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Rahmen, Klemmen oder Backrails?

Ganz schön windig ist es in Miami, auf der Testanlage für Hurrikanwindstärken der Florida International University. Mit 130 Sachen rauscht der Wind auf die zweieineinhalb Quadratmeter großen Glas-Glas-Module zu, erst von vorne und dann noch mal von hinten. Zusätzlich werden Böen bis 184 Kilometer pro Stunde gefahren. Auf den Gestellen haben die Ingenieure Dünnschichtmodule aufgebaut, von denen der Laie denken mag, dass sie besonders zerbrechlich sind. Die Rückseite besteht aus 3,2 Millimeter dickem Glas, wie üblich. Das Vorderseitenglas ist aber nur 0,7 Millimeter dick. Der amerikanische Glashersteller Corning prüft hier sein dünnes Spezialglas. Den Druck von 540 Kilogramm Schnee pro Quadratmeter und den Beschuss mit walnussgroßen Hagelkörnern müssen die Dünnschichtmodule ebenfalls aushalten, so wie es die IEC-Normen vorsehen. Sie sollen mindestens 25 Jahre alt werden, ohne dass sich Risse bilden oder es gar zum Bruch kommt.

Dabei scheint es unvermeidbar, dass Spannungen im Vorder- und Rückseitenglas auftreten, die früher oder später zu schleichendem Glasbruch führen können. Denn die Glasscheiben bilden das tragende Element zwischen den Halterungen. Die vier Stellen am Modulrand, an denen die Module üblicherweise eingeklemmt werden, stellen automatisch die Schwachpunkte im System dar. Wenn die Glasscheiben sich durch Winddruck oder Schneelast verbiegen, bleiben die eingeklemmten Stellen starr, sie können dieser Dynamik nicht nachgeben. Am Übergang zwischen starrem und gebogenem Bereich treten starke Spannungen im Glas auf. Je größer das Modul ist, umso problematischer wird die Klemmung. Die Spannungen im Glas möglichst gering zu halten ist deshalb erklärtes Ziel vieler Hersteller von Dünnschichtmodulen. Entscheidend ist dafür, dass man die Module mit den richtigen Methoden befestigt.

Würmchenbildung vermeiden

Diese Erfahrung hat auch Roland Sillmann, technischer Leiter des Berliner Modulherstellers Inventux, gemacht. „Hinzu kommt das Problem der sogenannten Würmchenbildung“, sagt er. Er habe immer wieder beobachtet, dass Wasser an Modulrahmen, aber auch an den Kanten von Klemmen auf Moduloberseiten eindringe, das dann von Schmutz oder Moos luftdicht eingeschlossen werde. Steigt die Umgebungstemperatur, bildet sich Dampf in diesen Einschlüssen, der schließlich zur Bildung feiner Risse im Glas führen kann.

Für eine bessere Statik und um Würmchenbildung zu verhindern, setzt Inventux beim Moduldesign auf eine glatte Oberfläche, die den Rand der Module bewusst freilässt. „Weil das die sensibelste Stelle ist“, sagt Sillmann. Auch

im Fensterbau achte man stets darauf,

die Glaskanten freizuhalten. Befestigt werden die anderthalb Quadratmeter großen, rahmenlosen Module an zwei

auf das Rückseitenglas aufgeklebten Edelstahlprofilen.

Die Befestigung mit diesen sogenannten Backrails begünstigt das Tragverhalten des Moduls. Ziel ist es, die Spannungen im Glas zu reduzieren und die maximale Durchbiegung gering zu halten – am besten kleiner als die Glasstärke des Moduls selbst.

Das ist auch in den Biegungssimulationen von Gehrlicher Solar aus München zu sehen. Gehrlicher hat gemeinsam mit dem Dünnschichtproduzenten Enn Solar Module mit einem Backrail-Befestigungssystem entwickelt. Unter der größten denkbaren Lasteinwirkung sollen die 7,5 Millimeter starken Glas-Glas-Konstruktionen sich weniger als sechs Millimeter durchbiegen. Auch Gehrlicher erreicht das mit auf der Rückseite der Module aufgeklebten Metallschienen, die im Abstand von 60 Zentimetern zueinander angeordnet sind – das macht vier Metallschienen bei Großmodulen mit 5,7 Quadratmetern und zwei Schienen bei anderthalb Quadratmetern Modulfläche.

Aus der Testreihe ging ein weiteres Ergebnis hervor. „Wir müssen mit den Backrails nicht ganz bis zum Rand der Module gehen, sondern können rund vier Zentimeter Abstand lassen“, erklärt Tobias Tritsch, der die Schwing- und Schütteltests sowie Zugversuche in Zusammenarbeit mit der TU München durchgeführt hat. „Dadurch sparen wir eine Menge Material ein.“ Doch wie groß ist die Entlastung, die die rückseitig aufgeklebten Metallschienen den Modulen bereiten? Eindrucksvolle Zahlen liefert der US-amerikanische Glashersteller Corning. Außer dass das Unternehmen die Module, insbesondere deren dünnes Spezialglas, und deren Befestigung im Windkanal von Miami testet, führt es auch Simulationsberechnungen mit vier unterschiedlichen am Markt erhältlichen Befestigungssystemen für Dünnschichtmodule durch: mit einer Rahmung, mit linearer Klemmung entlang der zwei langen Kanten, mit Randklemmung an vier Punkten und mit einer Befestigung mit zwei aufgeklebten Backrails (siehe Grafik Seite 69 oben).

Backrails besser als Klemmen

Die amerikanischen Wissenschaftler verglichen Modulaufbauten mit unterschiedlichen Glasstärken und errechneten Simulationen für jede der vier Befestigungsgeometrien. Dabei stellten sie Erstaunliches fest: Die Wahl der Befestigungsstruktur ist wichtiger für die Spannungen im Glas als die Glasstärke selbst. Im Vergleich zur punktuellen Befestigung mit Randklemmen sinken die Spannungen beim Einsatz von Backrails um das Fünffache (siehe Grafik Seite 69 unten). Cornings Fazit: Klemmen sind gut, rückseitig aufgeklebte Montageschienen aber viel besser.

„Es ist nicht möglich, ein Befestigungssystem über alle anderen zu stellen“, relativiert allerdings Lutz Tautenhahn von der TU Dresden Cornings Plädoyer für die Backrailtechnik. Es komme auf den Einsatzbereich an, auf die Glasgröße des zu montierenden Moduls und auf die Spannweite, gibt der Dresdner Bautechniker zu bedenken. Wegen zu großer Glasspannweiten kommen Randklemmen bei sehr großen Modulen sowieso nicht in Frage. In der Praxis hängt die Stabilität der Module von vielen Faktoren ab: vom Klebstoff, von der Form und Dimensionierung der Unterkonstruktion und der aufgeklebten Schienen, die man punktförmig kleben kann oder linienförmig. Und da Dünnschichtmodule mit Klebeverbindungen andere Schwachstellen haben als Standardmodule, planen die Wissenschaftler vom Dresdner Institut für Baukonstruktion, neue Prüfverfahren zu entwickeln.

Roland Sillmann von Inventux überzeugen Cornings Testergebnisse. „Die Corning-Studie ist durchaus übertragbar auf Backrails als Tragkonstruktion für Module an sich“, sagt der Produktentwickler von Inventux. Aber auch er sieht noch bessere Alternativen. „Für die Spannungsverteilung im Glas wären vier einzelne Befestigungspunkte, die nicht am Modulrand liegen, sogar noch besser als die linienförmigen Backrails.“ Doch die Montagepraxis macht dem spannungsarmen Idealzustand einen Strich durch die Rechnung. „Die Installation ist zu kniffelig, wenn die Monteure vier Punkte unterhalb des Moduls genau treffen müssen“, sagt er. Und da auch die Montagekosten sinken müssen, scheidet solch eine Lösung aus.

Durchdachte Klemme geht auch

Während große, rahmenlose Module gar nicht ohne Rückseitenklebung auskommen, gibt es bei den kleinen Dünnschichtmodulen mit Spannweiten von bis zu 65 Zentimetern andere Optionen. Sufurcell aus Berlin hat die Anfangsschwierigkeiten bei der Modulmontage als Aufhänger genommen, um ein neues Produkt zu entwickeln. „Mit der Standardklemme kamen die Handwerker nicht zurecht“, berichtet Felix Eichhorn, Produktmanager des Berliner Unternehmens. Jede Menge Glasbruch gab es in der Anfangsphase bei der Montage der rahmenlosen Dünnschichtlaminate. Durch zu viel Druck brach das nur zwei Millimeter starke Rückseitenglas der acht Millimeter hohen CIS-Module.

Ingenieure von Sulfurcell haben das Klemmdesign daraufhin selbst in die Hand genommen und herausgefunden, dass der Randbereich rahmenloser Module grundsätzlich einen Schwachpunkt darstellt. Denn die EVA- oder PVB-Folie, die die Solarzellen umgibt und im Modul mit dem Glas verbindet, reicht bei Glas-Glas-Aufbauten nicht bis dorthin. Den letzten Zentimeter bis zum Modulrand füllt ein Dichtungsmaterial, um zu verhindern, dass Wasser oder Schmutz zwischen die Modulschichten dringt. Die weichen Randabdichtungsbänder auf Butylbasis haben aber eine geringe Drucksteifigkeit. Weil sie die Lasten nicht aufnehmen können und die Glasscheiben die Lasten auf eine größere Fläche verteilen müssen, entstehen die Spannungen.

„Deshalb ist es grundsätzlich ungünstig, das Glas-Glas-Laminat am Rand zu klemmen“, sagt Eichhorn. Sulfurcells Antwort auf das Dilemma überrascht: Die neue Klemme ist nämlich asymmetrisch aufgebaut. Auf der stärkeren Frontscheibe liegt sie im Randbereich auf, während der untere Arm das nur zwei Millimeter starke Rückseitenglas weiter innen andrückt. Aber genau diese versetzte Anordnung der Druckpunkte hat ihren Sinn. „Die Kraft wird so besser im Glas verteilt“, erklärt Eichhorn. Den Beweis liefern Simulationsberechnungen und Testserien. Das Ergebnis: In Zukunft kann das fünf Millimeter starke Frontglas schlanker ausgelegt werden.

Auch Corning schließt aus den Simulationen und dem Windkanalversuch, dass bei einer geeigneten Befestigung die Glasstärken schrumpfen können, insbesondere bei dem eigenen Spezialglas, das das Unternehmen extra für diesen Zweck entwickelt.

Kein Schaden im Windkanal

Bei dem Experiment im Windkanal zeigte sich nach Angaben von Corning, dass die Module trotz simulierter Hurrikane keine Schädigungen davongetragen haben. Für den Windkanaltest in Miami hat Corning bei den mittelformatigen Modulen 0,7 Millimeter schlankes Frontglas verwendet, verbunden mit 3,2 Millimeter starkem, gehärtetem Kalk-Natron-Normalglas auf der Rückseite. „Doch auch symmetrische Aufbauten mit zwei mal zwei Millimetern sind denkbar“, sagt James Webb, der die Testserie bei Corning betreut hat. „Wir erforschen gerade diese und andere Konfigurationen.“ In Vorgesprächen hätten die Modulhersteller zwar verhalten reagiert – man konnte sich stabiles und gleichzeitig sehr dünnes Glas schlichtweg nicht vorstellen. Allerdings verspricht Corning mit dem dünnen Spezialglas, das bei richtiger Montage eingesetzt werden kann, noch mehr. Bei der Abscheidung der photoaktiven dünnen Schichten habe es Vorteile, wodurch sich der Wirkungsgrad der Zellen steigern lasse. Die Testreihe zeige nun, dass das Glas auch den mechanischen Belastungen standhalte. „Sie war notwendig, um die Photovoltaikbranche von unseren Möglichkeiten zu überzeugen“, sagt Commercial Technolology Director Mark Krol.

Anja Riedel

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