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Von der Anlage zur Festung

Langsam ruckelt der Sprinter durch den nächtlichen Wald. Die beiden dunkel gekleideten Gestalten in dem unauffälligen Kleintransporter haben es nicht mehr weit. Auf der Anhöhe vor ihnen liegt ein neuer Solarpark, ganz frisch gebaut. Der Wagen hält, die kleine Pforte wird kurzerhand geknackt, und die beiden Diebe parken bequem und von außen nicht sichtbar zwischen den Modulreihen. Dann geht alles ganz schnell. Mit geübtem Griff schraubt der eine die Module ab, der andere verstaut sie auf der Ladefläche. Ein paar Wechselrichter nehmen sie auch noch mit. Nach einer knappen halben Stunde ist alles vorbei. Unauffällig, wie sie gekommen sind, fahren sie wieder davon.

So oder ähnlich könnte ein typischer Moduldiebstahl aussehen. Langfinger, die auf Photovoltaik spezialisiert sind, haben es meistens nicht sehr schwer. Schließlich sind zahlreiche Anlagen in Deutschland nur minimal gegen Diebstahl gesichert, wenn überhaupt. Viele Anlagenbetreiber belassen es bei einem einfachen Maschendrahtzaun. Das spart auf den ersten Blick zwar Kosten.

Kommen die Diebe dann doch, wird es aber ärgerlich. Die Module müssen ersetzt und die Schäden repariert werden. Dazu kommt der Ertragsausfall. Die Versicherung muss den Diebstahlschaden zwar zahlen, danach steht es ihr aber frei, den Versicherungsschutz zu kündigen.

Mit Bedacht auswählen

Aber obwohl die Diebstahlszahlen in einigen Bundesländern steigen, gibt es keinen Grund zur Panik. Moduldiebstahl ist bisher kein Massenphänomen. Schließlich sind Photovoltaikmodule und Wechselrichter zwar wertvoll, aber auch ein sehr spezielles Diebesgut, das kein Dieb ohne entsprechende Verbindungen wieder loswerden kann.

Um der Anlage den passenden Schutz angedeihen zu lassen, sind einige zentrale Fragen wichtig: Wie gefährdet ist der Ort, an dem die Anlage steht? Welcher Schutz ist in diesem Zusammenhang notwendig, und was wird er kosten? Die Hersteller bedienen im Wesentlichen zwei unterschiedliche Ansätze. Speziell ausgerüstete Sicherheitszäune verhindern von Anfang an, dass Unbefugte der Anlage zu nahe kommen. Mechanische und elektrische Sicherungen an Modulen und Wechselrichtern machen den Dieben die Demontage schwer oder lösen gleich den Alarm aus.

Fast alle modernen Systeme können mehrere Aufgaben gleichzeitig übernehmen: Stellen sie eine Störung fest, lösen sie einerseits den Alarm aus und dirigieren andererseits Überwachungskameras in die Richtung der Einbruchstelle. Sie schalten je nach Vorstellung des Betreibers zusätzliche Scheinwerfer oder Sirenen ein und alarmieren den Sicherheitsdienst oder den Betreiber. Je nach Wunsch und Ausstattung auch per Fax, E-Mail oder SMS. Da so viel Technik teuer ist, lohnt es sich, gut informiert zu sein und die Preise vorher zu vergleichen.

Powerfence, also Stromzaun, heißt das Konzept, das Averde zur Sicherung von Photovoltaikanlagen anbietet. Die Firma aus dem oberbayerischen Landsberg setzt auf Prävention durch Abschreckung. Gelbe Warnschilder weisen darauf hin, dass im Sekundentakt Spannung durch ein Raster von leitenden Drähten gepulst wird. Ein Monitoring-System misst, ob die Pulse ungestört ankommen. Passiert das nicht, weil der Draht zerschnitten oder anderweitig gestört wurde, wird der Alarm ausgelöst. Wer verwegen genug ist, die Leiterdrähte dennoch zu berühren, bekommt einen satten, nach Angabe von Averde aber ungefährlichen Schlag verpasst. Vergleichbar mit dem von elektrisch geladenen Weidezäunen. Die standen bei der Entwicklung auch Pate: Der Zaun ist eine Erfindung der neuseeländischen Firma Gallagher, die mit ihren E-Zäunen Dingos von Schafen fernhält. Ein prominenter Kunde war die englische Königin. Nachdem 2004 ein als Batman verkleideter Eindringling plötzlich bei ihr auf dem Balkon stand und lauthals mehr Rechte für Väter forderte, ließ sie den Buckingham-Palast mit dem Stromzaun sichern.

Alarm ohne Schmerzen

Der Zaun, den Ulf Beckers von der Akera Security in Itzehoe gerade aufbaut, lässt auf den ersten Blick jeden Experten schaudern. Er sieht aus wie ein einfacher Maschendrahtzaun. Also genau das, was viele Versicherungen heute nicht mehr haben wollen. Jedes Kind könnte ihn mit einem Seitenschneider durchtrennen. „Der Zaun sieht nur scheinbar harmlos aus“, verteidigt der diplomierte Physiker die Umfriedung. Beckers montiert die Diebstahlsicherung für eine Großflächenanlage irgendwo in den Bergen des spanischen Kernlandes. Das Kabel, das entlang der Mitte verläuft, gibt ihm Recht.

Denn hier handelt sich um einen Sensor. Alle 200 Meter werden von einem Kasten, in dem sich Mikrokontroller befinden, Signale in das Sensorkabel eingespeist. Wird der Zaun kräftig bewegt, wenn beispielsweise ein Dieb seinen Schuh in die Maschen zwängt, werden die Signale verändert. In einer Zentrale werden die Daten ausgewertet und der Alarm ausgelöst. Das Gleiche passiert, wenn das Kabel durchtrennt wird. Die Sensorik stammt vom Münsteraner Anbieter für Sicherheitstechnik Haverkamp. Sie kann laut Beckers die Störungsstelle auf drei Meter genau detektieren – und so dem Sicherheitsdienst einen Anhalt geben, wo die Diebe eingestiegen sind.

Videotechnik gegen Langfinger

Bevor die Diebe den Zaun überhaupt berühren können, will Viasys aus Neu-Isenburg ihnen schon an den Kragen. Viasys heißt auch das Videoalarmsystem, mit dem die Notrufzentrale informiert werden soll, bevor die Diebe überhaupt aktiv werden können. Kernstück ist eine von Viasys entwickelte Analysesoftware. Sie analysiert die Bilder, die die Überwachungskameras liefern, auf relevante Bewegungen. Nur bestimmte Veränderungen der Pixel werden als solche bewertet. Anhand der Größe und der Perspektive unterscheidet sie einen Ast, der im Wind schwankt, von Personen oder Fahrzeugen. Trickreiche Diebe, die versuchen, sich sehr langsam an den Zaun anzuschleichen, erkennt die Software an der Veränderung des Hintergrundes. Im Ernstfall leitet das System die Bilder automatisch an die Notrufzentrale weiter. Um einen Fehlalarm zu verhindert, zeigt ein roter Rahmen um das verdächtige Element dem Wachdienst genau an, was den Alarm ausgelöst hat. Laut Herstellerangaben ignoriert die Software unkritische Bewegungen beispielsweise von Tieren oder Spaziergängern, die einen definierten Mindestabstand zum Zaun einhalten. Eine Drei-Megawatt-Freiflächenanlage, umgeben von einem ungefähr ein Kilometer langen Zaun, benötigt schätzungsweise 24 Kameras. Für eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung sind neben den Kameras Infrarotstrahler montiert, die die Umgebung auch in der Nacht ausleuchten.

Außer Konkurrenz

Anlagensicherung de luxe bietet der griechische Hersteller Onexhellenic. Das Zaunsystem trägt den klingenden Namen Apollon. Zwischen zwei Zäunen von mindestens zwei Metern Höhe verläuft im Boden eine versteckte Induktionsschleife, also ein Metalldetektor. Die Zaunkrone ist natürlich mit Stacheldraht gesichert. Onexhellenic ist ein Hersteller von Sicherheits- und Verteidigungssystemen. Das griechische Unternehmen bietet neben Kugelschutz und „Homelandsecurity“ auch Sicherheitszäune an. Weitere Aufrüstung ist vermutlich kein Problem. So weit möchte der durchschnittliche Anlagenbetreiber aber wahrscheinlich gar nicht gehen.

Was aber, wenn die Diebe sich nicht abschrecken lassen und den Zaun trotzdem überwinden?

Der gewisse Dreh

Der Klassiker unter den Diebstahlsicherungen sind die Spezialschrauben. Sie passen für Module und viele Wechselrichter. Es gibt solche, denen man buchstäblich den Kopf abreißt, wenn man versucht, sie aufzuschrauben, und Einmal- oder Codierschrauben, die man nur mit Spezialwerkzeug lösen kann. VieleDer Rahmen zeigt an, was den Alarm aktiviert hat.

Wechselrichter können zusätzlich durch Sicherheitsbolzen oder Vorhängeschlösser fixiert werden. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass Diebe oft nicht zimperlich vorgehen und zumindest die Module einfach aus der Verankerung herausreißen. Trotzdem erfüllen die Schrauben einen wichtigen Zweck. Sie kosten die Diebe wertvolle Zeit und schmälern den Wert der Beute.

Schon vor zehn Jahren hat das Büro Engineering & Services Dipl. Ing. Egon Dübner die Zeichen der Zeit erkannt und sich ein eigenes System zur Diebstahlsicherung einfallen lassen. Die Leverkusener kleben einen feinen Reißdraht an die Unterseite der Modulrahmen. Wird dieser Sensor abgerissen oder überdehnt, wird eine Elektronik aktiviert, die mit dem Draht verbunden ist. Ist der Alarmgeber aktiviert, passieren mehrere Dinge gleichzeitig: Der Sicherheitsdienst wird alarmiert. Außerdem zeigen, wenn der Betreiber das wünscht, auf dem Anlagenfeld eine Blitzleuchte und eine Sirene an, in welchem Teil des Feldes die Diebe gerade lange Finger machen.

Monitoring und Sicherheit

Die Firma Pairan kombiniert Diebstahlsicherung und Monitoring. Das Theft-Protection-System, kurz TPS, überwacht den Strom, der durch die Stringleitungen fließt. Wird er unterbrochen, weil die Kabel zerschnitten oder anders manipuliert werden, wird der Alarm ausgelöst. Damit nachts, wenn der Stromfluss aus den Modulen zum Erliegen kommt, keine Sicherheitslücke entsteht, lässt TPS einen niedrigen Strom von wenigen Milliampere durch die Module fließen. Dafür ist nach Angaben von Pairan maximal eine Leistung von 13 Watt nötig. Das TPS-Gerät muss zurzeit noch zwischen Modul und Wechselrichter geschaltet werden, soll aber nächstes Jahr in allen Wechselrichtern serienmäßig enthalten sein.

Unsichtbare Funksicherung

Völlig berührungslos will Relatio ab nächstem Jahr die kostbaren Module sichern. Radio Frequency Identification, kurz RFID, heißt das Zauberwort. Eine Funkerkennung soll die Solaranlage unantastbar machen. Auf einer Art Aufkleber, dem Transponder, sind eine feine elektrische Spule und eine Miniantenne untergebracht. Sie empfangen Radiowellen, die von Antennen am Zaun gesendet werden. Die Spule zieht eine geringe Menge an Energie aus dem Signal. Genug um an den SenderSchlicht und unauffällig: der Alarmdraht.

zurückzufunken.

Wenn alle Etiketten gleichzeitig ihr Signal übertragen, entsteht ein Signalteppich mit einem gleich bleibenden Muster. Werden die Module bewegt und dadurch das Muster verändert, geht der Alarm los. Nach Angaben von Relatio reicht es schon, die Module zwei Finger breit aus ihrer Position zu verschieben oder sie kräftig zu ruckeln. Hat der Anlagenbetreiber bewegliche Kameras mit dem System verbunden, ist das der Moment, an dem es geradezu unheimlich wird. Eine Software weckt die Kameras aus dem Stand-by und richtet sie auf den Ort aus, wo die Module manipuliert worden sind. Die wenige Zentimeter großen Aufkleber können unter jedes Modul geklebt werden. „Die Etiketten halten auf jedem handelsüblichen Material“, sagt Andreas Schneider von Relatio. Also Tetlar, Glas und Metall. „Man kann sie nicht ablösen, ohne die Module zu beschädigen.“ Außerdem arbeitet Relatio gerade daran, die RFID-Etiketten direkt beim Laminieren mit einzuschweißen.

Ebenfalls mit einer Hightech-Lösung wollen die Forscher der staatlichen italienischen Forschungsanstalt ENEA Langfingern das Handwerk legen. Sie haben vor kurzem den Prototypen eines GPS-gesteuerten Chips fertiggestellt. Er soll das Modul einfach abschalten, wenn es von seinem angestammten Platz weggetragen wird. Bringt der reumütige Dieb das Panel auf seine Position zurück, produziert es wieder Strom, wie gehabt.

Integrierter PV-Wächter

PV-Guardian haben die Italiener den flachen Sensor genannt. Er soll, so hoffen sie, schon beim Laminieren fest auf die Rückseite des Moduls geschweißt werden. Die Elektronik wird mit den Koordinaten des Solarparks gefüttert. Nur wer den Pin-Code kennt, kannSchraube mit Metallkugel im Kopf.

einen neuen Standort eingeben. Kernkomponenten des Systems sind der GPS-Empfänger, der seine Energie direkt vom Modul bezieht, und der Schalter, der den Stromfluss im Modul nach Bedarf unterbricht. Die Wissenschaftler von der ENEA suchen zurzeit nach Partnern aus der Industrie, um den PV-Guardian in Bälde marktfähig zu machen.

BD

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