die Nachfrage war so hoch, dass wir gar nicht alle Anfragen bedienen konnten.
Wie sind Sie mit der Knappheit an Zellen und Modulen umgegangen?
Wir haben unseren Kunden offen gesagt, dass wir nur 50 Prozent der Bestellung ausliefern können, aber das haben wir garantiert. Da waren wir offen und fair und haben rechtzeitig gesagt, dass es eng wird. Das wurde uns sehr hoch angerechnet.
IBC Solar hat sich von früh an als Partner der Handwerker verstanden. War es nicht verlockend, mehr große Brötchen zu backen?
Um unsere Fachpartner zu beliefern, haben wir sogar eigene Projekte zurückgestellt. Unabhängig davon haben wir in Spanien einige Projekte aufgebaut. 2007 hatten wir mit 1,3 bis 1,5 Gigawatt Gesamtzubau in Deutschland gerechnet. 2008 wurden es dann 1,6 Gigawatt.
Wegen des knappen Siliziums lagen die Systempreise damals deutlich höher als heute. Wie viel Umsatz hat IBC Solar im Jahr 2007 gemacht?
2006 lag unser Umsatz noch bei 288 Millionen Euro. 2007 haben wir ihn auf 559 Millionen fast verdoppelt. Um das ganze Umlaufvermögen zu finanzieren, mussten wir rund zwei Millionen Euro für Zinsen aufwenden. Ohne Vorkasse und Lagerhaltung lief nichts.
Woher haben Sie damals Ihre Solarmodule bezogen?
Unsere Zulieferer waren BP Solar, Sanyo und Kaneka. Aber sie konnten 2007 nicht ausreichend liefern, also begannen wir eine Zusammenarbeit mit Suntech, damals von Dr. Shi in Wuxi aufgebaut. Daneben kamen die ersten Lieferungen von Trina und Yingli. Wir haben seinerzeit auch Versuche mit Dünnschichtmodulen von CSG und Sulfurcell gemacht, aber diese Module erwiesen sich als zu leistungsschwach.
Wie viele Mitarbeiter hatte IBC Solar im Jahr 2007?
Damals hatten wir 175 Mitarbeiter, 50 mehr als im Vorjahr. 2008 waren es bereits 252 Mitarbeiter. Heute sind es 360 Mitarbeiter, davon 250 in Deutschland. 2009 haben wir rund 285 Megawatt abgesetzt, in diesem Jahr 2017 rechnen wir mit einem Absatz von 320-350 Megawatt.
Woran erinnern Sie sich außerdem, wenn wir über 2007 sprechen?
Damals begannen bereits die Debatten über die Neufassung des EEG, daran erinnere ich mich genau. Die Regierung kündigte eine höhere Degression an, von fünf Prozent auf mehr als neun Prozent. Bei den Lieferanten waren wir der Hahn im Korb, weil wir erhebliche Mengen abgenommen haben. Überall waren wir der größte Abnehmer. Mit dem Markteinbruch in Deutschland und dem Aufstieg anderer Märkte hat sich das natürlich geändert. Heute muss man mindestens 500 Megawatt im Jahr abnehmen, um nicht zerrieben zu werden. Das ist unser Ziel: Mindestens 500 Megawatt im Jahr zu verkaufen, um wieder ernst genommen zu werden.
Wir werden bald wieder über das EEG reden, nach der Bundestagswahl. Brauchen wir es noch?
Das EEG in der vorliegenden, bürokratischen und verkomplizierten Fassung brauchen wir sicher nicht. Aber in Deutschland geht so etwas nie einfach. Am Anfang war das EEG einfach, jetzt sehen Sie, was daraus geworden ist. Wir brauchen auf alle Fälle noch den Einspeisevorrang für die Photovoltaik bis zu den 52 Gigawatt und die Einspeisevergütung. Auch die Ausschreibungen, die im EEG geregelt werden, sind ein wichtiger Faktor im Markt. Auf alle Fälle müssen wir jetzt anfangen, darüber zu reden, was nach dem EEG kommen soll.
IBC baut weiterhin Solarparks. Nachher fahren wir nach Küps, um eine neue Anlage mit 3,5 Megawatt in Betrieb zu nehmen. Wie wird sich dieses Segment entwickeln, das vor zehn Jahren den Photovoltaikmarkt noch eindeutig dominiert hat?
Wir haben uns an den Ausschreibungen 2015 und 2016 beteiligt und waren 2017 sehr gut mit Projekten versorgt. Nun geht es darum, die Projekte für das kommende Jahr zu gewinnen. Wir haben 2017 bei den Ausschreibungen gesehen, dass die Preise unter sechs Cent je Kilowattstunde fielen. Projekte, die wir mit 6,1 oder 6,2 angeboten haben, kriegten wir nicht mehr durch. Bis 2020 hoffe ich, dass wir Projekte um fünf Cent anbieten können.
Das Interview führte Heiko Schwarzburger.
Lesen Sie hier den zweiten Teil der Interviewserie mit Udo Möhrstedt.