Wie sind Sie dazu gekommen, den Qualitätsverband Solar- und Dachtechnik zu gründen?
Ich bin seit 17 Jahren zum Thema Qualitätsmanagement im Dachbereich tätig, habe Kunden im Dachdeckerhandwerk, die nach ISO 9001 zertifiziert sind, und habe neun Jahre lang eine Gütegemeinschaft im Bereich Ausführung von Dachabdichtungen geführt. In Gesprächen mit Unternehmern der Branche Anfang 2010 haben wir festgestellt, dass sich in Sachen Solaranlagen auf den Dächern viel tut und dass einiges passiert, was nicht gut ist. Teilweise wird von Handwerkern, denen schlicht das Know-how fehlt, in Dachkonstruktionen geschraubt und eingegriffen. Daraufhin habe ich geprüft, welcher der bestehenden Verbände sich um das Thema Qualitätssicherung und Erarbeitung von Regeln im Bereich Solar- und Dachtechnik kümmert. Mein Fazit: Es gab keinen, der brachen- und gewerkeübergreifend Aktivitäten zur Erstellung von Qualitätsstandards hinsichtlich Planung und Ausführung von Solaranlagen auf Dächern zeigte.
Und wie haben Sie dann Solarunternehmen gewonnen?
Wir waren auf der Bau 2011 das erste Mal in der Öffentlichkeit. Wir haben dann festgestellt, dass für Solarhersteller der Dachbereich die große Unbekannte war und sie sehr offen dafür waren, mit uns zusammenzuarbeiten. Etliche haben gesagt: Der Zugang zum Dach fehlt uns, und dieser Verband ist wichtig, damit ein Know-how-Austausch stattfindet. Im QVSD wollen wir branchen- und gewerkeübergreifend arbeiten und insgesamt die Branche Solar und die Branche Dach zusammenbringen. In den Bereichen Solartechnik gibt es zwar für die Elektrotechniker und Installateure ihre entsprechenden Berufsorganisationen und im Dachbereich den Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks, der ein eigenes Regelwerk hat. Aber keiner arbeitet branchen- und gewerkeübergreifend.
Sie richten sich auch an Installateure. Was wollen Sie ihnen bieten?
Schwerpunkt des Verbandes ist, Planung und Ausführung hinsichtlich Qualität zu verbessern, Qualitätsstandards zu definieren, zu etablieren, uns für die Zusammenarbeit der Fachleute einzusetzen, also Öffentlichkeitsarbeit für die Zusammenarbeit aller Fachleute zu machen und Know-how durch Veranstaltungen, Seminare und Weiterbildungen zu vermitteln. Wir wollen uns dabei um die Solaranlagen auf und an Gebäuden mit dem Schwerpunkt Dach, aber auch an der Fassade kümmern.
Apropos gewerkeübergreifend – wenn ich in die Qualitätsmerkblätter hineinschaue, sind als Erstes über 20 Beteiligte aufgelistet, die mit der Planung und dem Bau einer Anlage
zu tun haben. Müssen es wirklich immer so viele sein?
Das müssen natürlich nicht in jedem Fall alle sein. Wichtig ist, dass der Bauherr als Verantwortlicher – und das ist in der Gesetzgebung auch so geregelt – geeignete Fachleute einsetzt. Wenn er diese Fachkompetenz nicht selbst hat, muss er entsprechende Fachplaner einsetzen. Je nach Größenordnung und Bedeutung des Projekts ist es wichtig, dass bestimmte Funktionen erfüllt werden. Bei Solaranlagen in Größenordnungen, die die normale Planungsleistung eines Standard-Hausplaners überschreiten, sind dann auch Fachplaner beispielsweise für Bauphysik, Statik oder Blitzschutz und ebenso die verschiedenen Gewerke zur Ausführung im Spiel. Beim Flachdach sollten zum Beispiel unbedingt auch Dachabdichtungsunternehmen eingeschaltet werden, die das Know-how für alle Fragen derAbdichtung haben. Noch vor zwei Jahren wurden 85 Prozent der Solaranlagen auf Dächern von Solarteuren, Elektrotechnikern und Installateuren installiert und nur 15 Prozent vom Dachhandwerk, also von Dachdeckern, Zimmerern und Klempnern. Eine Folge davon ist, dass Dachtechnik und entsprechende Anforderungen oft vernachlässigt wurden.
Bei großen Anlagen ist genug Geld im Spiel, um alle Gewerke zu involvieren. Bei der kleinen Fünf-Kilowatt-Anlage auf einem Hausdach für vielleicht 8.000 Euro aber nicht. Kann man da alle Gewerke involvieren?
Nein, das ist auch nicht notwendig. Nur ist da die Frage: Wer ist das Handwerksunternehmen meines Vertrauens? Der Elektrotechniker kann ja auch einen Dachdecker in seinem Unternehmen haben oder als Subunternehmer einschalten, oder umgekehrt kann der Dachdecker einen Elektrotechniker einbringen. Wenn jeder der Beteiligten mit Kompetenz, Sachverstand und Erfahrung vorgeht, dann muss das nicht kostentreibend sein. Es geht alleine schon um den ersten Besuch, um die Bestandsaufnahme, bei der die baulichen Voraussetzungen und Unterlagen gesichtet werden. Von welcher Basis gehe ich aus? Wie ist die Bausubstanz? Ist es ein Flachdach? Welche Dachabdichtung liegt drauf? Ist es ein geneigtes Dach – mit Dachziegeln oder Dachsteinen? Oder ist es ein Metallleichtdach? Wie alt ist es? In welchem Zustand ist es?
Was ist der Unterschied Ihrer Qualitätsmerkblätter zur Normung?
Die Normung ist ein Prozess, der sehr langfristig läuft. Wir wollen zunächst mit unseren Merkblättern erste Bausteine in Richtung Richtlinienerstellung geben. Sukzessive wollen wir aber über unsere Arbeitskreisarbeit, natürlich auch über unsere Mitglieder und in Kooperation mit den betroffenen Verbänden und Fachkreisen, unsere Arbeitsergebnisse in die Normenarbeit einbringen.
Wenn sich der Installateur an die Merkblätter hält: Was hat er davon, auch wenn sie nicht den Rang einer Normung haben?
Er bekommt Hilfen für seine tägliche Arbeit, die ihn schützen, Fehler zu machen, die ihn viel Geld oder sogar die Existenz kosten können. Er kann sie dazu wie eine Art Checkliste nutzen. Wenn der Elektrotechniker sich mit Dachtechnik nicht wirklich auskennt und zum Beispiel nicht die Bedeutung einer Dampfsperre kennt, wird er über die Hinweise in den Merkblättern dafür sensibilisiert, dass er bestimmte Zusammenhänge zu beachten hat, wenn er für die Befestigung der Solaranlage in die Dachfunktionsschichten eingreift. Die in den Qualitätsmerkblättern formulierten Regeln entsprechen den aktuellen Erkenntnissen und somit dem Stand der Technik und sind damit wichtiger für ihn, als eine nicht aktualisierte Norm zu erfüllen.
Wie können die Merkblätter den Status erreichen, dass
sie die gute fachliche Praxis definieren, die zum Beispiel im Zusammenhang mit Versicherungen relevant sind?
Die Hinweise in den Merkblättern sind sehr sorgsam und verantwortungsvoll zusammengestellt worden. Es haben Vertreter aller Produktbereiche aus Solar- und Dachtechnik mitgearbeitet. Außerdem waren Handwerk, Fachplaner, Sachverständige, Mitarbeiter aus Prüfanstalten und Wissenschaft inArbeitskreissitzungen aktiv dabei. Einen unserer Arbeitskreise leitet ein Rechtsanwalt, der seit vielen Jahren schwerpunktmäßig im Bereich regenerativer Energien arbeitet. Insgesamt haben wir in 16 Sitzungen Konzepte für unsere Richtlinienarbeit und als erste Bausteine die Qualitätsmerkblätter erarbeitet. Wir gehen davon aus, dass die Merkblätter zukünftig den Status anerkannter Regeln der Technik erhalten werden. Auch dass sich zum Beispiel die Versicherungen zukünftig an entsprechenden Qualitätsstandards orientieren werden, ist zu erwarten.
Sie haben diese Qualitätsfachblätter innerhalb gut eines Jahres erarbeitet. Warum geht das bei Ihnen so schnell im Vergleich zur Normung?
Es ist vielleicht der Vorteil, dass wir keine gestandene überorganisierte große Organisation sind. Ich selbst habe außerdem den Vorteil, dass ich seit 30 Jahren in der Dachbranche aktiv tätig bin und mich auch mit dem Thema Zertifizierung und Qualitätsmanagement intensiv seit vielen Jahren auseinandergesetzt habe. In einem so jungen Verband kann vieles unkompliziert, schnell und direkt passieren. So haben unsere Qualitätsmerkblätter auch nicht den Anspruch, komplette und perfekte Kompendien zu sein. Das war nicht die Idee. Es ist wichtig, dass die Praktiker nicht einige Jahre auf Normen warten müssen, sondern dass sie bis dahin schon etwas in die Hand bekommen, womit sie arbeiten können. Bei den Arbeitskreissitzungen war das Ziel, dass nach einem Jahr zumindest ein Papier vorliegen sollte, ob eine Seite, zwei oder zehn Seiten war zunächst egal. Der Markt sollte die wichtigsten Hinweise und Regeln erfahren, die in der Zusammenstellung noch in keinem anderen Regel- und Normwerk zu finden sind.
Ich muss noch einmal nachfragen. Was ist bei Ihren Merkblättern denn dann inhaltlich anders als in der Normung?
Wir wollten ein Hinweispapier schaffen, indem wir die wichtigsten Hinweise zusammenfassen, die unbedingt beachtet werden müssen, damit keine großen Fehler passieren. Wir wollen nicht die Regeln zu den ganzen Technologien und zu allen Werkstoffen in einem Regelwerk zusammenfassen. Dann würde es sofort ein unpraktikables Riesenkompendium. Wir wollen stattdessen unabhängig von bestehenden Normen und Richtlinien sagen, was gewerkeübergreifend wichtig und zu beachten ist, wenn so verschiedene Handwerker zusammenkommen. Der wichtigste Punkt ist die Grundlagenermittlung im Planungsbereich vor Montage der Solaranlagen. Es müssen zunächst die statischen Grundlagen ermittelt und dann später projektbezogen das geeignete System gewählt werden, das sowohl solartechnisch als auch dachtechnisch passt. Wichtig sind auch die Hinweispflichten, die wir explizit aufgenommen haben. Wenn verschiedene Gewerken zusammenarbeiten, muss jeder Beteiligte immer den Zustand dokumentieren und aufzeigen, auf welcher Basis er seine Arbeit aufgebaut hat. Das fängt schon damit an, dass man sich bei der Dachbegehung zum Beispiel ansieht, sind die Dachsteine noch in Ordnung? Oder sind sie schon teilweise gebrochen? In welchem Zustand befindet sich das Dach insgesamt?
Auch der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) hat bereits Regeln für den Bau von Solaranlagen erarbeitet. Worin unterscheiden sie sich konkret von Ihren Merkblättern?
Das Merkblatt des ZVDH enthält viele gute Aussagen, die wir auch nicht besser machen können und auf die wir auch jederzeit verweisen, weil wir sie für richtig halten. Das Ganze ist aus der Betrachtungsweise des Dachdeckerhandwerks formuliert. Wir behandeln in unseren Merkblättern aber den kompletten Aufgabenbereich gewerkeübergreifend. Das heißt, wir wollen konkrete Hilfen für alle beteiligten Gewerke geben, also auch für die Elektrotechniker und Installateure. In diesem Bereich ist das Fachregelwerk des Dachdeckerhandwerks weitgehend unbekannt. Deshalb sind in unseren Merkblättern gerade die Punkte mit konkreten Hinweisen zur Vorgehensweise aufgeführt, die für alle wichtig sind. Zum Thema Statik und Lastannahmen verweisen wir nicht auf die Zuständigkeit anderer, sondern geben die derzeit zu praktizierenden Planungsansätze für alle Komponenten der Solaranlage und der Dachkonstruktion an.
Was ist zum Beispiel ein Punkt, der den Blick auf das Gesamte zeigt?
Zum Beispiel das Thema „Führung elektrischer Leitungen“. Hier sind zunächst die Fachleute aus dem Bereich Solartechnik angesprochen hinsichtlich zu beachtender Regeln. Sobald dann die Kabel ins Gebäudeinnere geführt werden, ist die Dachtechnik involviert. Also sagen wir allen Beteiligten, was dabei insgesamt zu beachten ist.
Was sagen die anderen Verbände dazu, dass Sie sich um diese Themen kümmern?
Seit Gründung sind wir sehr offensiv auf alle betroffenen Verbände zugegangen, auf den BSW-Solar im Solarbereich und auf die Verbände aus den anderen Bereichen. So haben wir gleich zu Beginn unserer Marktarbeit ein Grundsatzgespräch mit dem Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks, das heißt mit Präsidium und Hauptgeschäftsführung, geführt. Sie begrüßen unsere Initiative, haben uns zwar auch klar darauf hingewiesen, dass sie das Fachregelwerk des deutschen Dachdeckerhandwerks schreiben, dass wir uns aber gerne beteiligen können. Insgesamt habe ich aber immer noch das Gefühl, dass viele Verbände eine Art vornehme Zurückhaltung haben und sagen: Lasst uns erst mal schauen, was aus dem QVSD wird, bevor wir uns da auch offensiv austauschen. Vielleicht weil sie die Sorge haben, dass wir in Bereiche eingreifen, für die sie sich zuständig fühlen. Ich wünsche mir jedenfalls eine offene Kooperation mit allen Verbänden und Organisationen, die an der Qualitätssicherung im Solaranlagenbau auf und an Gebäuden interessiert sind. Wir sollten nicht separat aneinander vorbeiarbeiten, sondern unser Wissen und unsere Aktivitäten für diese gemeinsame Zielsetzung bündeln.