Wenn Adrian Schneider Photovoltaikanlagen montiert, verwendet er dafür das Montagesystem des Wilhelmshavener Herstellers Profinal. Auf die Erdung der Anlagen angesprochen, erklärt der Solarunternehmer seine Vorgehensweise. Erst legt er die Module mit den Klemmen des Gestellherstellers auf die Montageschienen auf. Dann zieht er die Klemmen kräftig an, damit Modul und Gestell fest miteinander verbunden sind. Das ganze Modulfeld ist über einen Schienenkreuzverbund miteinander verbunden, so dass er an einer Ecke nur noch ein Erdungskabel anschließen muss. „Die Klemmen haben eine starke Riffelung. Dadurch wird ausreichend Kontakt zwischen Modul und Gestell hergestellt“, sagtSchneider. Er weiß, dass es auch Klemmen mit Dornen gibt, die die Eloxierschicht des Modulrahmens durchdringen, um so eine leitende Verbindung herzustellen. „Wenn man es ganz perfekt machen will, nimmt man wahrscheinlich solche Klemmen. Mir reicht die Riffelung.“ Mit dieser Haltung würde Schneider bei einigen Experten auf Zustimmung stoßen, bei anderen auf Kritik. Die einen würden ihm unsachgemäße Arbeit vorhalten, weil er keine Klemmen mit Spitzen oder Schrauben mit Zahnradunterlegscheiben verwendet, die anderen würden genau das Gegenteil tun und ihn in seiner Vorgehensweise bestärken. Denn über die Frage, ob die Eloxierschicht der Modulrahmen für die Erdung leitend durchdrungen werden soll oder nicht, herrscht große Uneinigkeit in der Branche. Kratzen oder nicht kratzen, das ist hier die Frage.
Wer beginnt, sich neu mit dieser Frage zu beschäftigen, ist zunächst einmal mit vielen Begrifflichkeiten konfrontiert. Da ist von Potenzialausgleich und Erdung die Rede, von Blitzschutz und Überspannung. Erdung könne auch Funktionserdung des Gleichstromkreises sein. Die sei aber strikt von der Erdung der Modulrahmen zu trennen, erklären die Experten. Und Potenzialausgleich wird gleich noch in Schutz-Potenzialausgleich und Betriebs-Potenzialausgleich unterschieden. Beim Blitzschutz müsse man zwischen äußerem und innerem Blitzschutz trennen, lautet ein anderer freundlicher Hinweis. Dann heißt es, in den Normen sei alles erklärt, während die nächsten Ansprechpartner kritisieren, dass die Normen sich nicht genügend zur Erdung äußern. Um die Verwirrung komplett zu machen, erklärt ein in der Branche wohlbekannter Fachmann, Potenzialausgleich und Erdung seien dasselbe.
Drei Begriffe erklären viel
Derlei irritiert nicht nur eine Autorin, die kein Studium der Elektrotechnik nachweisen kann. Willi Kirchensteiner, Leiter des Bildungszentrums für Solartechnik (BZS) in München, bestätigt: „Es werden tatsächlich viele Begriffe zusammengewürfelt. Und die Begrifflichkeiten werden zum Teil widersprüchlich umgesetzt.“ Und auch Adrian Schneider, Elektroingenieur und seit neun Jahren Geprüfte Fachkraft für Solartechnik, wüsste gern, wie er denn nun normgerecht erden soll.
Drei Begriffe spielen zur Beantwortung der Frage eine Rolle: Potenzialausgleich, Erdung und Blitzschutz. Beim Potenzialausgleich werden alle metallischen Teile in und auf einem Haus so miteinander verbunden, dass sie das gleiche elektrische Potenzial haben. Auf diese Weise soll eine gefährliche Berührungsspannung zwischen leitenden Metallsystemen vermieden oder gar ein Überschlag in umliegende Installationen verhindert werden.
Der Potenzialausgleich ist die Voraussetzung für die Erdung, weshalb er häufig mit dieser durcheinander gebracht wird. „Erdung heißt, dass Elektrizität durch Ladungsunterschiede zur Erde abgeleitet wird“, erläutert Frank Ziegler, Ausbilder am Elektro Technologie Zentrum (ETZ) und dem angegliederten Solar Energie Zentrum (SEZ) in Stuttgart. Hierfür werden die metallischen Konstruktionen auf dem Dach, die zuvor per Potenzialausgleich auf die gleiche Spannung gebracht wurden, über ein Erdungskabel mit der Erde verbunden.
Allerdings: „Aus Sicherheitsgründen ist die Erdung nicht erforderlich“, sagt Burkhard Schulze. Schulze ist Vorsitzender des DKE-Arbeitskreises „Errichten von Photovoltaik-Anlagen nach DINVDE 0100-712“. Es sei nicht möglich, einen Schlag auf dem Dach zu bekommen, sagt er. Alle Photovoltaikmodule seien nach Schutzklasse II zertifiziert, die die elektrische Sicherheit gewährleistet. Ist eine Anlage den Richtlinien des Elektrohandwerks entsprechend installiert, so gehe keine Gefahr davon aus, sagt der Experte für das Elektrohandwerk. Auftreten könnten gleichwohl statische Aufladungen, die bei einem Monteur oder Kaminkehrer einen Schreck verursachen, fährt Schulze fort. Im schlimmsten Fall könne der Handwerker dadurch vom Dach fallen.
Wichtige Richtlinien zur Erdung | |
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Relevante Normen und Richtlinien | |
DIN VDE 0100-410 | Richtlinien zu Erdung und Pozenzialausgleich von Niederspannungsanlagen |
DIN VDE 0100-712 | Errichten von Niederspannungsanlagen |
VDE 0185-305/DIN EN 62305 | Ausführungsrichtlinien für Blitzschutzsysteme |
Definitionen rund um Erdung (Auszug aus DIN VDE 0100-200 (VDE 0100-200):2006-06) | |
826-13-18 Potenzialgleichheit | Zustand, bei dem leitfähige Teile annähernd gleiches elektrisches Potenzial haben [IEV 195-01-09] |
826-13-03 Erden | Herstellen einer elektrischen Verbindung zwischen einem gegebenen Punkt in einem Netz, in einer Anlage oder in einem Betriebsmittel und der örtlichen Erde [IEV 195-01-08] |
826-13-10 Funktionserdung | Erdung eines Punktes oder mehrerer Punkte eines Netzes, einer Anlage oder eines Betriebsmittels zu anderen Zwecken als der elektrischen Sicherheit |
826-13-02 Örtliche Erde | Teil der Erde, der sich in elektrischem Kontakt mit einem Erder befindet und dessen elektrisches Potenzial nicht notwendigerweise null ist [IEV 195-01-03] |
Hintergrund ist, dass die Schutzklasse II vereinfacht besagt, dass die Isolation zwischen Stromkreisen in einem Gerät und seinem Gehäuse so gut ist, dass keine Gefahr von den spannungsführenden Teilen ausgeht. Deshalb muss man bei diesen Geräten in der Regel keine Schutzerdung durchführen, die vor Isolationsfehlern schützt.
Potenzialausgleich und Erdung sind aber trotzdem notwendig für den Blitzschutz. Deswegen leiten sich die Auflagen für beide Tätigkeiten vom Blitzschutz her ab. „Liegt der Photovoltaikgenerator nicht in exponierter Lage und ist kein äußeres Blitzschutzsystem vorhanden und auch nicht geplant, wird empfohlen, die Funktionserdung des metallenen Photovoltaikmontagegestells zu gewährleisten“, sagt Burkhard Schulze vom Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) mit Verweis auf die DIN EN 62305-3. „Befindet sich die Anlage im Schutzbereich von Fangeinrichtungen, wird eine Funktionserdung des metallenen Montagegestells durchgeführt“, erklärt Schulze weiter. „Befindet sich die Anlage nicht im Schutzbereich von Fangeinrichtungen, so sind leitfähige Befestigungseinrichtungen – zum Beispiel Tragprofile – an die Haupterdungsschiene des Gebäudes anzuschließen“, zitiert Schulze eine dritte Regel.
Für alle Montagefälle gibt es übrigens Vorgaben für die Mindestquerschnitte der Leiter. Neben den Normen spielen auch die Landesbauordnungen eine Rolle. Bei öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Kindergärten sind Blitzschutzeinrichtungen Pflicht. Dann müssen auch PV-Anlagen geerdet werden.
Bis hierher herrscht Einigkeit unter den Experten. Kritischer wird es bei derFrage, ob zur Erdung des Montagegestells auch die Erdung des Modulrahmens gehört. Wer die Anleitungen der Modulhersteller konsultiert, findet verschiedenes. Einige verlangen, dass der Modulrahmen geerdet wird, andere geben lediglich an, dass das möglich sei, um die Anlage vor Blitzschlag zu schützen. Auch über die Methoden zur Erdung gibt es unterschiedliche Hinweise. Ein Hersteller etwa stellt es dem Installateur frei, ob er jeden Modulrahmen über ein kurzes Kabel mit dem Montagegestell verbindet oder ob er jedes Modul über ein kurzes Kabel mit seinem Nachbarmodul verbindet und erst am Ende der Modulreihe mit dem Gestell.
Aus Unsicherheit viel erden
Wie halten es also die Monteure mit der Erdung? Hier gehen die Meinungen auseinander. Frank Ziegler, Ausbilder am SEZ, bekommt durch seine weitere Tätigkeit als Sachverständiger viele Anlagen zu sehen. „Die meisten machen es immer. Aber auch nur, weil sie unsicher sind, ob sie es nun machen müssen oder nicht“, stellt er fest. Die Leitungsquerschnitte seien meistens „okay“, aber viele Erdungen seien „handwerklich unsauber“.
Letzterem stimmt Schulze vom ZVEH zu. „In der Praxis herrscht zu dieser Frage sehr viel Unkenntnis, bedingt auch durch die Tatsache, dass viele Unternehmen diese Arbeiten ausführen, obwohl sie es gar nicht dürften.“ Noch dazu würden diese solche Arbeiten auch noch ohne Aufsicht oder Anleitung machen. Schulze verweist in diesem Zusammenhang auf die Niederspannungsverordnung (NAV), die in Paragraf 13 zu elektrischen Anlagen besagt: „Die Arbeiten dürfen außer durch den Netzbetreiber nur durch ein in ein Installateurverzeichnis eines Netzbetreibers eingetragenes Installationsunternehmen durchgeführt werden.“ Auch Judith Engelmann, Produktmanagerin des Montagesystems TRIC bei dem Systemanbieter Frankensolar, ist nicht zufrieden mit dem, was sie in der Praxis sieht. „Viele Monteure verzichten zugunsten der Zeitersparnis auf den Potenzialausgleich der Modulrahmen“, klagt sie. Und Hans Urban, stellvertretender Geschäftsführer des Montagesystemherstellers Schletter, stellt fest: „Für die Einbeziehung der Module in die Gestellerdung braucht man Modul-Erdungsklemmen statt normaler Modulklemmen. Die kosten nicht sehr viel, aberheutzutage wird ja an jedem Cent gespart.“ Das ist der zweite Punkt, an dem sich die Experten nicht einig sind. Wie die leitende Verbindung zwischen Modulrahmen und Gestell hergestellt werden soll, darüber scheiden sich die Geister. Wenn Engelmann und Urban sich über die Frage „Kratzen oder nicht kratzen?“ unterhielten, könnte daraus ein interessanter Disput entstehen. Denn sie vertreten genau die entgegengesetzten Meinungen.
Kratzen: ja bitte!
Schletter bietet Modulklemmen mit Erdungsdorn an. „Der Erdungsdorn durchdringt die eloxierte Schicht des Modulrahmens und ermöglicht eine direkte Verbindung mit der Unterkonstruktion des Montagesystems, welches mit weiterem Zubehör zu erden ist“, erklärt Markus Seemüller von Schletter. „Wenn der Modulrahmen mitgeerdet werden soll, so geht das nur mit Durchbrechen der Eloxalschicht“, bekräftigt Hans Urban. „Denn das Eloxal ist per Definition ein Isolator.“ So sieht es auch Willi Kirchensteiner vom BZS. „Die Eloxierschicht muss angekratzt werden, um eine gut leitende Verbindung herzustellen“, sagt er. Zur Begründung zieht er eine Standardregel der Technik aus der Norm VDE 0100 heran. „Zu allen leitenden Teilen, die unter Umständen Blitzstrom führen, müssen alle Verbindungen unter einem Ohm liegen“, zitiert er. „Bei Aluverbindungen kann man das nur mit Dornen oder Schrauben mit Dornen erreichen“, betont Kirchensteiner.
Sein Kollege Frank Ziegler vom SEZ in Stuttgart pflichtet ihm bei. „Das Durchdringen ist wichtig, um eine Niederimpedanz herzustellen.“ Damit meint er einen niedrigen Widerstand. „Eloxal wirkt isolierend. Das würde dem widersprechen.“ Die Diskussionen, dass das Ankratzen der Eloxierschicht zu Korrosion führen könnte, kennt Ziegler. Doch das bringt ihn nicht von seiner Meinung ab.
Kratzen: nein danke!
Die entgegengesetzte Meinung vertritt Judith Engelmann von Frankensolar. Sie hält die mechanische Bearbeitung des Rahmens für problematisch. Engelmann fürchtet um die Herstellergarantie und sieht zudem Stabilität und Korrosionsbeständigkeit des Modulrahmens gefährdet. „In den meisten Fällen ist eine leitfähige Verbindung zum Potenzialausgleich über Montagebohrungen an der Modulrahmenrückseite besser umzusetzen. Diese Bohrungen werden werksseitig erst nach dem Eloxieren des Rahmenprofils gesetzt, sind damit innen blank und entsprechend leitfähig“, meint Judith Engelmann. Sie empfiehlt, das gleichzeitig mit der restlichen Verkabelung des Moduls zu machen. Da sei man sowieso gerade unter dem Modul zugange und der Aufwand halte sich in Grenzen.
Solargutachter Christian Keilholz von Solarklima stimmt Judith Engelmann zu, was die Verletzung der Eloxierschicht angeht. Er sagt: „Vorsicht ist geboten, wenn das Herstellen der leitfähigen Verbindung mit der Beschädigung des Modulrahmens verbunden ist. Es können dadurch, auch bei nur geringen Beeinträchtigungen, Gewährleistungs- und Garantieansprüche erlöschen. Falls man das Prinzip beibehalten will, sollte eine Freigabe des Modulherstellers eingeholt werden.“ Sich auf den Schutzklasse-II-Status von Modulen zu berufen und den Modulrahmen nicht in den Potenzialausgleich und in die Erdung einzubeziehen, hält er auch für problematisch. „Aufgrund der stark belastenden Witterungsbedingungen muss dieser im Laufe der Betriebszeit nicht bestehen bleiben.“ In der Vergangenheit sei es schon häufig passiert, dass sich die Isolationseigenschaften von Modulen negativ verändert hätten, berichtet Keilholz.
Burkhard Schulze vom ZVEH verweist bei dieser Frage auf die Normen zum Blitzschutz, äußert sich aber weder für noch gegen das Ankratzen des Modulrahmens. Wie alle anderen Experten, rät er jedoch eindringlich dazu, die Montageanleitungen der Hersteller von Modulen und Wechselrichtern bezüglich des Potenzialausgleichs und der Erdung zu befolgen. Darin wird darauf hingewiesen, wie ordnungsgemäß zu erden ist und ob am Modulrahmen bereits Bohrungen oder andere Einrichtungen angebracht, die eine laut Hersteller korrekte Erdung ermöglichen. Um die Verwirrung perfekt zu machen: es gibt solche, die verlangen „eine Zahnunterlegscheibe, die die Rahmenoberfläche ein wenig einkerbt“, oder dass die Bohrlöcher auf der Rückseite „mit selbstfurchenden Schrauben verschraubt werden“, und es gibt andere, die verlangen es nicht.