Wien ist weltbekannt für seine Kaffeehauskultur. Bereits 1873 eröffnete Franz Landtmann im ersten Bezirk sein Kaffeehaus – und begründete damit eine Institution. Sigmund Freud, Gustav Mahler und Romy Schneider tranken hier ihren Kaffee. Deshalb treffen wir Michael Richter im Café Landtmann zum Gespräch. Der Österreicher ist Geschäftsführer der Sonneninvest sowie der Tochter Sonneninvest Deutschland. Seine Karriere in der Finanzwirtschaft startete er vor rund 25 Jahren an der Wiener Börse. 2009 gründete er dann seine Firma Sonneninvest, die derzeit acht Photovoltaikkraftwerke mit über fünf Megawatt Leistung im Portfolio hat.
Das Besondere: Richter setzt auf Crowdfunding. „Unser Ziel war es immer, dass möglichst viele Menschen durch ein Investment in ein Photovoltaikkraftwerk an der Energiewende teilhaben“, erklärt Richter. Die Bilanz: In den letzten drei Jahren haben über 1.300 Crowdfunding-Investoren einen Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Crowdfunding ist laut Richter mittlerweile eine moderne Alternative zur Bankenfinanzierung geworden. Besonders spannend findet der Börsenfachmann den regelmäßigen Austausch mit den Menschen in der Crowd. Das Feedback ermögliche ihm und seinem Team, neue Crowdfundings anhand des Feedbacks zu entwickeln. Die Kleininvestoren werden abhängig vom Ertrag der Anlagen vergütet, er bietet dabei verschiedene Laufzeiten für die unternehmerischen Beteiligungen an.
Die Vorteile der Photovoltaik liegen für Richter auf der Hand: „Es gibt nur geringe Ausfälle, weil es keine beweglichen Teile in der Anlage gibt. Auch der Verschleiß im laufenden Betrieb ist dadurch geringer“, berichtet der ausgebildete Maschinenbautechniker.
Das habe ihn zu einem Photovoltaikfan gemacht. Zuvor habe er sich viele Jahre mit Wasser- und Windkraftanlagen beschäftigt. „Im Vergleich zur Windkraft ist die Produktion von Sonnenstrom geräuschlos, sauber und optisch ansprechender“, zählt er auf und ergänzt: „In der Bevölkerung ist dadurch die Akzeptanz für Photovoltaik unter allen Ökostromanlagen am höchsten.“ Zudem sei die Nutzung bisher brachliegender Industriedächer durch Photovoltaikkraftwerke ein Musterbeispiel, wie die Energiewende funktioniere; der Sonnenstrom wird vor Ort erzeugt und verbraucht.
Aufgrund des Crowdfunding-Booms der letzten Jahre gibt es bereits viele Plattformen am deutschen Markt. Die meisten von ihnen, wie beispielsweise Seedmatch, haben sich auf Start-ups spezialisiert. „Bei unseren Crowdfunding-Runden wollten wir eine Plattform, die auf grüne Investments spezialisiert ist“, sagt Richter. Aufgrund der Größe der benötigten Kapitalbeträge habe sich Sonneninvest schließlich 2015 für die Seedmatch-Tochter Econeers entschieden.
Mit Crowdfunding erreicht er interessierte Investoren in der Breite – bundesweit und über Landesgrenzen hinaus. „Wir kaufen bereits am Netz befindliche Solarkraftwerke in Deutschland ab rund einem Megawatt Spitzenleistung, die eine EEG-Vergütung erhalten“, erläutert der Banker. Bei Dachanlagen liege die untere Schwelle bei 700 Kilowatt. „Derzeit sind wir interessiert, noch weitere drei bis fünf Solarkraftwerke zu erwerben, die bevorzugt in Mittel- und Süddeutschland liegen. Aber von zehn Solarstromanlagen, die uns angeboten werden, entscheiden wir uns vielleicht für eine.“
Ein neues Crowdfunding im Jahr 2017
Der Grund: Die Photovoltaikanlagen müssen sich in einem technisch einwandfreien Zustand befinden. Und das ist leider nicht immer der Fall. Gerade in den Boomjahren 2010 bis 2012 gab es viele Installationsfehler und auch Schlampereien. „Das ist bei einer Besichtigung vor Ort aber recht schnell erkennbar“, beruhigt Richter. Denn die Rendite sollte bei etwa sieben bis acht Prozent pro Jahr liegen. „Wenn sich ein Kraftwerk nicht innerhalb von zehn Jahren amortisiert, entspricht es nicht unserem Anforderungsprofil.“ Die Abkehr von der EEG-Einspeisevergütung in Deutschland erachtet Richter als Fehler. Sonnenenergie ist langfristig sehr viel günstiger als Atom- oder Kohlestrom, die viel mehr Subventionen erhalten haben oder noch erhalten werden, wenn man an die Endlagerung des Atommülls denkt.
Neue Photovoltaikkraftwerke in Deutschland zu errichten ist unter den aktuellen Bedingungen nur schwer realisierbar. Deshalb plant Richter, das Portfolio zügig auszubauen. Auch 2017 soll es wieder ein Solarcrowdfunding geben. Nach der Verabschiedung braust er dann in seinem Nissan Leaf leise und sauber davon.