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Sonne spart Diesel

Ein Blick aus dem Weltall, eingefangen von der Kamera eines Satelliten, zeigt es überdeutlich: Die sogenannte arme Welt, die Bevölkerung in den sogenannten Entwicklungsländern, ist im Dunkel. Während die Industrieländer, die Ballungszentren und alle Teile der „entwickelten“ Welt ihre elektrische Beleuchtung bis in das Weltall sichtbar machen, liegt der große Rest der Welt schwarz und passiv brach. Das oft beschworene „Menschenrecht auf Zugang zu Energie“ als Basis für Bildung und wirtschaftliche Entwicklung wird hier nicht eingelöst: kein Geld, kein Strom, kein Licht.

Aber legt man über dieses Bild eine Grafik mit den verschiedenen Strahlungszonen der Erde, zeigt sich ein erstaunliches Resultat: Die Regionen, die nachts dunkel bleiben, weisen tagsüber die höchste solare Einstrahlung auf. Allein dieser Vergleich zeigt, dass Solartechnik zu einer Lösung des Problems beitragen kann.

Und dazu kommen die drastisch gefallenen Preise für Module und andere Komponenten. Solarstrom ist wettbewerbsfähig, oftmals gar billiger als konventionell erzeugter Strom. Da ist Solarstrom auf Basis der Weltmarktpreise schon mit Batteriesystemen preisgleich, netzgekoppelt sogar schon deutlich billiger. Erst recht in Ländern mit hoher Sonnenstrahlung, und erst recht im Vergleich zu dem dort häufig anzutreffenden Strom aus Dieselgeneratoren.

Suche nach Batterien

Eine Erkenntnis, die sich vielerorts noch gar nicht durchgesetzt hat: Solarstrom ist nicht länger die nette, aber teure Ergänzung einer fossilen Stromversorgung oder die – leider teure – einzige Möglichkeit zur Stromversorgung weitab vom Schuss.

Nein, Solarstrom ist die realistische und oft einzige Möglichkeit für eine skalierbare, berechenbare und stabile Stromerzeugung in Ländern mit unzureichender Infrastruktur. Solarstrom ist die Lösung, die die fossile Stromversorgung von ganzen Städten, Industrieparks, Freihandelszonen und anderen komplexen Stromnetzen ergänzt, verbilligt oder gar ganz ersetzt.

Klassischerweise sind die Stromnetze in diesen Ländern aber nur rudimentär vorhanden, und somit sind die meisten Solarsysteme – auch die, die wir bisher mit der Biohaus-Stiftung in Haiti realisiert haben (siehe Interview) – noch batteriegestützt. Dabei haben die Projekte sehr unterschiedliche Größen, ein Teil sind Microsysteme, bestehend aus einem Drei-Watt-Modul, einer LED-Laterne mit integrierter Laderegelung und Taschenlampenbatterien. Andere sind Kleinanlagen für Gesundheitsstationen, Schulen und Krankenhäuser. Die größten sind Dorfstromversorgungen, die mit großen Batteriebänken und Sunny-Island- oder ähnlichen Systemen arbeiten.

Die große Frage, die sich für alle Aktiven und Techniker dort wie hier auftut, ist die nach den Batterien. Es wird viel darüber diskutiert, welche Technologie die größtmögliche Preisattraktivität, Lebensdauer und Wartungsfreiheit hat.

Integration in Dieselnetze

Doch wer denkt, dass sich Solarstrom in solchen Ländern nur mit Batterien einsetzen lässt, irrt. Solarstrom galt immer als zu teuer, als dass seine Verwendung konsequent technisch zu Ende gedacht worden wäre. Die technischen Entwicklungen zur harmonischen Integration von Solarstrom in Dieselnetze wurden aufgrund der „Zu-teuer-Denke“ nicht angegangen. Es kann keine Rede davon sein, dass Solarstrom mit seinen Leistungsspitzen Generatoren, Trafos und andere klassische technische Einrichtungen gefährden würde.

Der Preissturz der Photovoltaikkomponenten, insbesondere der Module auf den Weltmärkten, hat Solarstrom unversehens zur Konkurrenz des weit verbreiteten Dieselstroms gemacht. Dieser kostet ohne Subventionen mindestens 25 Dollarcent pro Kilowattstunde, in abgelegenen Gegenden auch mal das Doppelte bis Dreifache. Dabei sind die Investitionskosten verhältnismäßig niedrig und die Betriebskosten relativ hoch, da der Diesel teuer ist. Daher lohnt es sich, die Betriebskosten zu senken, indem man den Dieselgeneratoren eine Solaranlage zur Seite stellt. Der Solarstrom kostet – je nach lokalen Bedingungen – vielleicht zwischen 10 und 20 Cent pro Kilowattstunde.

Solar Fuel Save Controller

Um Solarstrom mit Dieselgeneratoren zu verbinden, braucht es jedoch neue technische Lösungen, da sind die Entwickler aktiv, die diesen Braten schon gerochen haben: Sogenannte Solar Fuel Save Controller ermöglichen das Zusammenspiel von Photovoltaikanlagen mit netzgekoppelten Wechselrichtern mit Generatornetzen. Ihr Job: Sie schützen die Generatoren wie auch andere Komponenten des Stromnetzes vor Zerstörung durch Überlast und durch Rückströme, und sie passen entweder die Solarleistung auf den Bedarf und die momentane Generatorleistung an oder – besser noch – umgekehrt. Je nach Solarleistung und Bedarf wird der Generator gedrosselt oder gar abgeschaltet, so ist nicht nur Solarstrom ohne Batterien möglich, so wird pragmatisch und praxisgerecht Photovoltaik günstig in Generatornetze integrierbar und spart teuren fossilen Brennstoff, echtes „Fuel Saving“ eben.

Eine von Experten sogenannte erste Generation ist heute schon in etlichen Projekten in der Erprobung: Die installierte Photovoltaikleistung wird hierbei so berechnet, dass sie idealerweise die Lücke zwischen der verträglichsten Mindestlaufleistung des Generators (das sind typischerweise um die 40 Prozent) und der Tagesverbrauchsspitze füllt. Morgens beginnt also die Solarstromproduktion mit netzgeführten (Standard-) Wechselrichtern parallel zum immer laufenden Generator, bedient also einen Teil des Verbrauchs direkt und verringert so für den Generator die Last. Dieser fährt sich automatisch auf das Niveau herunter, das er als Last noch anliegen hat. Steigt der Verbrauch stärker als die solare Produktion, fährt sich der Generator automatisch auf das entsprechende Niveau. Übersteigt nun die Solarstromproduktion aber zusammen mit der Mindestgeneratorleistung den Bedarf, droht also die Gefahr von Rückstrom auf den Generator, regelt der Solar Fuel Save Controller die Solarwechselrichter entsprechend herunter.

Für diese Steuerung gibt es unterschiedliche Regelstrategien: SMA beispielsweise nutzt eine Technologie, die schon in den Sunny-Island-Systemen zum Tragen kommt. Juwi setzt zum Beispiel nach eigenen Aussagen „erst einmal“ auf SMA-Wechselrichter, speziell auf die Baureihe Tripower. Generell gibt es bisher nur sehr wenig Praxiserfahrung und Angebote von konkurrierenden Produkten von der Stange. In Deutschland sind Solartechnik Stiens und andere mit ähnlichen Entwicklungen aktiv und haben ebenfalls bereits die erste Generation eines Solar Fuel Savers am Start. Der süddeutsche Großhändler Donauer Solar nutzt ein eigenes, D:Hybrid genanntes System, das nicht wie sonst teilweise üblich eine Frequenzverschiebung zum Abregeln nutzt, sondern andere, nicht näher benannte Techniken.

Erste Praxiserfahrungen

SMA und Juwi kombinieren für erste Pilotprojekte Dieselnetze im Megawattbereich mit Photovoltaik und haben damit zum Beispiel Bergbau-Minen im Blick. Gemeinsam ist aber allen Entwicklern, dass sie ihre Technik auch im kleineren Leistungsbereich anwendbar machen wollen, denn hier ist ein riesiger Bedarf an Systemen, die Diesel sparen helfen. Ein solches System, und zwar den D:Hybrid Energy Manager von Donauer, erproben wir jetzt in einem Charity-Projekt der Biohaus-Stiftung in Haiti. Dabei handelt es sich um die solare Elektrifizierung des größten Kinderkrankenhauses des Landes in Tabarre nahe der Hauptstadt Port-au-Prince. Dieses wird betrieben von der internationalen Kinderhilfsorganisation NPH NuestrosPequeños Hermanos. Drei Dieselgeneratoren à 200 Kilowatt versorgen im Wechsel das Krankenhaus mit Strom von 80 Kilowatt Grundlast bis 140 Kilowatt Spitzenlast und verbrauchen pro Jahr dabei für rund 200.000 US-Dollar Diesel.

In einer ersten Phase wird die Biohaus-Stiftung noch in diesem Frühjahr zusammen mit haitianischen Monteuren und internationalen Freiwilligen 80 Kilowatt Module installieren und so die Lücke zwischen Grundlast und Spitzenverbrauch teilweise solar zu füllen versuchen. Dies wird wahrscheinlich gut funktionieren, denn die Verbrauchskurve wird tagsüber hauptsächlich von Klimaanlagen bestimmt und entspricht damit fast exakt der solaren Erzeugungskurve. Mit Weiterentwicklung des solaren Fuel Save Controllers sollen schrittweise mehr und mehr Kilowatt Module folgen.

Nächste Generation

Ende des Jahres könnte eine Weiterentwicklung der Solar Fuel Save Controller, die Generation zwei, die Integration von Solaranlagen in Inselnetze verbessern. Die Geräte werden dann auch in die Steuerung des Dieselgenerators eingreifen, diesen schadlos weiter herunterregeln und so Platz machen für einen deutlich höheren Anteil der solaren Energieproduktion. Ein holländisches Firmen-Konsortium, bestehend aus Elgrispower, einem Projektentwickler mit Sitz in Aachen, und EMRI, einem Generatorhersteller und -reparierer mit 75 Jahren Erfahrung im maritimen Sektor, arbeitet daran und ist damit nach eigenen Aussagen auch schon kurz vor Markteintritt.

Auf den Galapagos-Inseln läuft seit kurzem eine Pilotanlage von Elgrispower mit 160 Kilowatt Leistung, angeschlossen an sechs Wechselrichter à 30 Kilowatt, gekoppelt mit 150 Kilowatt Dieselgeneratorleistung. Sie versorgt eine Last von 250 Kilowatt. Auch eine erste Komplettlösung haben Elgrispower/EMRI schon lieferbar, eine Kompletteinheit mit integriertem Fünf-Kilowatt-Generator, Fünf-Kilowattstunden-Batteriesatz und Anschluss für fünf Kilowatt Modulleistung. Dies ist schon eine Vorstufe der erwarteten dritten Generation von Fuel Save Controllern, die Generatoren nur noch im Notfall zuschaltet und eine Führung des Stromnetzes aus einer möglichst kleinen Batterie-Wechselrichter-Einheit ermöglicht. Für Großanlagen könnte dies vielleicht der Schweizer Firma Studer gelingen, die ähnliche Konzepte schon seit langem verfolgt.

Aber auch im außereuropäischen Raum dürfte intensiv an der einfachen, kostengünstigen und problemlosen Verbindung von Photovoltaik mit Dieselnetzen gearbeitet werden. Denn der Preisverfall der Module, Ausgangspunkt des beschriebenen Hypes, gilt ja weltweit und öffnet die Türen zu neuen Märkten.

Solcherlei Umwälzungen und Entwicklungen sind eine große Chance für Unternehmen aus Industrienationen. Zum einen erschließen sie neue Absatzmärkte, zum anderen geben sie aber auch die Gelegenheit zum intensiven Wissenstransfer in beide Richtungen. Denn wo können wir die Implikationen von Solarstrom zur Netzintegration besser studieren als in solchen Hybridnetzen? Das kann uns in den nächsten Jahren hier in Europa richtig helfen.

Willi Ernst ist Gründer und Vorsitzender der Biohaus-Stiftung sowie Beirat der Centrosolar Gruppe.

Solarstrom für Haiti

Ist Photovoltaik in Ländern wie Haiti hauptsächlich ein Charity-Projekt?
Willi Ernst: Bisher ja. Es gibt zwar eine kleine Oberschicht, die sich kleine Photovoltaikanlagen leistet, weil die Dieselgeneratoren schließlich mit Lärm nerven. Aber im Prinzip laufen alle namhaften Photovoltaikprojekte als ausländische Spenden.
Die Biohaus-Stiftung fördert seit zwei Jahren Photovoltaik auf Haiti. Was ist daraus geworden?
Wir haben eine Reihe kleiner Photovoltaikanlagen gebaut, für Gesundheitsstationen, kommunale Radios, Bibliotheken, Schulen. Außerdem eine große als komplette Stromversorgung einer Berufsschule. Alle Projekte laufen noch, alle wecken großes Interesse am Strom ohne Lärm, und in der Berufsschule steht Solartechnik jetzt auf dem Ausbildungsplan. Und es geht bald weiter. In unserer Kampagne „Solarstrom für Haiti“, die ich für einzigartig halte, haben wir fast 400 Kilowatt Solarmodule – von gebrauchten Rückläufern über B-Ware bis zu Neumodulen für lau – gesammelt, in der Nähe Paderborns gelagert und Anfang dieses Jahres nach Haiti verschifft.
Welche Technologien werden eingesetzt?
Bei den Modulen mehrheitlich kristallin, aber mit gutem Erfolg auch Dünnschicht. Alle Anlagen sind bisher batteriegestützt, meistens wird DC direkt geladen und dann der AC-Verbraucher über einen Wechselrichter versorgt. Die Anlage in der Berufsschule ist AC-geführt, mit dem System Sunny Island von SMA. Die hat übrigens beim Hurrikan Sandy nur einmal – nach vier Tagen Dauerregen ohne Sonne – für einen halben Tag ausgesetzt. Ansonsten läuft sie komplett ohne Generator – für Licht , Computer, Maschinen, und sogar für Schweißgeräte.
Welchen Beitrag kann Photovoltaik für eine Stromversorgung in Haiti leisten?
Einen sehr großen. Photovoltaik wird schon länger eingesetzt für Straßenbeleuchtung, ländliche Elektrifizierung und andere Kleinprojekte. Aber jetzt läuft gerade die erste Großanlagen-Ausschreibung: zwei Megawatt Photovoltaik für einen Industriepark, finanziert von USAid. Ähnliche Projekte, unter anderem für den Flughafen, sind meines Wissens schon in Vorbereitung.
Wie wird das von der dortigen Politik aufgenommen?
Der Präsident Martelly war schon in seiner Zeit als Schlagersänger ein Solarfan. Auch der Rest der Regierung beginnt das Potenzial von Photovoltaik zu erkennen, jedenfalls der neue Energieminister René Jean-Jumeau. Denn Diesel wird immer teurer – und die notwendigen Investitionen für Photovoltaik bekommt Haiti von der Weltbank, anderen Geberländern und großen Nichtregierungsorganisationen, sagt der Minister.
Was sind Ihre nächsten Pläne?
Wir werden weiter kleine Photovoltaikanlagen bauen – als Demonstrationsprojekte. Aber unser Schwerpunkt liegt ganz klar auf der Ausbildung. Wir sind dabei, die ersten Solar-Entwicklungshelferstellen einzurichten, mit zwei bis drei Jahren Laufzeit, in Berufsschulen und zu drei Vierteln vom BMZ finanziert. Da suchen wir übrigens aktuell Personal.
Die Fragen stellte Michael Fuhs.

Willi Ernst

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