Die Kabel im Solarpark mit mehr als drei Megawatt Leistung sind an mehreren Stellen aus dem Boden gerissen und zum Teil zerschnitten. Strom ins Netz einzuspeisen ist so nicht mehr möglich. Merkwürdigerweise scheint aber nichts geklaut worden zu sein. Ein Akt von Sabotage? Nein. Bei genauer Betrachtung stellt sich heraus: Des Nachts hatten sich Diebe in den Park geschlichen, um die wertvollen Kupferkabel zu stehlen. Nachdem sie aber bemerkt hatten, dass das Installationsunternehmen bei größeren Leitungsquerschnitten Aluminiumkabel verbaut hatte, zogen die Diebe unverrichteter Dinge wieder ab. So ist es Anfang des Jahres in der Nähe von Fürstenwalde geschehen. Aufwand und Risiko hätten sich für die Einbrecher schlichtweg nicht gelohnt. Denn für Aluminiumkabel bekommt man auf dem Altmetallmarkt wesentlich weniger Geld als für die teureren Kupferkabel.
Der Schutz vor Dieben ist aber sicherlich nicht der Hauptgrund, warum Anlagenplaner und Installateure vermehrt auf Aluminiumkabel setzen. Es liegt vor allem am Preis. Ein Meter Aluminiumleitung ist mindestens um die Hälfte günstiger als ein Meter Kupferleitung.
Je nach aktuellem Kupferpreis kann der Preisvorteil auch deutlich höher sein. Um Kunden günstige Angebote unterbreiten zu können oder um bei Ausschreibungen am Ende die entscheidende Nasenlänge vorn zu liegen, kann es daher sinnvoll sein, statt Kupfer Aluminium zu verwenden. Ein weiterer Vorteil ist das geringe Gewicht des Materials. Im Vergleich zu Kupfer ist Aluminium ungefähr dreimal leichter. Dies ist vor allem für den Transport der Kabel von Bedeutung. Bei größeren Aufdachanlagen mit geringer zusätzlicher Tragkraft können Aluminiumkabel aber eventuell auch für die entscheidende Gewichtsreduktion sorgen, die den Bau einer Photovoltaikanlage erst möglich macht.
In der Praxis werden Aluminiumkabel nicht unbedingt in kleineren Dachanlagen verbaut. Für die Verschaltung von Modulen untereinander oder für den Anschluss von Modulstrings an einen Generatoranschlusskasten sollten außerdem generell keine Aluminiumkabel verwendet werden. Die Leitungen werden in diesem Bereich in der Regel luftverlegt und sind daher der Witterung ausgesetzt. Für diesen Anwendungsbereich sollten nach VDE-Vorgaben aber nur doppelt isolierte und UV-geschützte Solarkabel mit dem Bauartenkurzzeichen PV1-F verwendet werden. Solche Solarkabel ausAluminium gibt es allerdings noch nicht. Sinnvoll können Aluminiumkabel aber bei mittleren und großen Photovoltaikanlagen sein, zum Beispiel für die Strecke vom Generatoranschlusskasten zum Wechselrichter. Hier werden meist größere Querschnitte benötigt, weil auch höhere Leistungen transportiert werden müssen. Außerdem verlegen Installateure die Kabel ab diesem Punkt oft im Erdreich, so dass kein PV1-F-Standard mehr eingehalten werden muss. Auf den Standard kann auch verzichtet werden, wenn die Kabel in einem geeigneten Kabelkanal verlegt werden. Je nach Bedarf verwenden Installateure hier Aluminiumkabel mit einer Querschnittsfläche etwa zwischen 50 und 300 Quadratmillimeter. Aber auch nach dem Wechselrichter, also wechselstromseitig, ist der Einsatz von erdverlegten Aluminiumkabeln möglich. Dies gilt für die Verbindung sowohl vom Wechselrichter zum Schaltschrank oder zur Übergabestation, als auch von dort zum Netzverknüpfungspunkt. Abhängig von der transportierten Leistung und der nötigen Länge des Kabels kann die Querschnittsfläche dann sogar bis zu 500 Quadratmillimeter betragen. Das entspricht bei mehrdrahtigen Leitern ungefähr einem Durchmesser von 3,8 Zentimetern.
Alu muss dicker sein
Entscheidet sich ein Planer oder Installateur dafür, Kabel aus Aluminium zu verwenden, muss er im Vergleich zu Kupferkabeln einige Dinge beachten. Denn Aluminium hat andere Werkstoffeigenschaften als Kupfer. Ein wesentlicher Unterschied ist zum Beispiel, dass Alu ein schlechterer Stromleiter ist. Aluminiumkabel brauchen für die gleiche Leistung einen dickeren Querschnitt als Kupferkabel und benötigen daher auch ein bisschen mehr Platz. Grob gilt die Faustregel, dass die Querschnittsfläche eines Aluminiumkabels bei gleicher Beanspruchung mindestens ein Drittel größer gewählt werden sollte als bei einem Kupferkabel. Für die genaue Auslegung der Kabeldicken und -längen ist es aber in jedem Fall ratsam, die Verarbeitungshinweise des Herstellers zu beachten. Es gibt außerdem Tabellen und Datenschieber, die ein Installateur für die Konfektionierung zu Rate ziehen kann. Damit lassen sich Kabeldurchmesser und Leiterlängen unter Berücksichtigungdes Leitungsschutzes, des Spannungsabfalls und der Abschaltbedingungen bestimmen.
Größere Querschnitte können aber auch Probleme bereiten, weil sie manchmal nicht mehr in die vorgesehenen Anschlussklemmen passen. „Gerade in Ostdeutschland gibt es manche Firmen, die für den Anschluss an den Netzverknüpfungspunkt des Energieversorgers ein Aluminiumkabel mit einem Querschnitt von 500 Quadratmillimetern vorsehen“, erklärt Matthias Clemenz, Produktmanager bei der Firma Jean Müller und zuständig für Zähleranschluss- und Messwandlertechnik. „Das Kabel ist dann aber so dick, dass es nicht mehr in die standardmäßigen Klemmen an den Stromverteilungskomponenten in den Übergabestationen passt.“ Mit diesem Problem wurde Clemenz schon häufig konfrontiert. Mehrfach sei ihm zu Ohren gekommen, dass Installateure aus Verzweiflung das 500-Quadratmillimeter-Kabel am Ende einfach auf 300 Quadratmillimeter heruntergeschliffen haben, damit es in die Klemme passt. Andere Installateure setzen laut Clemenz ein paar Meter vor dem Anschlusspunkt eine Muffe, in der dann von 500 Quadratmillimeter auf 240 oder 300 reduziert werde. Das hält Clemenz allerdings für sehr leichtsinnig. Schließlich erhöht sich dadurch der Übergangswiderstand am Anschlusspunkt oder im letzten Stück des Kabels, was einerseits zu Ertragsverlusten führt und andererseits die Gefahr birgt, dass sich die Verbindungsstelle erhitzt und in Brand gerät. Um dieses Problem zu lösen, hat die Leipold Gruppe in Zusammenarbeit mit Jean Müller einen Verteilerblock entwickelt, mit dem ein 500-Quadratmillimeter-Aluminiumkabel auf zwei Aluminium- oder Kupferkabel aufgeteilt werden kann. Diese von den Blöcken ausgehenden Kabel mit einem Durchmesser von 240 Quadratmillimetern können dann problemlos am Schaltschrank oder an der Übergabestation angeschlossen werden. Durch diese Klemme kann laut Clemenz ein zusätzlicher Kabelverteilerschrank als Übergabepunkt für das 500-Quadratmillimeter-Aluminiumkabel eingespart werden. Für den richtigen Umgang mit Aluminiumleitern und den entsprechenden Klemmen bietet die Firma Jean Müller auf ihrer Internetseite zudem die zweisprachige Infobroschüre „Korrekte Leiterklemmung“ zum Download an.
Alu fließt
Beim Anschluss von Alukabeln spielt noch eine andere Eigenschaft von Aluminium eine entscheidende Rolle: Aluminium fließt. Das bedeutet, das Metall gibt unter Druck nach, zum Beispiel in einer Klemmverbindung. Daher gibt es spezielle Klemmen für Aluminiumkabel, die mit einem definierten Drehmoment angezogen werden müssen. Die Klemmen sollten vom Hersteller explizit für die Verwendung mit Aluminiumleitern ausgewiesen und geprüft sein. Außerdem sind die Herstellerhinweise zu Klemmen und Kabeln in jedem Fall zu beachten. Aufgrund der Fließeigenschaften von Alu sollten die Klemmen nach den ersten 200 Betriebsstunden kontrolliert und mit definiertem Drehmoment nachgezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn eineVerbindung zwischendurch gelöst und neu angeklemmt wurde. Aber auch nach der ersten Kontrolle sollten die Klemmverbindungen regelmäßig überprüft werden. Denn lockere Verbindungen erhöhen den Übergangswiderstand und setzen im schlimmsten Fall, bei Lichtbogenbildung, die Anlage in Brand.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich, wenn ein Installateur ein Aluminiumkabel an eine Kupferschiene anschließen möchte. Aufgrund unterschiedlicher Potenziale in der elektrochemischen Spannungsreihe würde sich das unedlere Aluminium bei Feuchtigkeit und direktem Kontakt mit dem edleren Kupfer zersetzen. Um dieses Problem zu lösen, kann ein Installateur zum Beispiel einen sogenannten AL/CU-Bimetall-Kabelschuh verwenden. Dabei handelt es sich um ein Bauteil, mit dem der Übergang von Aluminium zu Kupfer ohne Zersetzungsprozesse realisiert werden kann. Gleiches ist auch mit einer Aluminium-Kupfer-Trennscheibe möglich, die wie eine Unterlegscheibe zwischen dem Kontakt von Aluminiumkabel und Kupferschiene angebracht wird. In jedem Fall ist es wichtig, die Verbindungen dauerhaft trocken und sauber zu halten, um elektrochemische Reaktionen zu vermeiden.
Alu oxidiert
Die elektrochemische Spannungsreihe ist auch bei einem anderen Arbeitsschritt von Bedeutung. Nach dem Abisolieren eines Aluminiumkabels entsteht durch den Kontakt mit Luftsauerstoff schnell eine nicht leitende Aluminiumoxidschicht, die den Übergangswiderstand in der Klemmverbindung erhöhen kann. Diese sollte man kurz vor der Kontaktierung mit einem sauberen Messer abschaben. Es ist wichtig, für diesen Vorgang kein Schmirgelpapier der Metallfeilen und -bürsten zu verwenden, da schon kleinste Metallrückstände auf der Oberfläche des Aluminiumkabels elektrochemische Zersetzungsprozesse auslösen können, die die Verbindung beschädigen. Nachdem die Aluminiumoxidschicht sachgerecht entfernt wurde, sollte das abisolierte Kabelstück außerdem mit einem säure- und alkalifreien Kontaktfett eingerieben werden, um die erneute Ausbildung einer Aluminiumoxidschicht zu verhindern. Klemmen, die für Aluminiumkabel zugelassen sind, haben zudem in der Regel eine spezielle Kontaktoberfläche mit Hervorhebungen. Diese durchbrechen dann die trotz korrekter Leiterbehandlung entstehende geringe Aluminiumoxidschicht.
Alu hat außerdem einen höheren Ausdehnungskoeffizienten als Kupfer. Das heißt, dass sich ein Aluminiumleiter bei Erwärmung, zum Beispiel durch hohe elektrische Ströme oder hohe Umgebungstemperaturen, stärker ausdehnt als ein Kupferleiter. Das macht sich vor allem in der Kabellänge bemerkbar. Daher sollten zum einen Zugentlastungen in der Nähe der Anschlussstelle installiert werden, um einer überhöhten mechanischen Beanspruchung der Klemmverbindung vorzubeugen. Zum anderen muss der höhere Ausdehnungskoeffizient bei der Bemessung der Biegeradien berücksichtigt werden. Die Vorgaben des Herstellers zu den maximal zulässigen Biegeradien sollten nach der Installation sowohl bei sehr hohen als auch bei sehr niedrigen Temperaturen stets eingehalten werden, da es sonst zu Brüchen im Aluminiumleiter kommen kann, was wiederum Ertragsverluste und Brandgefahr mit sich bringt. Bei hohen Minusgraden kann es zudem nötig werden, die Aluminiumkabel zunächst bei Raumtemperatur in die richtige Form zu biegen und erst danach im Feld zu verbauen, um Brüche im durch die Kälte spröde gewordenen Leiter zu vermeiden. Aluminium ist aber auch bei normalen Temperaturen spröder und bricht leichter als Kupfer. Deshalb sollten Installateure generell darauf achten, die Aluminiumkabel beim Verlegen nicht allzu oft hin und her zu biegen.
Aluminiumkabel zu verwenden ist also insgesamt etwas anspruchsvoller als die Verlegung von Kupfer. Wer aber alle nötigen Regeln beachtet, kann bedenkenlos von den Gewichts- und Kostenvorteilen der Aluminiumkabel profitieren. Um eventuelle Schwachstellen in der Verkabelung ausfindig zu machen, kann ein Installateur zur Sicherheit auch eine thermografische Untersuchung der Klemmstellen vornehmen. Wird die Untersuchung an einem sonnigen Tag bei hohem Lastbetrieb durchgeführt, sind lockere und sich daher erwärmende Verbindungsstellen meist deutlich zu erkennen. Um Diebe abzuschrecken, die es auf teure Kupferleitungen abgesehen haben, ist vielleicht auch ein Schild hilfreich – mit dem Hinweis, dass es in diesem Park wegen der Aluminiumkabel für Kupferdiebe nichts zu holen gibt.