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Ehrgeizige Pläne

Die Energienachfrage in Afrika steigt, und die Stromproduzenten sind nach Kräften darum bemüht, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Was nicht immer gelingt: Südafrika gehört zu den Ländern, in denen wegen akuter Energieknappheit die zukünftige Stromerzeugung überdacht werden muss. Im Weißbuch des südafrikanischen Energieministeriums zu erneuerbarer Energie wird bis 2013 ein Erzeugungsziel von 10.000 Gigawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien formuliert. Das entspricht etwa fünf Prozent der aktuellen Stromerzeugung in Südafrika. Damit steht dem südafrikanischen Photovoltaikmarkt ein exponentielles Wachstum ab 2012 bevor. Christopher James Haw, Mitbegründer und Vorsitzender des Branchenverbandes SAPVIA (South African PV Industry Association) sowie Mitbegründer und Geschäftsführer von Aurora Power Solutions, meint: „Der Markt wird stark wachsen. Anhaltendes Wachstum wird jedoch davon abhängen, inwieweit die Photovoltaik-Strompreise sinken und sich den Groß- und Einzelhandelspreisen im Land angleichen.“ Der rechtliche Rahmen für Photovoltaikanlagen sieht in Südafrika positiv aus, da die Regierung einen 20-jährigen Masterplan, den Integrated Resource Plan (IRP), aufgestellt hat, der Teil des Integrated Energy Plan ist. Der IRP wird als Instrument betrachtet, den Ausbau der Stromversorgung über den anvisierten Zeitraum zu lenken – immerhin prognostiziert der Bericht ein Anwachsen des Spitzenbedarfs von 38,9 auf 67,8 Gigawatt bis zum Jahr 2030 – ein Wachstum von jährlich rund 2,8 Prozent. Der IRP führt gleichzeitig zu einem höheren Anteil an erneuerbarer Energie am Energiemix, und die Photovoltaik wird hierbei als großer Gewinner betrachtet: Während der Entwurf des Plans im Oktober 2010 noch 11.400 Megawatt erneuerbare Energie vorsah, sind es nun – nach einer zweiten Runde öffentlicher Beteiligung – 17.800 Megawatt beziehungsweise 42 Prozent der angestrebten Erzeugung. Auf die Photovoltaik entfallen jetzt 8.400 Megawatt und weitere 1.000 Megawatt auf Solarthermie. Frost & Sullivan berichtet, dass von diesem Jahr an großtechnische Photovoltaikprojekte von 300 Megawatt entstehen.

Eine Aktualisierung des IRP in diesem Jahr ist vorgesehen, wobei bisher jedoch noch keine Änderungen zu beobachten sind. James Haw meint, dass auf die Photovoltaik dauerhaft dann zurückgegriffen wird, wenn Strom zu niedrigeren mittleren Stromgestehungskosten erzeugt werden kann. Die mittleren Stromgestehungskosten liegen in Südafrika derzeit bei etwa 2,20 bis 2,60 Südafrikanischen Rand (ZAR) pro Kilowattstunde (0,20 bis 0,24 Euro); der Trend geht nach unten, und der Wert könnte mit besseren Finanzierungskosten noch günstiger sein. Eine schnelle Einführung der Photovoltaik hängt davon ab, wie schnell die Endverbraucher- und Großhandelspreise in Südafrika sowie die mittleren Photovoltaik-Stromgestehungskosten sich einander annähern.

Goldrausch am Kap

Die Photovoltaik hat in Südafrika zu einer Art Goldrausch geführt, denn durch die Regierungsinitiative kommen nun Investitionen ins Land. Das Energieministerium sieht zudem vor, dass 30 Prozent des neu erzeugten Stroms bis 2030 von unabhängigen Stromerzeugern stammen sollen. SAPVIA-Sprecher Davin Chown sieht die Marktöffnung für unabhängige Stromerzeuger positiv, wie er in seinem von PV Insider organisierten Webinar „Phase 1: Herausforderungen und die Zukunft der Photovoltaik in Südafrika“ mitteilte. Die rasche Urbanisierung ist demnach für die nationalen Infrastrukturen einschließlich der Energieinfrastruktur eine starke Belastung. Chown zufolge ist mit einer jährlichen Erhöhung des Energiebedarfs um drei Prozent bis 2030 zu rechnen, was einem zusätzlichen Energiebedarf von etwa 40 Gigawatt entspricht. Noch besteht eine starke Abhängigkeit von Kohle, wobei die Kraftwerke im Nordosten gelegen sind und über komplexe Netze verfügen, die den Strom durch das Land zu den Lastschwerpunkten verteilen. Aufgrund der weiten Strecken kommt es jedoch zu erheblichen Verlusten zwischen zehn und zwölf Prozent.

Nach Angaben von Eskom, dem größten Stromerzeuger des Landes, wird bis 2030 eine zusätzliche Erzeugungs-leistung von 89,5 Gigawatt benötigt, wobei ein großer Prozentsatz aus erneuerbaren Energien sowie von unabhängigen Erzeugern stammen soll. Eskom hofft auf eine gute Zusammenarbeit mit Letzteren, die ihrerseits um einen einheitlichen Ansprechpartner gebeten haben.

Menschen vor Ort einbinden

In der ersten Ausschreibungsphase für Großprojekte im Bereich erneuerbare Energien wurden 28 Angebote mit insgesamt 1.416 Megawatt herausgefiltert. 18 von diesen Angeboten betrafen die Photovoltaik mit einer Gesamtleistung von etwa 632 Megawatt. Die unabhängigen Stromerzeuger sind das Rückgrat der Regierungsinitiative, um erneuerbaren Energien den nötigen Vorschub zu leisten; fünf Ausschreibungsrunden für unabhängige Stromerzeuger sind geplant. Internationale Bewerber müssen sich entweder vor Ort niederlassen oder Partnerschaften eingehen. Das Energieministerium legt Wert auf die regionale Einbindung, um sicherzustellen, dass die Menschen vor Ort auch wirtschaftlich profitieren. Für die erste Projektrunde muss der regionale Anteil 35 Prozent betragen, wobei die Regierung mit der Zeit auf einen Anstieg auf ehrgeizige 65 Prozent hofft – und auf die Schaffung von 300.000 Arbeitsplätzen.

Ehrgeizige Pläne

Südafrikas ehrgeizige Pläne auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien sind in den Nationalen Entwicklungsplan eingebunden. Dieser soll einen positiven Kreislauf von Wachstum und Entwicklung schaffen, bis 2030 die Armut besiegen und der Ungleichheit entgegenwirken. Das verarbeitende Gewerbe ist in Südafrika in den letzten Jahren schwächer geworden. Die Photovoltaik wird nun als die Lösung zur Stimulierung des angeschlagenen Sektors gesehen. „Die Solarunternehmen sind aufgerufen, zur Regionalisierung der Produktion beizutragen“, sagt Chown. Für ihn ist die Regionalisierung eine wichtige Komponente für die unabhängige Stromerzeugung und das neue Vorzeigeprogramm der Regierung für erneuerbare Energien. Ziel ist, dass die Gewinne im Land bleiben. Der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Ebrahim Patel, sagt, dass es bei der Regionalisierung in der Branche für erneuerbare Energien auch darum geht, direkt auf diesem Sektor bis 2020 50.000 Arbeitsplätze zu schaffen.

Haw meint: „Südafrika wird die regionale Fertigung dauerhaft fördern. Gegenwärtig läuft eine Studie von SAPVIA und dem Ministerium für Handel und Industrie, in der untersucht wird, welche Komponenten der Wertschöpfungskette dem Land wahrscheinlich den größten Nutzen bringen werden, im Hinblick auf Mehrwert und Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Wind- und die Solarbranche haben sich zur Schaffung von 50.000 Arbeitsplätzen bis 2020 im Green Economy Accord verpflichtet. Wir würden diese Zahl gerne noch höher ansetzen. Das hängt jedoch von der Marktentwicklung ab, inwiefern kleinere Aufdachanlagen hinzukommen.“ In Phase 1 haben die Projektentwickler mit viel Bürokratie zu rechnen. In Südafrika herrscht ein zentralisiertes und von der Regierung kontrolliertes Machtgefüge, weshalb die Umsetzung kein Spaziergang sein wird. Momentous Energy beispielsweise schließt gerade einen Deal für den 6,8-Megawatt-Solarpark RustMo1 in der Provinz Nordwest ab – und Geschäftsführer Gareth Warner wird mit den Worten zitiert, dass die Ausschreibung samt Anforderungen sehr umfassend ist.

Linda Thompson, Leiterin der Solar-Entwicklung bei Mainstream Renewable Power, hebt einige Herausforderungen hervor: „Das südafrikanische Landwirtschaftsministerium spricht sich gegen eine Nutzung landwirtschaftlicher Flächen beziehungsweise ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen aus. Das ist recht hinderlich.“ Die Nordkap-Region, wo sich die meisten Projekte befinden, ist zudem karg. Für Bau- und Wartungsarbeiten wird Wasser benötigt, was viele Entwickler von der Region fernhält. Auch das Thema Umweltverträglichkeitsprüfung ist Thompson zufolge schwierig; es ist noch nicht geklärt, wann, durch wen und wie diese durchgeführt werden soll. Hinzu kommt das Bewerbungsverfahren für den Netzzugang als potenzielle Schwierigkeit.

Herausforderung Netzzugang

Die Herausforderung des Netzzugangs wird auch im Weißbuch aufgegriffen mit dem Ziel, aus Phase 1 zu lernen. Es heißt: „Wie bei der Windenergie können Netz-Upgrades bei der zweiten Runde von Photovoltaikanlagen von 2016 bis 2019 in Abhängigkeit des Standorts notwendig werden. Um die damit verbundenen Arbeitsschritte rechtzeitig auszuführen, bedarf es spätestens in der nächsten Runde des IRP des definitiven Bekenntnisses zu diesen Leistungsvorgaben. Bisdahin wird der angenommene Kostenrückgang für Photovoltaik bestätigt worden sein.“ Die gesetzte Frist zur Klärung solcher Fragestellungen? Spätestens zum Ende der nächsten IRP-Runde.

Investoren willkommen

Ausländische Photovoltaikunternehmen beobachten gerade, wie sich Südafrika als neuer Markt schnell und gewaltig öffnet. Als größtes privates Stromversorgungsunternehmen in Indien ist Tata Power zusammen mit dem südafrikanischen Bergbaukonzern Exxaro ein Joint Venture unter dem Namen Cennergi eingegangen. Cennergi hat im April angekündigt, bis zum Jahr 2025 Projekte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien mit einer Leistung von 16 Gigawatt durchzuführen. Das Unternehmen hat sich an der zweiten Ausschreibungsrunde mit Angeboten für Solar- und Windenergie beteiligt. Abgabetermin war der 5. März. Das Energieministerium teilte im Mai mit, dass man insgesamt 79 Angebote erhalten habe und dass der Bewertungsprozess abgeschlossen sei. Zudem habe sich die Qualität der Angebote deutlich verbessert.

Chown unterstreicht, dass der Bergbau im Land eine Million Arbeitsplätze schafft. Für die Solarbranche heißt das, dass der energiefressende Bergbau sich jetzt erneuerbaren Energien zuwendet, um sich von fossilen Brennstoffen zu lösen. Exxaro-Geschäftsführer Sipho Nkosi zur Partnerschaft von Cennergi mit Eskom: „Wir als Kohleproduzenten in Südafrika sehen, dass wir uns erneuerbaren Energien zuwenden müssen, denn wir müssen als Unternehmen in der südafrikanischen Gesellschaft unserer Verantwortung gerecht werden.“ Exxaro gehört in Südafrika zu den führenden Kohleproduzenten und größten Lieferanten von Eskom.

Das spanische Unternehmen Abengoa Solar kommt über das KaXu Solar One Consortium, von dem Abengoa 51 Prozent besitzt, nach Südafrika. Das Unternehmen entwickelt derzeit in dem Land am Kap ein solarthermisches 100-Megawatt-Kraftwerk. Auch Mainstream ist unter den bevorzugten Bietern und reicht sein Angebot über sein südafrikanisches Geschäft für die Photovoltaikprojekte in De Aar und Kimberley in der Provinz Nordkap ein. Ein weiterer bevorzugter Bieter ist Erika Energy, das einen 28-Megawatt-Solarpark errichten will. Die Aktionäre dieses Unternehmens sitzen bei Astronergy in Korea, einer Tochter des chinesischen Unternehmens Chint.

Haw veranschlagt die Entwicklungszeit vom Anfang bis zum Abschluss des Projekts mit rund 18 Monaten. „Der internationale Investor muss mit gewissen Vorschriften und Gesetzen klarkommen, die es ausschließlich in Südafrika gibt, wie etwa dem Black Economic Empowerment. Die Vorschriften werden in den RFP-Dokumenten erläutert, wenngleich bestimmte Themen, wie zum Beispiel die exakte Definition der regionalen Einbindung, noch größerer Klarheit bedürfen. Der RFP-Informationsaustausch mit dem Energieministerium läuft sehr effizient und Anfragen werden recht kurzfristig beantwortet. Die südafrikanische Justiz sowie das Bankensystem sind stabil und zuverlässig.“ Und der nächste große Schritt? Eine unabhängige Studie im Rahmen des Weißbuchs deutet darauf hin, dass die mittleren Gestehungskosten von Photovoltaikanlagen vor 2015 ohne Stromspeicher auf dem Niveau des Privatkundenpreises liegen, wenn nicht darunter. Bei zukünftigen IRP-Runden sollte also dezentrale Erzeugung mit einbezogen und weiter untersucht werden. Die Entwicklung intelligenterer Netze und Speicherlösungen zur Förderung erneuerbarer Energien steht auch zur Debatte.

Mit Energie gegen viele Probleme

Südafrika verspricht sich viel von erneuerbaren Energien, um das angeschlagene verarbeitende Gewerbe zu stärken, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die leidigen Stromausfälle abzustellen. Erneuerbare Energien werden nicht nur als Mittel betrachtet, mit dem das Land der Welt zeigen kann, das es bereit ist für den Ritt auf der grünen Welle, die um den ganzen Globus geht. Sie sind auch der Schlüssel zur Wiederbelebung der Wirtschaft.

In gewisser Weise sieht es nach einem ganzheitlichen Ansatz aus, den die Regierung verfolgt, um den Problemen mit einer allumfassenden Lösung zu begegnen: mit erneuerbaren Energien. Wenn die ehrgeizigen Pläne erfolgreich sind, kann Südafrika vielen anderen Entwicklungsländern auf der Suche nach einer neuen Energie- und Wirtschaftspolitik als Vorbild dienen.

Habib Ali/Shamsiah Ali-Oettinger

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