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Starkes Doppelpack

Kombimodule nutzen insgesamt mehr von der eingestrahlten Sonnenenergie. Kein Wunder also, dass das Solarzentrum Allgäu sich vor Anfragen kaum retten kann. Das mittelständische Unternehmen startet im Mai als erster deutscher Hersteller die Produktion von Kombimodulen und setzt dabei auf einen für die Solarindustrie eher ungewöhnlichen Werkstoff: Polyurethan (PUR). Doch auch wenn die Idee einleuchtet und interessierte Kunden den Allgäuern die Bude einrennen: Unter Experten ist durchaus umstritten, ob es sinnvoll ist, Strom- und Wärmeerzeugung in einem Modul zu vereinen.

Hauptargument gegen die Kombination von Strom- und Wärmeerzeugung in ei- nem Modul sind die gegensätzlichen Anforderungen von Photovoltaik und Solarthermie. „Ein Sonnenkollektor zur Gewinnung von Wärme aus Sonnen- energie wird bei möglichst hohen Tempe raturen betrieben“, sagt Michael Powalla, stellvertretender Leiter des Stuttgarter Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung. „Photovoltaikzellen zur Stromerzeugung dagegen arbeiten umso besser, je kühler sie sind.“ Powalla und seine Mitarbeiter haben sich deshalb gegen die Erforschung des Kombi-Ansatzes entschieden. Der Gesamtwirkungsgrad eines Photovoltaik-Thermie-Moduls (PVT) sei immer ein Kompromiss. Weder die Stromerzeugung noch die Wärmegewinnung könnten optimal betrieben werden.

Gesamtenergetisch besser

Tatsächlich ist Hitze für Photovoltaik-Zellen aus Silizium eher schlecht. Pro Grad Temperaturanstieg sinkt die Energieausbeute um 0,4 bis 0,5 Prozent. Dennoch ist Matthias Rommel, Gruppenleiter Thermische Kollektoren und Anwendungen beim Fraunhofer-Institut für Solare Ener giesysteme (ISE), vom Ansatz der Kombimodule überzeugt: „Gesamtenergetisch ist PVT deutlich besser als PV oder Thermie alleine.“ Selbst wenn die Wirkungsgrade von Photovoltaikmodulen von heute maximal 20 auf 30 Prozent stiegen, blieben 70 Prozent der eingestrahlten Sonnenenergie ungenutzt. Diese könne man durch solarthermische Anwendungen relativ einfach nutzbar machen. „Die PV-Module werden ohnehin heiß“, sagt Rommel. „Daher gibt es Betriebssituationen, in denen die Photovoltaik davon profitiert, dass sie mit einem Solarkollektor kombiniert ist. Denn dieser kühlt die Zellen und erhöht damit sogar den Wirkungsgrad der PV-Anlage.“

Diesen Effekt betont auch Willi Bihler, Inhaber des Solarzentrums Allgäu. Er rechnet für seine Kombimodule namens PV-Therm mit einer jährlichen Steigerung des Stromertrags um rund 30 Prozent.

Das kommt zum einen durch die Kühlung der Module im Sommer und zum anderen von der Erwärmung im Winter, die für schneefreie und damit produktionsfähige PV-Flächen sorgt. Derzeit führt das Unternehmen Langzeittests zur tatsächlichen elektrischen Leistungssteigerung durch. Die Testanlage besteht aus 15 Kombimodulen mit je 165 Watt Spitzenleistung. In einem Modul sind 48 kristalline Solarzellen untergebracht.

Den thermischen Ertrag ihrer Module beziffern die Allgäuer auf 650 Watt pro Quadratmeter. Dabei liegt die Betriebstemperatur unter 80 Grad. Als Wärmeträger dient Wasser, das das Modul ganzflächig hinterspült und bei Bedarf auch mit Frostschutzmitteln versetzt werden kann. „Nach den momentanen Materialverträglichkeitstests ist das unbedenklich“, sagt Christopher Britzger, Marketingleiter des Solarzentrums Allgäu.

Viele Unterschiede

Materialverträglichkeiten spielen beim Kombimodul des Solarzentrums eine besondere Rolle, denn die PVT-Kollektoren bestehen aus Kunststoff. Und auch sonst unterscheidet sich die Fertigung der Allgäuer erheblich von der konventioneller Module. So wird an der Rückseite des Laminats eine Alu-Tedlar-Folie anstelle einer herkömmlichen Tedlar-Folie verwendet, um eine absolute Wasserdichtigkeit zu erreichen „Zudem ist die Alu-Tedlar-Folie optimal geeignet im Hinblick auf die Wärmeverteilung“, sagt Britzger. Der Wärmetauscher besteht aus einem vollverzinkten Stahlblech. Laminat und Wärmetauscher werden in einem eigens für diese Anwendung entwickelten Schäumwerkzeug mit einer speziellen Polyurethanmischung verbunden und der Rahmen versteift. Ein absolutes Novum.

Im Solarzentrum Allgäu ist man sich sicher, dass die Konstruktion allen Belastungen standhält. „Das Polyurethan ist ein erprobtes Dichtungsmaterial aus der Automobilindustrie und hat gegenüber einem herkömmlichen Alurahmen den Vorteil, dass es das Laminat von dem Wasserkreislauf trennt und abdichtet“, sagt Britzger. Zudem sorge die eigens entwickelte Schäumtechnologie für einen glatten Übergang von PUR-Rahmen und Modul ohne die bei Aluminiumrahmen übliche Kante, an der oft Schmutz hängen bleibt. Bei Regen werden somit alle störenden Partikel weggeschwemmt.

Doch trotz aller neuen Technologie und zahlreicher Vorteile – ein Knackpunkt bleibt, den Kombimodul-Kritiker immer wieder betonen: Die Kombimodule liefern keine besonders hohen Temperaturen. „Man kann damit nicht direkt heizen oder Warmwasser bereiten. Aber man hat eine Niedertemperatur-Wärmequelle, mit der beispielsweise Warmwasser vorgewärmt werden kann“, sagt Rommel vom ISE. Für ihn ist entscheidend, dass an den Modulen entstehende Wärme überhaupt genutzt wird. „Momentan mag es noch billiger und zuverlässiger sein, PV und Thermie zu trennen. Aber die Flächen werden knapp und schon bald entstehen Konkurrenzsituationen für die verschiedenen Technologien.“

Entweder Solarkollektoren für die Warmwassererzeugung oder PV-Module – diese Frage stellt sich heute bereits bei Mehrfamilienhäusern. Denn je mehr Warmwasser gebraucht wird, desto größer muss die Kollektorfläche sein. Für die Stromerzeugung bleibt da meist kaum noch Platz. Europäische Solarenergieforscher sehen daher in Mehrfamilienhäusern einen wichtigen Einstiegsmarkt. Acht von ihnen haben sich im Projekt PV Catapult intensiv mit der PVT-Technik befasst und einen Fahrplan für Entwicklung und Vermarktung aufgestellt – Matthias Rommel gehört auch dazu.

Auch die holländische Firma PV Twins treibt die Technik der Kombimodule voran und ist einer der wenigen europäischen Wettbewerber von Solarunternehmer Bihler. Im Juni wollen die Holländer in Enschede ein 16-Appartment-Haus mit ihren Modulen ausstatten. Das kleine Unternehmen, eine Ausgründung des Forschungsinstituts Energy Research Centre of the Netherlands (ECN), bietet im Gegensatz zum Solarzentrum Allgäu nicht nur einfache PVT-Panels an, sondern auch PVT-Kollektoren. Diese sind mit einer zusätzlichen, beschichteten Glasschicht versehen („glazed“), die die Sonnenenergie konzentriert und so den Wärmeertrag erhöht. Die PVT-Kollektoren erzeugen Temperaturen von bis zu 90 Grad. „Aufgrund dieser höheren Temperaturen ist der elektrische Output etwa genauso hoch wie bei einem konventionellen PV-Modul“, berichtet PV-Twins-Geschäftsführer Marcel Elswijk. Die unbeschichteten PVT-Panels dagegen brächten wegen der niedrigeren Temperaturen deutlich höhere elektrische Erträge.

Wie auch Bihler vom Solarzentrum Allgäu kombiniert Elswijk seine unbeschichteten PVT-Module mit einer Wärmepumpe. Dadurch wird das Temperaturniveau im Speicher angehoben, während gleichzeitig der Rücklauf abgekühlt wird. Doch während Bihler Schichtspeicher der Firma Rotex einsetzt, kombiniert Elswijk die Wärmepumpe mit einem geothermischen Speicher. Dadurch wird die im Sommer gespeicherte Wärme im Winter nutzbar. Auf diese Weise könne ein System aus 40 PVT-Modulen – das sind bei PV Twins 25 Quadratmeter – den Heizbedarf eines Einfamilienhauses komplett sowie den gebäudebezogenen Strombedarf zu 96 Prozent decken, so der Holländer.

Die Stromerzeugung bleibt dabei allerdings auf der Strecke. Das berichten die Solarforscher in ihrem PVT-Fahrplan. Der elektrische Output in Anwendungsszenarien mit einer Wärmepumpe liege demnach bei null oder könne sogar negativ sein. Der Grund: Die Pumpe wird mit Strom betrieben. Diese Energie muss vom Ertrag abgezogen werden.

PV Twins fertigt seine Module im Gegensatz zu den Allgäuern aus klassischen Materialien. Der solarthermische Teil besteht aus einem konventionellen Röhrenkollektor (siehe schematische Darstellung), der Rahmen aus Aluminium. Auf einem PVT-Kollektor-Modul („glazed PVT“) von 910 mal 1.776 Millimetern Größe bringen die Holländer 36 monokristalline Solarzellen unter. Die elektrische Leistung beträgt 150 Wattpeak, die thermische 765 Watt.

Produktion startet

Was den Preis anbelangt, so halten sich beide Anbieter bedeckt. „Die Kosten für zwei getrennte Anlagen und die Mehrkosten für unsere Module plus Wärmepumpe heben sich in etwa auf“, sagt Solarzentrum-Allgäu-Chef Bihler. Er startet im Mai die Serienfertigung. Maximal 60.000 Module pro Jahr können die Allgäuer produzieren. Allerdings soll 2009 eine weitere Fertigungsstraße eingerichtet werden, so dass sich die Kapazität verdoppelt.

Von solchen Stückzahlen sind die Holländer rund um Marcel Elswijk offenbar noch weit entfernt. Aber auch sie arbeiten mit Hochdruck an der Einrichtung der Produktion. Und Elswijk wirbt sogar damit, dass seine Kombi-Systeme billiger seien als zwei getrennte Anlagen. Wie Bihler kann auch er sich vor Anfragen nicht retten. Limitierender Faktor sei derzeit einzig, dass auf dem Weltmarkt nicht genügend Photovoltaikzellen zu bekommen seien, sind sich beide einig.

Offenbar kommt die Kombi-Idee an – trotz aller Kritik und Bedenken. Rommel und seine europäischen Forscherkollegen sind von dem Ansatz schon längst überzeugt. So heißt es in ihrem PVT-Fahrplan abschließend: „Der kombinierte Ertrag von PVT-Anlagen ist größer als der Gesamtertrag von zwei nebeneinander installierten Systemen auf der gleichen Fläche. Das heißt, für den gleichen Ertrag braucht man weniger Fläche. Gleichzeitig sinken die Installationskosten.“

Silke Thole

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