Christian Seidl ist eigentlich Autotuner mit Leib und Seele. Seit 18 Jahren fertigt der Kfz-Meister in seiner Landauer Werkstatt individuelle Kunstfaserspoiler und Tuningteile für höchste Automobilansprüche großer Automarken. Seine Kunden sind über die ganze Welt verteilt. Doch die Umsätze beim Tuning sinken von Jahr zu Jahr. Deshalb hat sich der Tüftler nun ein kleines, aber wirkungs volles Bauteil für die Solarbranche ausgedacht. Den Roofprotector.
„Mein Elektriker hat mir von Ziegelbruch unter einer Photovoltaikanlage erzählt“, sagt Seidl. Ein Jahr nach der Installation waren schon Ziegel gebrochen. Der Elektromeister musste selbst für den Schaden aufkommen. Ob man nicht Ziegel aus Glasfaser herstellen könne, um das zu verhindern, wollte der Photovol taikinstallateur vom Autotuner wissen. Seidl machte sich an die Arbeit, um eine passende Lösung zu finden, zum Schutz der Ton- und Betondachsteine. Ihm schwebte ein Druckpunktverteiler vor, der die Last von Schnee und Wind, die auf einen Dachhaken fällt, flächig auf den Dachstein verteilt. Das Produkt sollte einfach und schnell zu montieren sein und dabei möglichst wenig kosten.
Mit seinem Druckverteiler stößt Seidl bei vielen Installateuren auf offene Ohren. Unter Photovoltaikmodulen auf Satteldächern kommt es immer wieder zu Ziegelbruch. Häufig bemerkt der Hausbesitzer den Schaden unterhalb der Solaranlage erst spät. Dann nämlich, wenn schon so viel Wasser durch die undichten Stellen in die darunterliegende Dämmschicht gelaufen ist, dass die Feuchtigkeit im Innenraum austritt. Für diese Schäden haftet der Solarteur, wenn sich herausstellt, dass er die Unterkonstruktion nicht exakt nach den Angaben des Herstellers eingebaut hat. Deshalb muss er sich gut überlegen, ob er nicht spezielle Systeme verwenden will, mit denen sich Ziegelbruch verhindern lässt. Im Idealfall sollten sie keine großen Zusatzkosten verursachen.
Dachhaken, sogenannte Sparrenanker, bilden die Schnittstelle zwischen der Dachkonstruktion eines Satteldachs und dem Montagesystem der Photovoltaikanlage. Die s-förmigen Metallhaken werden an den Sparren verschraubt, entlang des darunterliegenden Dachsteins nach vorne geführt und von dort aus über die Dachhaut. Ist die Last, die auf den Sparrenanker einwirkt, zu groß, verbiegt er sich nach unten. Wenn er dadurch auf dem Dachstein aufliegt, kann es schon zu spät sein – der Ziegel bricht. Denn die Ziegel können der Last, die durch den Haken auf einen Punkt geleitet wird, nicht lange standhalten.
Metall gegen Gummi
Es gibt etliche Möglichkeiten, Ziegelbruch zu vermeiden. Zum Beispiel auch Dachpfannen aus Metall. Sie ersetzen jeweils den Ziegel unterhalb eines Dachhakens und garantieren damit ein dauerhaft dichtes Dach. Außerdem stellen sie den Handwerker vor eine logistische Herausforderung. Denn jeder Dachziegeltyp braucht das passende Modell der Blechbedeckung. An dieser Stelle setzt Seidl mit seinem Roofprotector an – einer für alle. Und das zu einem günstigen Preis.
Nach etlichen Klebe- und Belastungstests in seiner Werkstatt hat Seidl eine Unterkonstruktion geschaffen, die Höchstlasten bis 450 Kilogramm trägt. Den 30 auf fünf Zentimeter großen Druckpunktverteiler fertigt er aus Kunststoff mit Glasfaseranteil. Durch den Glasfaseranteil hält das Bauteil hohen Drucklasten stand, der Kunststoff macht es unempfindlich gegen UV-Licht, Temperaturschwankungen und Nässe. Hier ist Seidl in seinem Element. Seit 25 Jahren beschäftigt er sich mit witterungsbeständigen Bauteilen aus Kunststoffmaterialien.
Für die Montage klebt der Installateur den Kunststoffriegel mit einem zähflüssigen Kleber quer über den Ziegel unterhalb des Dachhakens. Die Klebemasse gleicht die Formunterschiede zur Ziegelwölbung aus. So passt das Bauteil auf viele verschiedene Ziegelformen. Ein zusätzlicher Metallwinkel verbindet schließlich den Dachhaken mit dem Druckverteiler. Die Tests an seinem neuen Produkt führte der niederbayrische Erfinder mit einer Pumppresse durch, die er eigentlich für Autoteile entwickelt hatte. Jetzt soll auch der TÜV die Qualität der schmalen Platte aus Kunststoff und Glasfaser bescheinigen, sagt Seidl.
Ziegelbruch ist vermeidbar
Doch warum brechen überhaupt Ziegel unter Photovoltaikanlagen? Und ist es bei fachgerechter Montage trotzdem notwendig, Zusatzmittel, wie Metalldachpfannen oder Druckverteiler, zum Schutz der Dachziegel einzubauen? Wenn sichergestellt werden könnte, dass sich die Sparrenanker auch unter der zu erwartenden Schnee- und Windlast nur minimal verformen, so dass immer genügend Abstand zum darunterliegenden Ziegel bleibt, würde man die teureren Zusatzbauteile nicht benötigen. Um das zu gewährleisten, muss der Installateur den Hakentyp und die Anzahl der Dachhaken entsprechend den Wind- und Schneelasten auswählen, die in dieser Region zu erwarten sind. Je nach Material – stranggepresstes Aluminium, Alu-Druckguss, Edelstahl verschiedener Güten oder andere Stahlarten – und Geometrie können sie unterschiedlich starke Belastungen aufnehmen.
„Ziegelbruch ist ein Qualitätsproblem“, sagt deshalb Rainer Kohlenberg, bei der Mannheimer Versicherung zuständig für Photovoltaikanlagen. Wer das System fachgerecht ausführt, braucht seiner Mei nung nach keine Sonderbauteile gegen Ziegelbruch. Kohlenberg spricht von drei möglichen Ursachen für das Schadensbild: schlechte Komponenten, schlechte Planung und schlechte Ausführung.
Schwachpunkt Dachhaken
Das Problem: Aussagekräftige Datenblätter, die die Belastbarkeit der Dachhaken in Zahlen belegen, sind Mangelware. Doch um die Anzahl und Position der Dachhaken zu berechnen, muss der Installateur wissen, welchen Druck- und Zugkräften der einzelne Haken standhält. Ohne diese Zahlen oder eine entsprechende vom Hersteller mitgelieferte Software kann der Installateur die Produkte nicht miteinander vergleichen und die Unterkonstruktion nicht verlässlich planen. Rainer Kohlenberg rät deshalb dazu, zertifizierte Komponenten zu verwenden.
Zertifizierte Komponenten sind in der Tat sinnvoll. Der Planer kann sicher sein, dass sie die Belastung aushalten, für die sie ausgelegt sind. Dafür lassen die Hersteller ihre Komponenten entsprechend der Deutschen Industrienorm statisch berechnen. Der Prüfstatiker braucht lediglich die Abmessungen und die genauen Materialkennwerte. Damit kann er errechnen, welche Biegespannungen bei entsprechender Belastung entstehen. Die Prüfinstitute testen das Bauteil und bestätigen dann mit ihrem Siegel, dass der Statikbericht vollständig und sachlich richtig vorliegt. Im Datenblatt kann der Installateur entweder Werte für die zulässige Druck- und Zugkraft in Kilonewton nachlesen oder aber in einer daraus abgeleiteten Tabelle die passende Anzahl an Haken finden, die er pro Quadratmeter für die jeweilige Einbausituation braucht.
Die Firma Energiebau aus Köln hat Konsequenzen aus einer Serie von Ziegelbruchvorfällen gezogen und selbst einen Dachhaken entwickelt. Der schneereiche Winter 2005/2006 hat für Klaus Leyendecker, Leiter der Abteilung „Produkte und Technik“, den Anstoß gegeben, sich gezielt mit dem kleinen Bauteil zu befassen. „2006 gab es zahlreiche Schadensmeldungen bei uns und bei anderen Anbietern. Dann ging die große Fehlersuche los, mit Versicherern und Installateuren“, sagt Leyendecker. Das neueste Modell hat Energiebau auf der Intersolar 2009 vorgestellt, zusammen mit dem Montagesystem Lorenz II. Ziel der Entwicklung war ein Haken, der sich unter Belastung weniger verformt. Dafür setzte Energiebau ein neues Material, einen verzinkten Feinkornstahl, ein, der noch stabiler ist als Edelstahl. Außerdem passten die Entwickler die Form des Dachhakens genau an die auftretenden Lasten an.
Da es direkt am Sparren besonders große Spannungen gibt, hat der neue Haken einen gekanteten Auflagepunkt und einen Stützwinkel, der zusätzlich am Sparren angebracht wird. „Wir haben unseren Dachhaken in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Köln entwickelt“, sagt Leyendecker. Neben den Zertifikaten durch TÜV, RAL und VDE hat Energiebau zusätzlich eine Lastanalyse bei der Technischen Hochschule Aachen (RWTH) anfertigen lassen. Damit ist Leyendecker umfassend informiert – er kennt nicht nur die maximale Belastbarkeit seiner Produkte, sondern auch die genauen Versagensgrenzen.
Auch Willi Bihler vom Solarzentrum Allgäu war nicht glücklich mit den handelsüblichen Bauteilen. Bihler machte bereits 2002 schlechte Erfahrungen mit Ziegelbruch. Mit dem Dachhaken Vario entwickelte er daraufhin eine völlig neue Geometrie, die die Kraft direkt oberhalb der Verschraubung einleitet und damit einen langen Hebelarm vermeidet. Eine Schlaufenform wirkt wie eine Winde, die die Kraft so verteilt, dass die Verformung des Hakens nur noch halb so groß ist wie bei herkömmlichen Dachhaken. Vario hat ebenfalls das TÜV-Zertifikat.
Individuelle Planung notwendig
Doch selbst wenn der Installateur hochwertige Bauteile auswählt, gelingt die Installation nur dann, wenn er jedes Projekt individuell betrachtet und berechnet. Um die Dachhaken und deren Anzahl auszuwählen, muss er die zu erwartende Schneelast genau kennen. Dabei reicht es keinesfalls zu wissen, in welcher Schneelastzone das Gebäude steht. Erst aus der Kombination der Parameter Schneelastzone, Höhe über dem Meeresspiegel und Dachneigung ergibt sich die konkrete Schneelast. „Es ist leider immer noch üblich, dass Installateure gar nicht planen oder frei nach dem Motto agieren: Das haben wir schon immer so gemacht“, weiß Leyendecker von Energiebau aus Erfahrung.
Wenn der Installateur allerdings die Angaben der Hersteller zertifizierter Dachhaken nutzt, kann er so bauen, dass er keine zusätzlichen Vorrichtungen zum Schutz vor Ziegelbruch benötigt. Für die Planung muss er nur noch die auftretenden Kräfte richtig berechen. Dabei hilft es, wenn Montagegestell und Dachhaken vom selben Hersteller kommen, denn dann erledigt ein ebenfalls TÜV-zertifiziertes Computerprogramm des Herstellers diese Aufgabe.
Energiebau stellt seinen Kunden den „Lorenz Planer“ kostenlos zur Verfügung. „Wir verstehen unsere Software als Verlängerung der Montageanleitung“, sagt Leyendecker. Auch andere Montagesystemhersteller bieten diesen Service an, wie etwa Mounting Systems aus Rangsdorf bei Berlin oder Schletter aus dem oberbayrischen Kirchdorf.
Sorgfalt tut not
Zum Schluss muss die Planung sachgemäß umgesetzt werden. „Viele Schäden gehen auf Ausführungsfehler zurück“, weiß Rainer Kohlenberg von der Mannheimer Versicherung. „Im Fall des Ziegelbruchs hat der Handwerker die Durchdringung durch die Dachziegel nicht fachgerecht ausgeführt.“ Soll heißen: er hat die Ausschnitte nicht richtig geflext. Fünf Millimeter Abstand zwischen Haken und Ziegel fordern die meisten Hersteller. Dafür sollte der Installateur zum kleinen Diamantschleifer greifen und den darunterliegenden Ziegel bearbeiten.
Doch Kohlenberg ist zuversichtlich. Er sieht eine deutliche Entwicklung in der Photovoltaikbranche hin zu mehr Sicherheit. Die Komponenten werden von Jahr zu Jahr besser, meint der Photovoltaikfachmann. Außerdem haben sich die Installateure früher häufiger Einzelkomponenten zusammengekauft. „Die Branche geht immer mehr dazu über, Haken und Montagesystem aus einer Hand zu beziehen“, sagt Kohlenberg. „Das ist sicherlich sinnvoll.“ Wer also zertifizierte Komponenten einsetzt und diese fachgerecht montiert, braucht normalerweise keine zusätzlichen Bauteile zum Schutz der Ziegel. Wer dennoch doppelte Sicherheit möchte, um eventuelle Montagefehler auszugleichen, der kann Dachpfannen aus Metall oder den Druckverteiler von Christian Seidl, den Roofprotector, einsetzen.
Wie beispielsweise Holger Ermoneit, Geschäftsführer der E.U. Solar aus Überlingen, er würde gerne auf Nummer sicher gehen und in der Schneelastzone drei unter den Dachhaken Blechziegel verwenden. Doch viele seiner Kunden ziehen da nicht mit. Sie wollen den höheren Preis nicht zahlen. Deshalb setzt er jetzt auf den günstigeren Roofprotector. Er hat bei Seidl gerade 100 Stück davon bestellt.
Hans Urban, stellvertretender Geschäftsführer beim Montagesystemhersteller Schletter, hält es in den meisten Regionen für ausreichend, Haken nach Tabelle zu berechnen.
Ziegel brechen vor allem unter der Schneelast in den Bergen, beispielsweise im Alpengebiet. Aber es ist nicht so, dass Installateure deshalb in ihrer Existenz bedroht waren und dass sie wegen solcher Schäden viele Anlagen hätten abbauen müssen. In sehr vielen Gegenden Deutschlands, in etwa 80 Prozent, ist die Schneelast nicht so hoch und man kann die normalen Dachhaken nach einer Tabelle berechnen. Damit ist ausreichend gewährleistet, dass die Haken selbst bei einer extremen Schneelast, wie sie vielleicht alle 50 Jahre vorkommt, immer frei tragend bleiben und die Ziegel nicht berühren oder allenfalls nur eine ganz geringe Kraft einleiten.
Und wie sieht es bei extremer Windlast aus?
Es gibt sehr viele Gegenden, in denen die Schneelast höher ist als die Windlast. Das heißt, wenn man den Dachhaken dort allein nach der Schneelast dimensioniert, reicht das normalerweise aus. Die Windlast ist damit automatisch mit abgesichert. Wenn man allerdings weiter im Norden montiert, ist das anders. Dort gibt es kaum Schneelasten, aber hohe Windlasten. Dort muss man gegen die Schneelast nicht so viele Dachhaken vorsehen. Wegen der erhöhten Windlast muss man die Dachhaken dennoch stärker dimensionieren. Insbesondere sollte man sie im Randbereich des Dachs verdichten, weil dort die Windlasten höher sind als in der Mitte.
Muss man die Haken bei Ost-West-Dächern wegen häufiger Westwinde anders auslegen?
Nein, weil der Wind definitionsgemäß immer aus allen Richtungen gleich heftig kommt. Die Erfahrung ist zwar eine andere. Aber die Norm lässt es nicht zu, dass man beispielsweise bei Ostdächern, weil dort der Wind schwächer weht als bei Westdächern, die Haken nicht so stark dimensioniert. Es reicht ja, wenn er ein einziges Mal aus dieser Richtung zu stark weht. Dann gefährdet das die Anlage.
Wie hoch ist der Investitionsunterschied, wenn man extra Blechziegel verwendet?
Auf die Anlage bezogen minimal, im Bereich von vielleicht plus einem Prozent. Es gibt Installateure, die montieren generell Blechziegel unter den Dachhaken. Allerdings ist das optisch nicht immer sehr vorteilhaft, insbesondere wenn man am Rand der Anlage viele Blechziegel verwendet und die Schienen vielleicht noch vorstehen lässt. Außerdem hat man mit dem Blechziegel ein Material auf dem Dach, das irgendwann korrodieren kann. Dachhaken sind in der Regel aus Edelstahl und Schienen aus Aluminium. Blechziegel sind dagegen normalerweise nur aus verzinktem Stahlblech. Um es haltbar zu machen, gibt es unterschiedliche Verzinkungsverfahren. Je nachdem, wie gut der Korrosionsschutz wirkt, kann es sein, dass die Blechziegel gerade an den Druckstellen nach einiger Zeit unansehnlich werden. Wenn sie zu rosten beginnen, können sie natürlich auch irgendwann durchrosten. Dann muss man die Anlage demontieren, um den schadhaften Ziegel auszuwechseln.
Das Gespräch führte Britta Danger.